Wie würdet ihr das Gedicht ''Die Beschwörung'' von Heinrich Heine interpretieren?
Ich bräuchte eure Hilfe bei der Interpretation des Gedichtes ''Die Beschwörung'' von Heinrich Heine. Ich hätte da zwar auch meine eigenen Ideen, aber die möchte ich erst einmal für mich behalten. Wie würdet ihr das Werk interpretieren, ganz besonders in Bezug auf die letzte Strophe
Die Beschwörung
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Der junge Franziskaner sitzt
Einsam in der Klosterzelle,
Er liest im alten Zauberbuch,
Genannt der Zwang der Hölle.
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Und als die Mitternachtstunde schlug,
Da konnt er nicht länger sich halten,
Mit bleichen Lippen ruft er an
Die Unterweltsgewalten.
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Ihr Geister! holt mir aus dem Grab
Die Leiche der schönsten Frauen,
Belebt sie mir für diese Nacht,
Ich will mich dran erbauen.
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Er spricht das grause Beschwörungswort,
Da wird sein Wunsch erfüllet,
Die arme verstorbene Schönheit kommt,
In weißen Laken gehüllet.
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Ihr Blick ist traurig. Aus kalter Brust
Die schmerzlichen Seufzer steigen.
Die Tote setzt sich zu dem Mönch,
Sie schauen sich an und schweigen.
3 Antworten
Der Franziskaner lebt enthaltsam und ist für andere Menschen da - er verkörpert das Gute.
Die schöne Frau, die aus der Hölle kommt, würde das Böse verkörpern.
Dass sie schweigen, könnte bedeuten, dass sie im Einvernehmen schweigen, nichts zu sagen haben, weil das Gute und das Böse letztztendlich gleich sind, indem sie sich ja ergänzen und zusammen ein Ganzes ergeben.
Der junge Mann hat sicher Sehnsüchte, sonst würde er keine Frau aus der Hölle haben wollen, sich an ihr erbauen wollen.
Er merkt aber, dass sie genauso einsam ist wie er. Das Ergebnis ist also für beide das Selbe, ob sie nun gut oder böse leben.
Man könnte vielleicht sogar rückschliessen auf die alte Geschichte von Adam und Eva, wo der Mensch das Paradies verlor, weil er zwischen Gut und Böse unterscheidet. Dass die Unterscheidung von Gut und Böse hinfällig sei, wenn man betrachtet, wohin sie beide führen, nämlich in die Einsamkeit.
Naja, ist so ein Versuch. Welche Gedanken hast du dir dazu gemacht?
Vielen, vielen, vielen Dank!!! Ich muss grade auch das Gedicht vor dem Hintergrund der Schauerromantik analysieren und dieser Beitrag hat mir unendlich viele neue Möglichkeiten gegeben. Von diesem Blickwinkel hatte ich das alles noch gar nicht wirklich betrachten ^^ Also nochmal: Vielen Dank an euch Beide :D
Er ist ein gescheiterter Mönch, der sein Gelübde (Ehelosigkeit) nicht leben kann.Er sehnt sich nach Liebe, benutzt dazu sogar die unchristliche Magie. Aber alles, was er dabei heraufbeschwören kann, ist eine Tote, die kalt und traurig ist. Eine lebensvolle Frau, die Erfüllung bringen könnte, kann man mit diesen Mittel nicht erlangen. Er ist eben ein "unechter" Mönch, der an seinem Mönchtum leidet. Er müsste aus dem Orden austreten. Dann könnte er eine lebende Frau finden. Für Heine ist auf keinen Fall der Mönch = das Gute und die Frau = das Böse.
Ich meinte, dass Heine den Irrtum aufklärt, das eine für gut und das andere für böse erklären zu wollen.
Was verstehst Du denn daran? Der Mönch möchte etwas aus der hübschen Frau erfahren. Mehr kann ich nicht hinein interpretieren.
In Bezug auf die letzte Strophe sehe ich das so: Dass die Toten auf ewig schweigen und unter Mönchen ist es ebenfalls ein weit verbreiteter Brauch Tage oder Wochen lang zu schweigen. Diese extreme Enthaltsamkeit und dieser extreme Verzicht auf all die Dinge, die das Leben erst lebenswert machen, lassen den Mönch ebenfalls wie einen lebenden Toten erscheinen, genau wie unsere untote zurück gerufene Frau. Der Mönch und die Frau unterscheiden sich in diesem Punkt in keinster Weise. Beide können unter ihren gegebenen Ümständen weder vollständig leben noch vollständig sterben.
Im Allgemeinen würde ich das Gedicht so interpretieren: Dass jede Form der extremen (sexuellen) Askese meist dazu führt, dass der Asket in seiner Phantasie extreme Sehnsüchte entwickelt. Und jemand der absolut jeder Versuchung widerstehen muss, wird früher oder später zusammen brechen und so ziemlich jeder Versuchung nachgeben.
Hätte der Mönch in einem Dorf gewohnt, wo er sich ein Mädchen hätte aussuchen können, wäre er wohl nie auf solche extremen Phantasien gekommen. Somit führt das vollständige Verdrängen der natürlichen Sexualität in die Peversion.
Weiterhin könnte man noch hinzufügen, dass je mehr eine Religion von ihren Anhängern verlangt, umso stärker sind diese auch gewillt ihre Religion ablegen zu wollen oder diese zu übergehen. So dass der Mönch sogar bereit ist satanische Magie zu verwenden um seine Sehnsüchte zu erfüllen.
Fazit: Sexualität sollte nicht vollständig verdrängt werden und Religion sollte für seine Anhänger keine Last darstelllen. Denn nur dann wird Religion auch gelebt und praktiziert.