Wie verhalte ich mich gegenüber Menschen, die das "Asperger-Syndrom" haben?
Meine Gastschwester hat "Asperger". Sie ist extrem eingebildet und hat eine unhöfliche Art mir gegenüber :( Ist das mit Asperger normal? Wie soll ich mich verhalten, wenn sie wieder so ein Anflug hat von wegen "Ich bin die Intelligenteste und es ist so hart intelligent zu sein, weil viele mich deswegen mobben"?
Ich hoffe, ihr könnt mir weiterhelfen. ...
9 Antworten
Menschen mit Asperger-Syndrom sind oft unbeabsichtigt unhöflich. Das Alle-anderen-Menschen-sind-dümmer-als-mein-Hund-Gefühl deiner Gastschwester kenne ich sehr, sehr gut und vielleicht neigt sie ja ebenso wie ich dazu, andere herumzukommandieren? Ich kann verstehen, dass dich das wohl oft nervt aber es gibt bestimmte Gründe, warum sich Menschen mit Asperger so komisch verhalten. Den meisten Asperger-Autisten fällt das logische denken einfacher oder sie haben andere Hochbegabungen, die ihnen in der Schule nützlich sind, was heißt sie sind oft "schlauer", als die anderen. Im Gegensatz zu den "normalen" Menschen interessieren sich die meisten Autisten (die ich kenne) auch für den Unterrichtsstoff (und ihnen ist es unbegreiflich, wie man darauf kommt sich mitten in einer interessanten Geschichtsstunde zu schminken!), womit sie eben oft zum "Klassenstreber" ernannt, von der Gruppe ausgeschlossen und ausgelacht werden. Viele gleichen das ganze dann mit ihrem Ego aus, ganz nach dem alten "Die sind nur eifersüchtig"-Prinzip. Wenn sie sagt, sie habe es schwer mit ihrer Intelligenz, dann glaube ihr das. Jeder Mensch ist unterschiedlich verletzlich, und vor allem bei Autisten, sollte man immer auf das achten, was man sagt. Was ich sagen will ist, dass sie trotzdem an etwas schwer gelitten haben kann, was die anderen "nur halb so schlimm" nennen, da Autisten sich auch oft schwer damit tun, Gefühle zu zeigen, bemerken andere oft nicht, wenn sie sie verletzt haben. Wenn sie ihr Leben so schon als hart empfindet, sollte sie nicht von dir zusätzlich wegen ihrer, wahrscheinlich unbeabsichtigten, Unhöflichkeit angefeindet werden.
Autisten fallen außerdem viele, für andere völlig selbstverständliche Dinge sehr schwer, Sachen wie "Wie kaufe ich eine Busfahrkarte?", "Bei welchem Wetter zieht man was an?" und "Wen und wie frage ich nach XYZ? Warum können das alle, nur ich nicht?!". Dadurch sind sie eben auch sehr unselbstständig, und eben umso umständlicher. Ich weiß nicht, ob du mal "The Big Bang Theorie" gesehen hast, aber Sheldon's ständiges "Fahr mich daundda hin!", ist ein typisches Autisten-Kommando (und ich als jugendlich-tyrannischer Autist weiß das!). Viele Autisten sind aufgrund ihrer Unselbstständigkeit nie im Stande, alleine zu Leben, aus Angst vor Veränderung oder einfach aus der Angst davor jemanden zu fragen wie etwas geht lernen sie viele, für das Leben wichtige, Dinge eben nicht oder suchen sich merkwürdige Schlupflöcher. Ich z.B. habe erst vor etwa einem Jahr, mit 15, angefangen mit dem Bus zu fahren, da meine neue Schule sehr weit weg ist. Und obwohl wir fast direkt vor der Haustür eine Bushaltestelle haben, zog ich es früher immer vor, jeden Morgen eine Halbe Stunde zu meiner (alten) Schule zu laufen, weil ich nicht Busfahren wollte/konnte/lernen wollte. In erster Linie wegen oben genanntem Fahrkartenproblem. Diese Unselbstständigkeit belastet einen natürlich auch, man kommt dadurch sehr oft in stressige Situationen, vorallem, da Autisten das Alleinsein oft genießen, wünschen sich viele von ihnen mehr Selbstständigkeit, sind aber aufgrund ihrer Unselbstständigkeit nicht in der Lage, diese zu entwickeln. Für Autisten ist der Alltag oft stressiger als für andere, vorallem spontane Dinge, wie Geburtstagsparties, können einen Autisten ziemlich belasten. Wenn deine Gastschwester auch auffällig unselbstständig sein sollte, setze sie nicht unter Druck, indem du sie etwas ganz alleine machen lässt sondern biete deine Hilfe an. Allerdings sollten da weniger Schlupflöcher ("Ich fahre dich schon dahin") gesucht, als echte Hilfen ("Ich fahre mit dir dahin") angeboten werden.
