Wie wird ein Raumfahrtgerät angetrieben? Das Rückstossprinzip kann mangels Widerstand nicht funktionieren, oder?


16.06.2024, 15:23

Auch die Steuerung stelle ich mir sehr sehr schwierig vor. Mann kann einen Impuls geben (z.b. mittels einer kl. Explosion) aber wie stoppt man die wieder so hochpräzise mit einer Gegenexplosion. Gibt es dazu Flugversuche in Vakuumkammern auf der Erde?

9 Antworten

Warum soll absurderweise ausgerechnet "das Rückstoßprinzip mangels Widerstand nicht funktionieren?"

Tatsächlich funktioniert im Vakuum mangels Widerstand einzig und allein das Rückstoßprinzip als Mittel zur Beschleunigung eines Körpers. Im Vakuum ist doch kein äußerer Körper, an dem sich ein Flugobjekt abstützen könnte! Zum Manövrieren kann da lediglich eine Rückstoßmasse beschleunigt werden gegen die jeweils angestrebte Beschleunigungsrichtung des Flugobjektes. "Kraft und Gegenkraft".

"Flugversuche in Vakuumkammern auf der Erde" sind für derartig elementare, simple mechanische Prinzipien so hilfreich wie "Drehversuche von Rädern, Schrauben oder Würfel in Vakuumkammern auf der Erde". Wozu soll das taugen ausgerechnet im Vakuum?

Das "Abbremsen" gegenüber einem beliebigen Bezugssystem ist nichts anderes als eine Beschleunigung gegenüber diesem System. Im Alltag betrachten wir die Bremsung auch als "negative Beschleunigung". Das ist einfach eine Beschleunigung entgegen der jeweiligen Bewegungsrichtung. Auch der Richtungswechsel ("Steuerung") der aktuellen Bahn ist nichts anderes als eine Beschleunigung quer zur jeweiligen Bewegungsrichtung.

Zur Veranschaulichung: Wenn zwei Bälle so geworfen werden, dass sie sich in der Luft begegnen, dann werden die nach dem Zusammenprall nach verschiedenen Richtungen beschleunigt. Das funktioniert nicht wegen der Luft, sondern trotz der Luft! Nur im Vakuum funktioniert das perfekt!

Wie wird ein Raumfahrtgerät angetrieben? Das Rückstossprinzip kann mangels Widerstand nicht funktionieren oder?

Oh, doch! Das ist sogar das so ziemlich am häufigsten verwendete Prinzip, würde ich sagen... Ein Raketenantrieb funktioniert doch nach dem Rückstoßprinzip.

Im Gegensatz zu deinem Denkfehler, den ich vermute... Man braucht da keine Umgebung, die einen Widerstand bietet, von dem man sich abstoßen würde. Man stößt sich nicht von der Umgebung ab. Man stößt sich von den Teilchen (von dem ausgestoßenen Gas) ab, die man ausstößt.

Stichwort: Impulserhaltung (bzw. 3. Newton-Gesetz)
[Man stößt etwas (beispielsweise ausgestoßenes Gas) mit einem gewissen Impuls von sich weg. Dafür erhält man selbst einen entsprechenden Impuls in die entgegengesetzte Richtung.]

Mann kann einen Impuls geben (z.b. mittels einer kl. Explosion) aber wie stoppt man die wieder so hochpräzise mit einer Gegenexplosion.

Explosionen sind eher schwierig zu kontrollieren, da das nur kurzzeitig eine hohe Energie liefert. Einfacher ist es da, für eine kontinuierlichen Ausstoß an Teilchen zu sorgen (beispielsweise durch kontinuierlichen Ausstoß von Verbrennungsgasen).


Wong999 
Beitragsersteller
 16.06.2024, 15:44

Gibt es Versuche in Vakuumkammern auf der Erde? Solche Steuerungen müssen doch bestimmt getestet werden. Mich würde interessieren wie man das macht weil ich mir das auch sehr schwierig vorstelle.
n.b. Bei den Lunar Lander Tests 1969 hat es eher wie kleine Explosionen gewirkt. Deshalb habe ich vermutet dass es so gemacht wird.

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Das ist ein weitverbreiteter Irrtum. Der Staudruck eines Verbrennungsantriebes stösst einen massebehafteten Gasstrom mit sehr hoher Geschwindigkeit aus. Nach dem Impulserhaltungssatz wird dabei auch ein Gegenimpuls auf das Raumfahrzeug ausgeübt. Auf diese Weise kommt ein Antrieb zustande. Man spricht bei dem ausströmenden Gas auch von der Stützmasse.

aber wie stoppt man die wieder so hochpräzise mit einer Gegenexplosion.

Man stoppt ja nicht vollständig, sondern man reduziert die Geschwindigkeit bei Annäherung an einen Himmelskörper und schwenkt mit genau berechneter Geschwindigkeit in eine Umlaufbahn ein. Das Bremsen wird dann so vollzogen, dass das Raumfahrzeug im antriebslosen Zustand in Gegenrichtung gedreht wird. Dann wird das gleiche Triebwerk erneut für eine bestimmte Zeit gezündet, bis die niedrigere Zielgeschwindigkeit erreicht ist. Du musst Dir das auch nicht wie eine Explosion vorstellen, sondern eher wie eine kontinuierliche Verbrennung ähnlich wie bei einem Flugzeugtriebwerk. Auch das stößt sich nicht gegen eine Atmosphäre ab, sondern lebt vom Vorwärtsimpuls einer rückwärtsgerichteten beschleunigten Gasmasse.

Woher ich das weiß:Recherche

Das Prinzip ist hier die Impulserhaltung.
Masse mal Geschwindigkeit von allen Bestandteilen der Rakete bleibt gleich, das ausgestoßene Gas inbegriffen.
Das, was hinten rauskommt, hat sowohl Masse, als auch Geschwindigkeit. Das multiplizierst Du. Ebenso Masse und Geschwindigkeitszuwachs der Rakete.
Beide Produkte addiert, ergeben Null. Eigentlich hat sich nichts geändert, denn das Massezentrum zwischen ausgestoßenem Gas und Rakete verhält sich genauso, wie ohne Schub. Es liegen jetzt beide Komponenten nur weit auseinander.

Du hast das RückstoßPrinzip leider noch nicht verstanden, wie viele Wissenschaftler vor ü100 Jahren.

Man stößt sich dabei nicht von einem 'Widerstand' ab, sondern eben von der Materie, die man in Gegenrichtung auswirft! Wenn man 1000 kg mit 1000 m/s nach hinten wirft, gibt es einen Impuls mit 1'000'000 kg×m/s nach vorn!

Die Ausrichtung funktioniert genauso, nur mit viel kleineren Steuerdüsen. Deshalb verwendet man nur sehr langsame Drehmanöver. JEDE eingeleitete Drehung muss mit einer gleich starken Gegendrehung beendet werden.