Woran erkennt man "gute Literatur"?

7 Antworten

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Henryk M. Broder (selbst Autor) hat mal das hier gesagt:

"Ein guter Schriftsteller muss ein Autist sein; es muss ihm egal sein, was die Leser von ihm erwarten, was die Kritiker über ihn denken und was seine Schwiegereltern von ihm halten. Er schreibt nicht, weil er es kann, er schreibt, weil er muss.”

Das, glaube ich, trifft den Kern ganz gut. Beim Schreiben darf es nicht darum gehen, auf den "Erfolg" zu schielen oder sonstwie zu kalkulieren. Der Einsatz von Sprache, Stilmitteln, der Aufbau... all das vollzieht sich mit einer Art "Selbstverständlichkeit", die weder kalkuliert, noch kalkulierbar ist. Und allein das scheint mir vielmehr eine Frage von "Begabung" zu sein, als "erlernbar" im eigentlichen Sinne.

Zudem reicht es ohnehin nicht aus, dass die "formal-funktionale" Seite in sich stimmig ist - das allein macht noch keine wirklich "gute" Literatur (und auch keinen guten Schriftsteller) aus, in meinen Augen.

Das, was es wirklich "gut" macht letztlich, das ist das, was einem Text innewohnt, sich aber nicht rational erfassen lässt. Der "ganz eigene Zauber".

Im Übrigen sieht man all das sehr gut an Kinder- und Jugendbüchern; Rowling ist da ein ganz interessantes Beispiel, find´ ich: Sicher lässt sich das von ihr Geschriebene (stilistisch) nicht vergleichen mit manch anderem; aber sie "rührt" doch etwas an, hat mit viel Liebe und Phantasie geschrieben (erweckt auch Phantasie. Und das bei so vielen Menschen...).

Insofern würd´ ich auch hier -für mich ganz klar- von wirklich "guter Literatur" sprechen wollen.

Letztlich aber bleibt es doch immer irgendwie (bei jedem "allgemein-verbindlichen Konsens", den es sicher immer wieder gibt - meistens ja bei den sogenannten "Klassikern") ein rein subjektives Empfinden und Urteil...


Doriana  30.09.2012, 16:34

Das Zitat von Herrn Broder finde ich sehr treffend. Spricht mir aus der Seele. :)

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mychrissie  27.04.2016, 16:23

Ja, ja, der gute Broder, der gibt ja auch überall seinen Senf dazu. Er bezeichnet sich ja selbst als "Mediennutte".

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Es fragt sich wozu sie gut sein soll? Es gibt gute unterhaltende Literatur, gute bereichernde, gute sprachlich beglückende und gute spannende Literatur. Jede ist auf ihre Weise gut.

Es gibt Literatur, die erdrückend langweilig, sprachlich mittelmäßig und thematisch irrelevant ist, und nur deshalb als "gute" Literatur gilt, weil einige abgehobene Linguisten sie zu ihrem Literaturkanon zählen.

Ich zähle Werke zur guten Literatur, die alle im ersten Absatz erwähnten Kriterien erfüllt.

Allerdings sind die wirklich guten Bücher von "Einsteigern" oft schwer zu entschlüsseln, so wie Musik von Stockhausen, Bilder von Pollock oder eben "Ulysses" von James Joyce oder gar "Zettels Traum" von Arno Schmidt. Das sind dann Kunstwerke, die wir mit nur viel Übung verstehen können, die aber in der nächsten oder übernächsten Generation zur Normallektüre gehören. Die Bilder von Monet wurden vor zwei Generationen auch als Schmiererei betrachtet und die von Picasso sogar noch vor einer.

es gibt einen status quo im lehrplan. ich find goethe nicht toll. trotzdem muss es gemacht werden. und fontane is schrecklich. und dann erts neuere autoren wie max frisch


Leseratte98  29.09.2012, 19:22

Ich finde Fontane toll ... Vor allem Die Brücke am Tay. Naja, aber das ist wohl Ansichtssache.

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mychrissie  30.09.2012, 11:17

Das ist keine Ansichtssache, sondern möglicherweise der Mangel an Bereitschaft, sich in ungewohnte Darstellungsweisen hineinzuarbeiten.

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applecat 
Beitragsersteller
 30.09.2012, 18:52
@mychrissie

mychrissie, deine Antwort ist ja gut, aber ich kann das mit dem Mangel an Bereitschaft nicht zu 100 Prozent nachvollziehen, Gschmäcker sind verschieden, jeder hat einen eigenen Hintergrund und jeder bevorzugt andere Sachen. Gewisse Dinge kann man einfach nicht objektiv festlegen- zum Beispiel ob ein Buch zu gefallen hat oder nicht.

Wenn ich dir jetzt ein Essen servieren würde, welches du überhaupt nicht mögen würdest und total angewidert wärst, ist das dann auch ein "Mangel an Bereitschaft, sich in ungewohnte" Kulturen "hineinzuarbeiten"?

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Anhand guter Literatur kann man etwas für das Leben lernen(Gehalt),anhand normaler Literatur nicht. Dafür folgende Beispiele: George Martin entwirft in seinem "Das Lied von Eis und Feuer" eine grandiose Welt mit einer spannenden,mitreißenden Handlung. Ich lese es wirklich gern,aber es lässt sich daraus nichts lernen. Stephen King schildert in seinem Roman "ES" einige fragwürdige Kindheiten,die mit der Horrorhandlung verwoben sind.Daraus können nicht nur,aber auch junge Menschen etwas lernen. Fontane erzählt in "EFFI BRIEST"das Scheitern einer Ehe,weil die Frau beim besten Willen ihren Mann nicht lieben kann.Dieses Nichtliebenkönnen macht Fontane auf sehr differenzierte Weise deutlich. Ob ein Buch Gehalt hat oder nicht,lässt sich weitgehend objektiv feststellen. Das Sichzurückziehen auf "Geschmack" zeugt von geistiger Bequemlichkeit.

Ich denke, so etwas richtet sich einerseits nach dem Geschmack bestimmter Personen, andererseits aber auch nach Wortschatz, Gliederung der Handlung u.ä. Letztendlich zählt für mich mehr, ob ein Buch oder ein Gedicht starke Emotionen hervorrufen kann. Trauer, Freude, Spannung ... das sind für mich Anzeichen guter Literatur.