Die Wahrscheinlichkeit liegt bei ungefähr sagen wir mal 97%.
Rein äußerlich können wir ja seit Jahren den Niedergang selbst der entwickelsten kapitalistischen Staaten mit ansehen. Aber natürlich ist das noch kein Beweis und erst recht keine Begründung.
Ohne eine Vorstellung davon zu haben, was Kapitalismus überhaupt ist, lässt sich die Frage natürlich nicht beantworten. Sieht man im Kapitalismus in erster Linie ein System, dass dem Profitstreben dient (wie einige Antworten hier), dann liegt es natürlich nahe zu sagen, dass der Kapitalismus unendlich sei, eben weil das Profitstreben nie aufhören wird (ob letzteres wirklich so ist, sei mal dahingestellt). Hiergegen gibt es ein einfaches Gegenargument: waren nicht frühere Wirtschafts- und Gesellschaftsformen wie die Sklavenhaltergesellschaft oder der Feudalismus ebenfalls auf Egoismus gegründet? Waren nicht die Sklavenhalter, die kleinen und großen Feudalherren sogar noch viel schlimmere Egoisten und Menschenschinder als heutige Kapitalisten? Und trotzdem sind diese Wirtschaftssysteme untergegangen. Offenbar hat das Entstehen und der Untergang eines Wirtschaftssystems nichts mit "Egoismus", "Profitstreben" oder sonstigen menschlichen Charakteren und Absichten zu tun.
Tatsächlich existieren Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme nicht, weil die Menschen "es so wollen". Niemand hat den Kapitalismus absichtlich "eingeführt". Maßgeblich ist vielmehr der technische Fortschritt: mit dem technischen Fortschritt ändern sich die Arbeits- und Produktionsbedingungen, es ändern sich auch die hergestellten Produkte. Mit der Änderung der Arbeits- und Produktionsbedingungen, kurz der Produktionsverhältnisse, müssen sich auch die rechtlichen, staatlichen usw. Rahmenbedingungen ändern. Dadurch wiederum ändern sich die Gesellschaftsvorstellungen, die Gebräuche, die Moden usw.
Die Erfindung der Dampfmaschine führte zu großen Fabriken, in denen viele hunderte oder tausende Menschen arbeiteten. Damit das überhaupt möglich war, musste die feudale Rechtslage geändert werden, wonach Menschen außerhalb der Städte ihr Leben lang in dem Herrschaftsbereich bleiben mussten, wo sie geboren waren. Dass Bauern ihre Scholle verlassen durften und woanders eine Arbeitsstelle in einer Fabrik annehmen konnten, wurde erst 1806 gesetzlich erlaubt. Spätestens mit der Aufhebung der Leibeigenschaft wurde die feudalistische Wirtschaftsweise unmöglich.
Die alten Gesellschaftsstrukturen, die vielleicht früher mal einen Sinn gemacht haben, gehen unter, wenn sie sich als Behinderung für die weitere Entwicklung der Produktivkräfte erweisen. Es wäre lächerlich zu glauben, dass nun ausgerechnet der Kapitalismus das Ende dieser Entwicklung wäre.
Es lässt sich aber noch Konkreteres sagen: Das Wesen des Kapitalismus ist, wie der Name schon sagt, das Kapital. Kapital ist eine Geldsumme, die eine gewisse Entwicklung durchmacht und sich dadurch vermehrt. Kapital ist sich vermehrender Wert. Wenn jemand 1 Million Euro in ein Unternehmen investiert, will er nicht 1 Million zurück bekommen - dann würde er die Sache sein lassen -, sondern sagen wir mal 1,2 Millionen. Also 200.000,- Euro Profit. Dieses Profitstreben ist nicht einfach unmoralisch, sondern dieses Streben gibt dem ganzen Verfahren überhaupt erst Sinn. Ohne Aussicht auf Profit würde die Investition nicht getätigt.
Diese 200.000,- Euro Profit sind auch nicht etwa nur dafür da, dass sich der Kapitalist ein schönes Leben macht. Zumindest ein Teil des Profits muss gespart werden, um demnächst re-investiert zu werden. Denn was macht der Kapitalist, wenn er einen gut laufenden Betrieb hat, irgendein neuer Konkurrent aber mit neu entwickelten Maschinen wesentlich billiger produziert? Dann bleibt dem Kapitalisten nur eine einzige Alternative: Entweder geht er unter, oder er muss auch neue Maschinen anschaffen, um damit billiger zu produzieren. Woher nimmt er aber das Geld für die neuen Maschinen? Aus dem aufgehäuften Profit.
Er muss also Profit machen, ob er will oder nicht. Dem Kapitalisten sein Profitstreben als moralische Schlechtigkeit vorzuwerfen, ist darum albern. Das hat Karl Marx auch nie getan.
Wenn man sich den einzelnen Kapitalisten betrachtet, muss man sich keine weiteren Gedanken darüber machen, wo das zusätzliche Geld eigentlich herkommt. Wenn er es anderen Mitmenschen durch den Handel abnimmt, die dann eben entsprechend weniger Geld haben, braucht ihn das nicht zu kümmern.
Das ist aber anders, wenn wir die Gesellschaft insgesamt betrachten. Denn dass ALLE Kapitalisten ihren Profit dadurch machen, dass sie anderen das Geld wegnehmen oder andere "übers Ohr hauen", ist offenbar unmöglich. Denn dann könnte die Gesellschaft insgesamt ja nie reicher werden. Das Geld würde nur immer innerhalb der Gesellschaft umverteilt, aber insgesamt nicht mehr werden. Wenn jeder jeden "übers Ohr haut", haben am Schluss alle dasselbe wie vorher.
