Wie steht das Christentum zum Thema Kampfsport?

6 Antworten

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Ich zitiere mal ein paar interessante Aussagen des bekannten reformierten Pfarrer Dr. Peter Vogelsanger, der zum Thema "Christentum und Selbstverteidigung/ Notwehr" interviewt wurde:

"In Römer 13, also im Römerbrief des Paulus, finden sich die ganzen Ausführungen über die Schwertgewalt des Staates. Da wird gesagt: Der Staat ist die Ordinatio Dei - die Ordnung Gottes -, die eingesetzt ist auf dieser Welt zur Eindämmung des jederzeit lauernden und Macht an sich reißenden Bösen: "Sie trägt das Schwert nicht umsonst," (die Obrigkeit) "... sondern zur Bestrafung der Bösen und zur Belohnung der Guten." Das heißt, es ist die primäre Aufgabe des Staates, dem Bösen in dieser Welt Widerstand zu leisten, und Paulus sagt in diesem Zusammenhang: Es ist Pflicht des Christen, den Staat in dieser Funktion zu unterstützen...

..."Du sollst nicht töten" im Alten Testament heißt ganz eindeutig: "Du sollst nicht MORDEN". Also nicht einfach ein absolutes Tötungsverbot, so daß man keine Fliege und kein Kaninchen töten dürfte. Es ist damit auch kein absolutes Tötungsverbot in Bezug auf das menschliche Leben gemeint. Das kennt nämlich das Alte Testament nicht. Das Alte Testament kennt ja auch die Todesstrafe, und so weiter, und damit ist sicher auch die Notwehr inbegriffen. Wenn aus diesem alttestamentlichen Gebot eine Verneinung der Notwehr abgeleitet würde, wäre das nicht textgernäß...

... "Ihr sollt dem Bösen nicht widerstehen", und dem Zitat wegen der Ohrfeige (Bergpredigt). Ich glaube aber, daß Jesus dort gar keinen Angriff auf das Leben im Auge hat. Er hat die Feindesliebe im Auge. Das heißt, meine Liebe soll so stark sein, daß sie auch den Feind einschließt und durch das Gute zu überwinden und zu gewinnen versucht, statt durch Gewalt. Damit ist aber nicht so sehr der Feind gemeint, der mein Leben bedroht, als einfach der Feind, der mich beleidigt. Das geht ja aus der Stelle mit der Ohrfeige hervor: Es ist der Beleidiger, dem ich nicht mit der selben Waffe heimzahlen soll.Es geht um den Beleidiger. Den soll ich entwaffnen durch die stärkere Kraft meiner Liebesfähigkeit. Daß die Vertreter der Gewaltlosigkeit sich auf diese Stelle in der Bergpredigt berufen, halte ich zwar nicht für einen Irrtum, aber für eine viel zu weitgehende Folgerung aus dem, was Jesus dort meint: den persönlichen Feind, der mir Schaden zufügen will und der mich haßt. Deshalb ist diese Aufforderung nicht übertragbar auf das Problem der Notwehr...

...Liebe heiß im eigentlichen Sinne des Neuen Testaments, unter Absehung von allen sentimentalen Mißverständnissen: Schutz und Bewahrung allen Lebens, soweit dies in meinem Verantwortungsbereich liegt. Man könnte als Christ vielleicht sagen: Ich will lieber leiden, will lieber den Angriff erdulden, als daß ich Gewalt ausübe, als daß ich den Gegner vernichte, Ich könnte die Bergpredigt so auffassen. Also: Ich dulde den Angriff und nehme halt unter Umständen das Martyrium oder den Tod auf mich und habe mir damit reine Hände bewahrt...

... Ich verteidige ja nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das Leben meiner Nächsten. Man kann noch weitergehen und sagen: Indem ich mich wehre gegenüber dem eindeutig bösartigen Angreifer, tue ich zweierlei: Erstens verteidige ich mein eigenes Leben deshalb, weil dieses Leben ja nicht nur mir gehört, so daß ich es wegwerfen könnte, wenn ich angegriffen werde. Zum Beispiel als Pfarrer gehöre ich ja nicht nur mir selber, ich gehöre auch der Gemeinde, die mir zur Seelsorge anvertraut ist. Als Arzt gehöre ich meinen Patienten, als Lehrer meinen Schülern; ich bin nicht nur Individualperson, sondern ich bin immer irgendwie Mensch in der Gemeinschaft, und indem ich mein eigenes Leben verteidige, bewahre ich auch ein Leben vor der Vernichtung, das einen Schutz und einen Wert für andere darstellt...

