Über 40 Jahre deutscher Teilung bleiben einfach nicht spurenlos. Insbesondere die ersten 20 Jahre der Teilung prägten sehr stark die Menschen. Das sogenannte Wirtschaftswunder war in diesem Zusammenhang sehr wesentlich, dieses gab es entgegen der allgemeinen Darstellung in beiden deutschen Staaten. Nur die Begleitumstände waren völlig anders. Wurde der BRD durch den Besatzungsmächten enorm geholfen, durch materielle und finanzielle Hilfen, als auch auf den weitgehenden Verzicht von Reparationsleistungen, arbeiteten die Menschen in der DDR doppelt so hart, mußten sie doch ohne jede Hilfe die durch den Krieg zerstörten Betriebe wieder aufbauen. Diese mußten dann fast sämtliche Reparationsleistungen des Deutschen Reiches alleine an die Siegermächte, hauptsächlich die Sowjetunion erbringen. Dadurch blieb nur ein kleiner Teil der Industrie- und Agrarproduktion im eigenen Land und die eigene Bevölkerung übrig. Verschärft wurden diese und andere Probleme noch durch die Tatsache des Ausblutens an Fachkräften, weshalb letztendlich die innerdeutschen Grenzen dauerhaft geschlossen und gesichert werden mußten, sofern die DDR überleben wollte. Und tatsächlich verbesserten sich danach die Arbeits- und Lebensbedingungen der DDR-Bürger, ganz spürbar Ende der 1960er- und vor allem in den 1970er-Jahren. Letzteres wurde so zum sprichwörtlich Goldenen Jahrzehnt, denn zu dieser Zeit blühte das Land richtig auf.
Folglich entstand als Begleitumstand auch eine eigene gesellschaftspolitische und -kulturelle Identität, die sich dann in den 1980ern fortsetzte und bis in die Gegenwart im größten Teil der heute noch lebenden DDR-Bürger tief verwurzelt ist. Deutlich zu merken ist das heute in der Lebensart dieser Menschen. Diese Menschen haben andere Erwartungen an die politischen Führungen von Bund, Land und Gemeinden; Geld, Besitz und Macht haben eher eine untergeordnete Bedeutung; Autos sieht man sehr oft als Statussymbol; Kameradschaft und unentgeltliche Hilfe hat einen hohen Stellenwert, wie auch das "Wir"-Gefühl; die Verbundenheit mit dem russischen Volk ist ein anderes; Ausländer sieht man gerne als Touristen, Gastarbeiter oder Gaststudenten, nicht aber als Immigranten und schon gar nicht aus anderen Kulturkreisen (Ausnahme sind Vietnamesen, da sie keinem Probleme bereiten, fleißig sind und keine kriminellen Parallelgesellschaften bilden).
Und auch ich fühle mich 28 Jahre nach der Übernahme der DDR durch die BRD nicht als Deutscher, sondern als DDR-Bürger, dem ein fremdartiges System aufgezwungen wurde. Dabei ist das kein individuelles Gefühl. Bedingt durch meine heutige nebenberufliche Arbeit, bei der ich mit Menschen aus dem gesamten deutschen Sprachraum und darüber hinaus zu tun habe, stelle ich immer wieder erneut fest, wie groß auch heute noch die Unterschiede zwischen den innerdeutschen Kulturen sind. So fühle ich mich als Mecklenburger etwa den Brandenburgern oder Sachsen näher, als etwa einem Hamburger oder Niedersachsen. Das sollte doch zu denken geben.