Wie motiviert man Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen?

2 Antworten

Ich bin ebenfalls angehende HEP und habe in meiner Klasse auch welche, die mit psychisch erkrankten Menschen arbeiten. Da wir uns immer mal austauschen, kann ich dir sagen, es geht nicht nur dir so, dass sich diese Menschen oft nicht motivieren lassen (das Problem habe selbst ich mit meinen geistig behinderten Klient*innen).

3 Bausteine sind dabei sehr wichtig (meine Mitschüler*innen nennen sie die "3K-Regel" - ob es die so offiziell gibt, weiß ich leider nicht):

Punkt 1: sehr klientenzentriert arbeiten - noch mehr, als es bei geistig oder körperlich behinderten Menschen der Fall ist.
Punkt 2: Gleichzeitig muss je nach Ausprägung der Erkrankung sehr kleinschrittig gearbeitet werden.
Punkt 3: Kooperativ sein - ist für beide Seiten wichtig.

Bei Punkt 1 besteht die Herausforderung darin, dass eigentlich die ganze Arbeit von euch nur auf das gerichtet ist, was eure Klient*innen mögen, gerne machen und sich wünschen. Oft werden z.B. Wünsche aber gar nicht explizit genannt, sondern fallen eher als Nebensatz im allgemeinen Gespräch.

Beispiel: Es läuft Fernsehen und dort kommt eine Supermarkt-Werbung. Himbeeren und Brombeeren sind im Angebot, ihr hattet über die Kindheit gesprochen und plötzlich fällt der Satz "Also meine Mama hat früher immer Obstsalat gemacht."
Dann musst du dir als Mitarbeiter 2 Fragen stellen: 1.) Hat mein*e Klient*in früher immer gerne Obstsalat gegessen und möchte das vielleicht mal wieder machen/erleben? und 2.) Wie kommt er/sie jetzt plötzlich darauf? Waren in Mutters Obstsalat vielleicht Himbeeren oder Brombeeren, weshalb die Werbung die Verknüpfung darstellte?

Bei Punkt 2 ist es wichtig, nicht zu überfordern. Dieser Schritt kann durchaus langwierig sein und erfordert sehr viel Feingefühl seitens der Mitarbeitenden.

Beispiel: Du hast rausgefunden, dass dein*e Klient*in tatsächlich gerne mal wieder einen Obsalat essen würde, sich aber aufgrund einer Messerangst nicht traut sich diesen zu machen. Woher diese Messerangst kommt ist erst mal zweitrangig (kann und sollte aber natürlich auch thematisiert und aufgearbeitet werden, aber möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt), wichtig ist erstmal, dass ihr ganz kleinschrittig daran arbeitet, den Obstsalat umzusetzen - aber ohne dass abgeblockt wird, weil du zu früh das Messer übergeben willst. Dann kann eine Überforderung eintreten, wodurch die Motivation sinkt.

Punkt 3 ist meist der wichtigste Punkt für die Klient*innen. Wenn sie nämlich merken, dass sie nicht immer nur gefordert werden, sondern es auch okay ist, während eines Treffens einfach nur mal auf der Couch zu sitzen und zusammen einen Kaffee zu trinken, dann lassen sie sich oftmals viel besser auf Anforderungen ein.

Ich habe in meiner aktuellen Gruppe eine körperlich behinderte Kollegin, welche selber im Ambulanten Wohnen lebt und auch durch HEPs betreut wird. Sie erzählte mir, dass sie viel besser mit den Aufgaben ihrer Betreuung zurechtkommt, wenn es zwischendurch auch mal Treffen geben darf, bei denen einfach mal nur Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt wird oder es einen Spaziergang gibt.

Ich hoffe dir hilft meine Antwort und du findest deinen Weg. Alles Gute und lass dich nicht entmutigen!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Heilerziehungspflegerin/ Ally der Behindertencommunity

Merlin3334 
Beitragsersteller
 14.04.2022, 16:54

Vielen Dank für die Rückmeldung. Das traurige ist, dass nie etwas mit den Leuten unternommen oder gemacht wird. Es heißt dann dazu wäre keine Zeit da. Aber wenn dann 3 Mitarbeiter im Dienst sind und auch nichts zu tun ist, wird das meiner Meinung nach als Ausrede verwendet. Es hat niemand Interesse daran etwas mit den Leuten zu unternehmen. Natürlich darf man als selbstbestimmer Mensch keine Lust haben! Aber ich finde es so schade, dass man nicht einmal etwas Abwechdlung in die Sache bringen könnte. Wenn ich Leute frage, wollen sie meist wirklich nur schlafen oder Fernsehen, das reiche ihnen. Finde es sehr schwierig da ran zu kommen, aber würde doch noch gerne ein bisschen was probieren. Ein Bewohner hat in seiner Biographie stehen, dass er gerne geschwommen ist. Werde ihn mal darauf ansprechen und den Chef fragen, ob sich dafür ein Termin finden lassen würde.