...Das Zweite ist ein Gedanke, den Luther stark betont hat. Luther hat sich meines Wissens mit dem Problem der Notwehr mehrfach auseinandergesetzt. Und er hat gesagt, natürlich, in einer extremen Haltung kann man sich sagen: Ich will lieber Unrecht leiden und dabei untergehen, als anderen Gewalt zuzufügen. Aber das ist völlig falsch gedacht. Ich handle in dem Moment, da ich mich gegen den bösartigen Angreifer wehre, als Vertreter der Staatsgewalt, die ja in dem Moment nicht da ist, indem ich dem räuberischen Chaos entgegentrete. Es ist die Aufgabe der Staatsgewalt, das räuberische Chaos zu verhindern, sonst wird ja das ganze Leben zur Beute des Starken, und der Schwache geht dabei unter. Indem ich dem Anspruch des Gewalttätigen, des skrupellosen Kriminellen, entgegentrete, verteidige ich eine ganz bestimmte göttliche Ordnung dieses Lebens. Ich bin der Repräsentant dieser göttlichen Ordnung...

...Wenn ich nun die Konsequenz aus alledem ziehe, muß ich sagen: Jawohl, Notwehr ist dem Christen nicht nur erlaubt, auf Grund einer Lex naturae, sondern die Notwehr ist dem Christen sogar geboten, weil er bei Verzicht darauf die ganze Ordnung des menschlichen Zusammenlebens in Frage stellt..."


chrisbyrd  03.11.2019, 09:11

Ergänzung:

Ich habe mal gelesen, dass Christen keinen Kampfsport machen können, weil sie immer die andere Backe hinhalten müssen.

Sollten Christen sich überall verprügeln lassen, ohne sich zu wehren? Sollten sie zuschauen, wenn andere Menschen verprügelt werden und sich darüber freuen, dass diese die andere Backe hinhalten können? Das ergäbe doch irgendwie nur wenig Sinn und würde sogar die gesellschaftliche Ordnung gefährden.

Zu der Bibelstelle mit dem "Hinhalten der anderen Backe" ist zu sagen, dass es dabei nicht um Selbstverteidigung oder körperliche Angriffe, sondern um Rache und Beleidungen geht.

Im griechischen Urtext steht das Wort "rhapizo", das einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht bedeutet. Dies war eine Geste, die z.B. ein Herr gegenüber seinem Knecht tun durfte. Bei Gleichgestellten galt sie als schwere Beleidigung, die nach rabbinischem Recht doppelt bestraft wurde. Deshalb soll man sich durchaus beleidigen lassen, ohne sich zu wehren. Und man soll sich nicht rächen, was wohl die Kernaussage dieser Bibelstelle ist.

Deshalb ist der Vorschlag, auf Beleidigungen nicht zu reagieren und auf Rache zu verzichten, die beste Taktik, um Streit zu deeskalieren und schlimmere Auseinandersetzungen, die über verbale Angriffe hinausgehen, zu vermeiden.

In taktischen Selbstverteidigungsseminaren, in denen es um Notwehr und Nothilfe geht, wird diese Strategie durchaus als wichtige Möglichkeit der Deeskalation und Prävention gelehrt.

An diesem Beispiel sieht man wieder, wie lebensnah und -praktisch Jesus die Menschen belehrte.

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KwonDo 
Beitragsersteller
 03.11.2019, 11:29
@chrisbyrd

Danke!

Aber Kampfsport uns Selbstverteidigung/Notwehr ist ja nicht das gleiche. Beim Kampfsport kämpfe ich mit anderen Personen, um mich zu messen. Natürlich alles nur auf sportlicher Ebene. Ich möchte auch niemanden verletzen.