Ansonsten gibt es noch das Problem, das Autisten die "wortlose Sprache" oft nicht so gut beherrschen wie andere. Das heißt das Deuten sowie Anwenden von Mimik und Gestik, das erkennen und zeigen von Gefühlen und manchmal auch die Betonung in Sätzen fällt vielen von ihnen schwer. Also wundere dich nicht, wenn deine Gastschwester dich mit ihrem Lieblingshobby volllabert, und keine Anstalten macht aufzuhören, obwohl du ihr deutlich signalisierst, dass du das überhaupt nicht hören willst. Es ist wichtig, einem Autisten deutlich zu sagen, was man fühlt, und auch was man sich von demjenigen wünscht, also: "Tut mir leid, ich bin gerade ziemlich beschäftigt und kann dir nicht zuhören, aber heute Abend hab ich Zeit.", anstatt " Lass mich in Ruhe!". Sollte deine Gastschwester komisch laufen oder sich irgendwie anders merkwürdig bewegen, kannst du sie darauf aufmerksam machen, allerdings nur sachlich und nicht an eine Erwartung geknöpft, und vor allem eben nicht darüber lachen.
Ich entschuldige mich übrigens für diesem Moby-Dick-Roman und hoffe er war wenigstens etwas hilfreich.
Zu Beginn und auch wenn das jetzt 7 jahre her ist, will ich erstmal anmerken, dass die Schöpfer von "the big bang theory" Autismus bei Sheldon dementierten. Sheldon hat also kein Autismus oder ist asperger.
Sheldon hat lediglich eine inselbegabung.
Zu dem Rest muss ich sagen, dass ich mich da voll und ganz drin sehe.
Irgndwie bin ich "normal", aber gefühlt kann ich im Alltag nichts machen.
Ab und zu mal einen Tag arbeiten ist okay, aber danach bin ich Wochen fertig.
Ich leide ziemlich unter dem Gesellschaftlichen Druck und dass ich meinem "normalen" Leben nicht so nachgehen kann, wie man es von mir erwartet.
Ich bin noch nicht "identifiziert", ich bin der Meinung, dass es mindestens asperger ist.
Leider wurde durch covid-19 meine Diagnose abgesagt...
Naja ich dachte irgendwie schon immer, dass mit mir irgendwas nicht stimmt, weil ich auch vorallem in der Schule eine Menge Probleme mit Reizüberflutung, Mobbing, etc. hatte. Irgendwann war mir das ganze psychisch zu viel und meine Mutter und ich haben dann einen Psychologen in Anspruch genommen, der bei mir den Autismus diagnostiziert hat, womit ich auch sehr zufrieden war.
Ich tausche mal das "b" gegen ein "p" = Asperger.
Ja - manche (einige?viele?) mit dem Aspergersyndrom tun sich mit den Höflichkeitsfloskel und so ziemlich schwer. Sie können es lernen, aber nicht jedem von ihnen ist die Bedeutung dahinter klar (nachvollziehbar)
Ich finde, du solltest nicht von ihrem "mich mobben alle, weil ich intelligent bin" ausgehen - sondern daran denken, dass sie wegen ihrer "Andersartigkeit" gemobbt wird. Würde sie ihr Wissen nicht "zur Schau" stellen (was wohl eher dir so vorkommt), wäre es mit deinem (und dem Rest der Klasse) Verständnis wahrscheinlich auch nicht viel anders. Oder?
Versuche ihre "Unhöflichkeit" zu ignorieren und höflich zu ihr zu sein - aber möglichst mit deinem Inneren übereinstimmend. Denn es könnte sie verwirren, wenn Tonlage, Gesichtsausdruck und so nicht zu dem passen, was du gerade sagst.