Versuche noch mehr auf den Tipp einzugehen, mal irgendwie alleine nur ein Gespräch mit einem Bewohner zu führen um noch mehr Ideen zu sammeln.

Was ebenfalls als Problem in der Einrichtung gilt ist, dass die Bewohner als selbstverschuldte Bewohner ihre Strafe quasi absitzen und quasi wegen ihrer Alkohol und Drogensucht einfach Pech haben. So eine Einstellung 'sind halt selbst dran Schuld und muss schauen was er macht.

Die meisten interessieren sich halt wirklich vorallem für Taback oder Essen.

Allerdings möchte ich natürlich andere tief verborgene Interessen nicht ausschließen

0
Selkiade  14.04.2022, 17:14
@Merlin3334

Das ist natürlich echt traurig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies oft ein Teufelskreis ist. Eure Bewohner*innen sehen, dass von euch kein Ansporn kommt um mal was zu machen oder anzubieten, also suchen sie sich selbst etwas um den Tag irgendwie rumzubekommen. Das sind dann häufig die von dir genannten Dinge: Fernsehen, Schlafen, Rauchen, ect.

Wenn dann doch mal gefragt wird, zu was die Bewohner*innen Lust haben, sagen sie häufig nichts, weil sie erlebt haben, dass es entweder nur eine Anstandsfrage ist (ala: ich habe nachgefragt aber die Leute haben keinen Bock) oder sie enttäuscht wurden (ala: Es wurde z.B. versprochen ins Kino zu gehen, das wurde dann nie umgesetzt).

Du brauchst auf jeden Fall langes Durchhaltevermögen und musst dir das Vertrauen erarbeiten. Viel Erfolg dabei!

1
Merlin3334 
Beitragsersteller
 22.04.2022, 09:25
@Selkiade

Danke, für dein Mitempfinden. Sehe es genauso und habe jetzt tatsächlich Ansätze gefunden, etwas umsetzen zu können. Werde nicht aufgeben:)

1
Selkiade  22.04.2022, 12:21
@Merlin3334

Gern geschehen. :) Und freut mich, das du Ansätze gefunden hast und nicht aufgibst.

0

Ein selbstbestimmtes Leben beinhaltet halt auch keine Lust zu haben. Das ist ja die Herausforderung in diesem Beruf, Menschen zu begeistern und zu motivieren, Sachen auszuprobieren, für Ideen die du mitbringst und Ideen die deine betreuten Personen selber haben. Finde heraus, was sie brauchen, damit sie sich dir anschließen, etwas zu unternehmen. Dabei ist das Gespräch mit deinen Klienten noch immer ein hilfreiches Instrument. Frage auch dein Team nochmal, wie sie es denn schaffen/schafften, diese offenbar unmotivierten Leute zu reaktivieren. (Das hast du ja schon gemacht.. ) Wünsche dir viel Energie und gutes Gelingen!


underdogs969  13.04.2022, 17:58

Ich finde, deine Vorgesetzten machen es sich etwas zu leicht, wenn Sie dir einfach sagen, es gäbe immer Möglichkeiten jmd. zu motivieren. Sie kennen die Leute mit denen du arbeitest und könnten ihre Erfahrungen mit dir teilen...

1
Merlin3334 
Beitragsersteller
 14.04.2022, 16:50
@underdogs969

Vielen Dank für die Rückmeldung. Das traurige ist, dass nie etwas mit den Leuten unternommen oder gemacht wird. Es heißt dann dazu wäre keine Zeit da. Aber wenn dann 3 Mitarbeiter im Dienst sind und auch nichts zu tun ist, wird das meiner Meinung nach als Ausrede verwendet. Es hat niemand Interesse daran etwas mit den Leuten zu unternehmen. Natürlich darf man als selbstbestimmer Mensch keine Lust haben! Aber ich finde es so schade, dass man nicht einmal etwas Abwechdlung in die Sache bringen könnte. Wenn ich Leute frage, wollen sie meist wirklich nur schlafen oder Fernsehen, das reiche ihnen. Finde es sehr schwierig da ran zu kommen, aber wprde doch noch gerne ein bisschen was probieren. Ein Bewohner hat in seiner Biographie stehen, dass er gerne geschwommen ist. Werde ihn mal darauf ansprechen und den Chef fragen, ob sich dafür ein Termin finden lassen würde.