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chrisbyrd  03.11.2019, 11:48
@KwonDo

Gegen sportliche Wettkämpfe ist eigentlich nichts auszusetzen. Der Apostel Paulus nennt auch Beispiele aus dem Sport (Leichtathletik und Boxen), um Durchhaltevermögen und Dranbleiben im Glauben zu verdeutlichen.

Man könnte über gesundheitliche Folgen von Vollkontaktsportarten diskutieren. Ab und zu sterben z. B. Boxer oder Thaiboxer an den Folgen der Schlageinwirkung. Deshalb gefällt mir persönlich beispielsweise Leichtkontaktkickboxen besser, da man den Gegner dabei nicht verletzten will, um zu gewinnen, sondern einfach nur versucht, kontrolliert Treffer zu setzen.

Es gibt aber auch andere Sportarten, die gefährlich sein können, z. B. Freeclimbing, Ski alpin oder Motordsport.

Eine Thema für Christen ist sicherlich fernöstliche Esoterik. Als Christ sollte man die Elemente des Buddhismus und Taoismus raushalten (Do-Lehre als Zen-Weg zur Erleuchtung; Yin-Yang-Lehre; Harmonisierung der Ki-Energie, Zen-Meditation; innerliches Leermachen usw.).

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chrisbyrd  04.11.2019, 17:17
@KwonDo

Vielen Dank für den "Stern", ganz liebe Grüße und Gottes Segen!

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Wenn Du das nur aus Freude tust oder zur Selbstverteidigung, dann spricht meiner Meinung nach nichts dagegen. Du solltest natürlich Deine Kampfsportfähigkeiten niemals dafür einsetzen, andere anzugreifen und ernsthaft zu verletzen.

Die Kirche lehnt es allerdings ab, wenn sich Menschen am Leid anderer ergötzen. Wenn sie sich über blutende Menschen freuen. Schon im alten Rom waren die Menschen gierig nach Blut und Schweiß und sahen zu, wie sich die Gladiatoren gegenseitig zerfetzten. Heute schauen Millionen Menschen zu, wenn sich Boxer gegenseitig blutig schlagen. Wenn es also darum geht, den Gegner wirklich körperlich zu verletzen, wie beispielsweise beim Boxen, dann sieht das die Kirche nicht mit Wohlgefallen; was aber nicht heißt, dass es kirchlich verboten wäre. Die Kirche unterstützt es bloß nicht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Theologiestudium

nowka20  03.11.2019, 00:24

das wort "ergötzen" taucht nur einmal in der bibel auf:

Spr 5,20 Mein Sohn, warum willst du dich an der Fremden ergötzen und herzest eine andere?

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Hessen001  03.11.2019, 00:57
@nowka20

Du kannst auch beliebige Synonyme für dieses Wort verwenden. Du kannst auch "erfreuen" sagen oder "berauschen" .

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nowka20  03.11.2019, 16:07
@Hessen001

es ging aber um kampfsport in der bibel!

und das wort berauschen oder berauscht gibt es auch nicht in der bibel!

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Hessen001  03.11.2019, 17:19
@nowka20

Es ging darum, wie das Christentum zum Kampfsport steht und nicht, was darüber in der Bibel steht!

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nowka20  03.11.2019, 22:14
@Hessen001

genau. denn du hast doch vom thema abgelenkt. und ich bin auf dich eingenagen, was du mir jetzt ankreidest!

hier dein textausschnitt:

Du kannst auch beliebige Synonyme für dieses Wort verwenden. Du kannst auch "erfreuen" sagen oder "berauschen" .
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Was genau ist "das Christentum"?

"Auge um Auge, Zahn um Zahn" klingt klar nach eine positiven Meinung zu sportlichem Kampf. Die Bergpredigt hört sich aber ganz anders an.

Was das "Christentum" (2.Kor.11,14; Offb.17,1-6) dazu sagt, weiß ich nicht.

Unser ewige Gott spornt uns in anderer Richtung an (Phil.3,14; 1.Kor.9,24).

Woher ich das weiß:Recherche

Warum sollte sich das Christentum zum Kampfsport positionieren?