Buchtipp: "Buntschatten und Fledermäuse" von Axel Braun
Er beschreibt sein Leben mit Asperger.
Hmhm, als Buchtipp finde ich (Auto-)Biographien über nur einen Autisten immer sehr schwierig bis ungeeignet.
Es ist übrigens auch nicht zwingend ein Problem mit dem Verstehen der Bedeutung von Höflichkeitsfloskeln. Mir zum Beispiel ist das durchaus sehr klar, was mich nicht daran hindert, Höflichkeitsfloskeln schlicht immer mal wieder anzuwenden zu vergessen. Ob nun im Redefluss oder auch beim Schreiben von E-Mails zum Beispiel. Bei E-Mails habe ich mir angewöhnt, sie nach dem Schreiben noch mal zu lesen, und sowas wie Rückfragen (nach dem Zustand etc.) nachträglich einzugfügen (also sowas wie: "Mir geht's gut, danke, und dir?").
Ein gutes Buch um Asperger Autismus zu verstehn ist "Ein guter Tag ist ein Tag mit Wirsing". Das wurde auch von einer Asperger Autistin geschrieben, aber sie hat das ganze sowohl aus der "außen Ansicht" (wissenschaftlich) als auch aus der "innen Ansicht" beschrieben. Hilft gut, um die Form des Autismus besser zu verstehen.
Wo wir schon bei Buchempfehlungen sind:
http://www.menschen-mit-meer.de/
Da geht es um mehrere Autisten, nicht nur einen. Allerdings wird Asperger-Autismus da weniger erklärt als viel mehr einige Autisten einfach ein wenig in ihrem Leben begleitet, sehr unpathologisch.
Ansonsten empfehle ich Tony Attwood "Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom" oder Lasse von Dingens "Das Chaos da draußen".
Was du als unhöflich empfindest, ist das Fehler von netten Floskeln und Höflichkeitslügen. Sie sagt direkt was sie denkt - ohne es so zu verpacken und zu verfälschen, dass es niemanden verletzt.
Am einfachsten kommst du mir ihr zurecht, wenn du dir die "sozialen Riten" im Kopf dazudenkst. Wenn sie etwas sagt, was andere Leute per Höflichkeitslüge ausgeklammert hätten, versuche für die Ehrlichkeit dankbar zu sein oder blende es für dich aus.
Du kannst sie auch direkt darauf ansprechen, dass Äußerung X jetzt gerade nicht okay war. Je nach Laune wird sie das beherzigen oder sauer sein. Aber auch wenn sie ein paar Minuten sauer ist, hilft ihr eine eindeutige Ansprache solcher Probleme mehr, als wenn du es ignorierst und sie den Fehler später wiederholt.
Wenn du sie auf einen Fehler ansprichst, verklausuliere das bitte nicht in Umschreibungen, sondern formuliere so direkt und klar wie du kannst. Begründe jedes Detail, zum Beispiel: "Ich mag es nicht, wenn du dich als so intelligent darstellst, weil ich mich nicht gern dumm fühle. Du würdest dich auch nicht gerne dumm fühlen, wenn ein noch Klügerer laut angeben würde."
Wenn sie das Asperger-Syndrom hat, ist es wahrscheinlich, dass sie nicht absichtlich eingebildet und unhöflich ist.
Du könntest ihr in so einem Moment klar sagen, dass es ok ist, dass sie das so empfindet, es aber auf andere Menschen sehr eingebildet und unhöflich wirkt, wenn sie das so kundtut, und sie damit anecken wird.
Offene Gespräche, nicht "durch die Blume", nicht zwischen den Zeilen, sollten im Grunde ankommen und auch ok sein.
Es ist nicht bei allen gelich aber es kann bei menschen mit asperger gut sein dass sie manchmal unabsichtlich unhöflich sind. Nur weil sie das asperger syndrom haben ist das natürlich keine entschuldigung aber vlt verstehst du es dann ein wenig besser.
Lg
Hey Ich hab mit dein Bericht durchgelesen und ich finde es gaaaaaaanz ganz mutig von dir und ich bedanke mich herzlichst dafür. Ich habe eine Frage ... Wurde dir gesagt das du asberger hast oder hast du es selber gemerkt?
Ich habe manche Verhaltensweisen die du beschrieben hast bei mir wiedererkannt.