0
underdogs969  14.04.2022, 17:14
@Merlin3334

Hallo. Ich arbeitete viele Jahre in der stationären Sozialtherapie und wir hatten eine ziemlich straffe Tagesstruktur. Faulenzen und TV war da nicht viel...Habt ihr so etwas wie Teamsitzungen? Ich finde, du hast das Problem sehr gut erkannt und dargestellt! Konfrontiere deine Kollegen mit deinen Beobachtungen (im Team & das Verhalten der Bewohner) und mache konstruktive Vorschläge! Ich nehme dich als sehr interessiert und engagiert wahr. Bringe deine Ideen ein! Bei Teams, die schon lange zusammen arbeiten, kann sich so etwas wie Betriebs- bzw. Problemblindheit entwickeln; zudem ist es natürlich sehr bequem, die Bewohner einfach sich selber zu überlassen und faulenzen zu lassen . Dann muss man selbst nichts machen... Du bis der "Neue", glaube an dich, sage ihnen was du wahrnimmst! Eigentlich sollten sie dankbar sein über den "frischen Wind"!! Also ich würde dich unterstützen und machen lassen!

1
underdogs969  14.04.2022, 17:34
@Merlin3334

Ach ja, hinzuzufügen wollte ich noch, dass bis zu drei Mitarbeiter, bloß zur "Verwaltung" von schlafenden, TV- schauenden und faulenzenden Bewohnern ein echter Luxus ist aber ganz bestimmt nicht im Interesse der Institution...(von den Bewohnern ganz zu schweigen)

1
Merlin3334 
Beitragsersteller
 22.04.2022, 09:28
@underdogs969

Danke für das Mitteilen deiner Erfahrung und Gedanken. Tatsächlich habe ich es jetzt geschafft Ansätze von Motivation zu erreichen und merke wie sehr die Bewohner dies erfreut. Es wartet wohl noch viel Arbeit auf mich, aber das hat mich jetzt nochmal hochgezogen weiter zu machen.

0
underdogs969  22.04.2022, 10:15
@Merlin3334

Ich bedanke mich für dein Feedback! Es freut mich, dass du erfolgreich bist! Keep going 💪 liebe Grüße

0
Merlin3334 
Beitragsersteller
 23.04.2022, 12:08
@underdogs969

Dankeschön. Was habt ihr so mit den Leuten in der Sozialtherapie unternommen, wenn ich fragen darf? Würde mich auch interessieren, ob ich da was fär mich mitnehmen kann.

0
underdogs969  23.04.2022, 12:37
@Merlin3334

Hallo nochmal! Mein Klientel waren ehemalige Drogenabhängige in einer Langzeittherapie über 2 Jahre. Wir machten viel Sport, vor allem Schwimmen und gingen viel wandern. Durch den Tag wurde ganz normal gearbeitet in verschiedenen Bereichen der Wohngemeinschaft und einer großen Schreinerei, sowie Garten. Die Arbeitszeit war 8-9 Stunden von Mo- Fr. Weil diese Leute ja ein elementares Problem hatten, wurde in der wenigen "Freizeit" großteils miteinander gesprochen und die Beziehungen untereinander gepflegt. Eigentlich waren sie dauernd auf Achse, egal ob Freizeit am Wochenende, Abends und Arbeit. Das war gewollt, sollten diese Leute doch wenig Gelegenheit bekommen, sich "zurückzuziehen" und auf "schiefe" Gedanken zu kommen.. Einen Fernseher gabs übrigens auch, für eine Sendung pro Woche...

Bei ehemaligen Abhängigen, sollte es unbedingt in diese Richtung gehen, ansonsten kann ich mir nicht vorstellen, dass die eine echte Chance haben!

Ich behaupte das nicht einfach so, ich spreche von gemachter Lebenserfahrung mit allen Drogen und anschlissender Therapie vor 32 Jahren und fundierter Ausbildung in diesem Bereich.

0
underdogs969  23.04.2022, 13:15
@Merlin3334

Ich möchte ergänzen, dass ein wesentlicher Teil der Therapie natürlich die Gruppensitzungen waren, welche, je nach Thema/Vorfall/Problem, 2 Stunden bis open end, bzw bis das Problem "gelöst" war, dauerten. Zusätzlich gab es einmal die Woche noch meditatives Malen. Das Gesamtpaket aller dieser Tätigkeiten, die ich aufgezählt habe, haben aber auch sehr viel Spass gemacht, selbst wenn viele Tränen geflossen sind und viel Wut empfunden wurde!

Kannst du mir verraten, was deine Teamkollegen für einen beruflichen Hintergrund haben?

Nachdem ich die gesamte Kommunikation zwischen uns beiden nochmal durchgelesen habe, komme ich zu der Feststellung, dass euer Konzept vielleicht überarbeitet werden sollte. Ein Supervisor mit Fachrichtung therapeutische Wohngemeinschaften im Suchtbereich für dein Team/Institution wäre sicher nicht verkehrt.. Alles Gute dir!

0