Die Frage ist also: woher kommt eigentlich der zusätzliche Wert, wenn er nicht aus der Bereicherung zu Lasten anderer kommt? Dieser Mehr-Wert kommt dadurch zustande, dass im kapitalistischen Produktionsprozess Lohnarbeiter eingesetzt werden. Die Lohnarbeiter bekommen einen bestimmten Betrag als Lohn, aber sie schaffen mit ihrer Arbeit einen Wert, der höher ist als ihr Lohn. Wenn der Arbeiter zum Beispiel am Tag 100,- Euro Lohn bekommt, in dieser Zeit aber Waren herstellt, die sein Kapitalist für 120,- Euro verkaufen kann, dann hat der Arbeiter einen Mehrwert von 20,- Euro produziert. Niemand anders als der Lohnarbeiter kann mehr Wert produzieren, als er selber gekostet hat.
Dieser Mehrwert ist das eigentliche Ziel der ganzen Veranstaltung, denn dadurch wird aus Geld mehr Geld. Der Mehrwert ist darum das spezielle Produkt des Kapitalismus.
Nun gibt es aber ein Problem: Wie gesagt steht der technische Fortschritt nie still. Es werden immer neue Produktionstechniken erfunden, mit denen billiger produziert werden kann. "Billiger" bedeutet in aller Regel, mit weniger Arbeitskosten. Also mit weniger Lohnarbeitern. Waren vor hundert jahren noch zigtausende von Arbeitern in einem Automobilwek angestellt, sind es heute dank Fließband und Automatisierung nur noch wenige hundert. Das heißt, die technische Entwicklung führt zu weniger menschlicher Arbeit.
Das ist so lange kein großes Problem, so lange die entlassenen Arbeiter woanders unterkommen. Zum Beispiel waren von 130 Jahren in Deutschland 75% aller Menschen in der Landwirtschaft tätig. Durch den gewaltigen Fortschritt in der Landwirtschaft sind heute vielleicht noch 5% der Menschen dort tätig. Was ist mit den anderen 70% passiert? Sind die alle verhungert? Natürlich nicht, sondern die haben Arbeit in anderen Sektoren gefunden. Zum Beispiel in der aufstrebenden Autoindustrie. Das geht aber nur dann und nur so lange, wie in anderen Industrien eben viele Arbeitskräfte gebraucht werden. Vor 130 Jahren war das kein Problem, denn der technische Fortschritt in der Landwirtschaft führte nicht gleichzeitig zu technischem Fortschritt in anderen Industrien. Seit einigen Jahrzehnten ist das aber anders. Denn die Elektro- und Computertechnik führt dazu, dass fast gleichzeitig alle Branchen sich erneuern. Eine neue Automobilfirma fing vor hundert Jahren wie gesagt noch mit tausenden von Arbeitern an. Ein neuer Handyhersteller fängt nur noch mit ganz wenigen Arbeitern an, weil alles automatisiert ist. Und in allen anderen Branchen ist es dasselbe. Ein neues Produkt, dass viele Arbeitskräfte bräuchte, gibt es nicht mehr.
Das führt dazu, dass die Lohnarbeit in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat. Jedenfalls die Lohnarbeit, die produktiv ist. Ich rede hier nicht von Schuhputzern, Werbeleuten, Haushaltshilfen, Internetstars usw. Und dieser Rückgang der produktiven Lohnarbeit ist nicht etwa weltweit überall gleich, sondern verteilt sich ganz verschieden. Deswegen merken wir in Deutschand nicht viel von diesem Rückgang der produktiven Arbeit. Während der Rückgang in Deutschland z.B. nicht zu spüren ist, die Fabriken brummen und Arbeitskräfte dringend gesucht werden, herrscht in weiten Teilen der Welt eine hohe bis sehr hohe Arbeitslosigkeit. Zum Beispiel in den arabischen Ländern. Da werden keine Arbeiter für Auto- oder Handyfirmen gebraucht, weil Deutschland und ein paar andere Länder mit ihren Autos und Handys die gesamte Welt beliefern können. Allerdings kommt die Entwicklung immer näher zu uns: schon in Südeuropa gibt es teilweise Arbeitslosenquoten (vor allem unter jungen Leuten), die man sonst nur aus arabischen oder vorderasiatischen Ländern kennt. Und irgendwann wird diese Entwicklung auch uns treffen.
Der Rückgang von Arbeitsplätzen ist natürlich für die Betroffenen zunächst ein soziales Problem. Aber es geht darüber hinaus: Wenn, wie ich oben erklärt habe, der Zweck des Kapitalismus darin besteht, aus Geld mehr Geld zu machen, dieser Vermehrungsprozess aber nur duch den Einsatz von Lohnarbeit funktioniert, dann gibt es ein gewaltiges Problem, wenn die Lohnarbeit immer mehr abnimmt. Denn weniger Lohnarbeit bedeutet über kurz oder lang eben auch weniger Mehrwert. Die kapitalistische Produktionsweise bricht sozusagen zusammen.
Damit dieser Zusammenbruch nicht passiert oder zumindest hinausgezögert wird, lassen sich die Kapitalisten ein paar Tricks einfallen. Geht Mehrwertproduktion wirklich nicht auch ohne Lohnarbeit? Das geht tatsächlich, aber nur in Form von Spekulationsblasen. Indem Aktienwerte oder Grundstückswerte im Nennwert steigen und so angeblich einen Wertvermehrung stattfindet, die aber nur simuliert ist. Karl Marx sprach von "fiktivem Kapital". Von diesen Blasen, die früher oder später alle platzen, hatten wir ja in den vergangenen Jahrzehnten so einige. Auch dies zeigt, dass der Kapitalismus unaufhörlich seinem Niedergang entgegen geht.