Wie misst man das Gewicht eines schwarzen Loches?

6 Antworten

Astronomen koennen beobachten, wie sich Gruppen von Sternen und Gasen um das galaktische Zentrum bewegen, und daraus die Masse des zentralen Schwarzen Lochs ableiten. das funktioniert aber nur bei Schwarzen loechern, die nah genug sind, dass man das beobachten kann.

Bei Schwarzen Loechern, die weit entfernt sind, gibt es eine andere Methode, die mit dem Vergleich der Helligkeit verschiedener Teile der Gaswolke um das Schwarze Loch herum zu tun hat.

Die Masse eines Planeten kann man nur durch Messung der Gravitation herausfinden. Z.B. kann man ausrechnen wie gross die Masse ist basierend auf der Bahn seiner Monde.

Venus und Merkur haben keine Monde, und deshalb war deren Masse lange unbekannt. Aber seitdem Raumschiffe die Planeten umfahren haben, kann man das ganz genau ausrechnen.


timelesswhite 
Beitragsersteller
 04.10.2019, 14:45

Erstmal vielen Dank. Aber den ersten Satz verstehe ich nicht ganz. Astronomen beobachten Sterne und Gase und wie sich diese um das Schwarze Loch bewegen und können somit die Masse ableiten. Aber wie will man die Masse denn ableiten. Dafür braucht man doch ein Vergleichsobjekt. Und die Gravitation eines Schwarzen Loches ist doch auf einem komplett anderen Niveau als die eines Sternes zum Beispiel. Die Gravitation in einem Schwarzen Loch ist doch praktisch unendlich groß oder nicht? Wie und mit was will man sowas denn vergleichen?

uteausmuenchen  04.10.2019, 16:54
@timelesswhite
Die Gravitation in einem Schwarzen Loch ist doch praktisch unendlich groß oder nicht?

Nur im Zentrum des Schwarzen Loches, aber nicht an seinem Ereignishorizont. Die Sterne und Gase um das Schwarze Loch herum sind ja außerhalb des SL und können sehr wohl beobachtet werden.

Und die Gravitation eines Schwarzen Loches ist doch auf einem komplett anderen Niveau als die eines Sternes zum Beispiel.

Gravitation wird bei hinreichend leichten und/oder hinreichend weit auseinanderliegenden Objekten durch Newtons Formeln und in allen anderen Fällen durch die Formeln in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie beschrieben. Damit haben wir die Formeln, die wir brauchen. Wie groß die beteiligten Massen dann auch sind.

Aber wie will man die Masse denn ableiten. Dafür braucht man doch ein Vergleichsobjekt.

Nein... wir brauchen die Formeln - also die mathematische Form der Gesetze, nach denen sich diese sich gegenseitig beeinflussenden Massen bewegen. Und wir brauchen genug Beobachtungsdaten, die uns sagen, wie sie sich umeinander bewegen.

http://www.mpe.mpg.de/~ste/data/e.gif

Hallo timelesswhite,

Du hast schon ein paar gute Antworten, aber ich möchte noch ein paar Dinge ergänzen.

Massenbestimmung ist in der Astrophysik bei ganz vielen verschiedenen Objekten wichtig: Asteroiden, Kometen, Planeten, Sterne, Schwarze Löcher und ganze Galaxien oder sogar Galaxienhaufen: Masse ist wichtig. Und entsprechend gibt es zig verschiedene Methoden, je nach Objekt und dahinterstehender Physik.

Schauen wir ein paar grundsätzliche Methoden zusammen an, ja?

1) Cavendish - "Weighing the Earth"

Der Schlüssel zur Massenbestimmung liegt in Newtons Gravitationsgesetz: Newton erkannte, dass Massen die Bewegungen anderer Massen beeinflussen, weil sie eine Kraft aufeinander ausüben.

Braucht man also "nur noch" die Bewegungen messen und die In Newtons Formel vorkommende Gravitationskonstante bestimmen.

Der erste, der diese Konstante bestimmt hat, war der Brite Henry Cavendish... und er nannte sein Experiment damals tatsächlich "weighing the world", weil man mit der im Experiment bestimmten Konstante im Anschluss die Erdmasse bestimmen kann.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gravitationswaage

http://www.michaelbeeson.com/interests/GreatMoments/Cavendish.pdf

2) Der gute alte Newton: Umlaufzeiten, Abstände und Massen

Kennste eine, kennste alle.

Über die Newtonschen Formeln kann man die Masse der Sonne und der anderen Planeten im Sonnensystem bestimmen, wenn man wenigstens eine Masse bestimmt hat. Das war nach Cavendish der Fall.

Mit bekannter Erdmasse ergibt sich über den Abstand zur Sonne und die Umlaufzeit um die Sonne dann die Sonnenmasse... und mit der und derselben Rechnung dann die Massen der anderen Planeten. Und der Asteroiden und Kometen. Und davon dann wieder die der Monde, die diese Planeten umrunden.

Yeah! Zuhause im Sonnensystem haben wir alles im Griff

3) Physik ist schwierig - aber hilfreich

Schauen wir auf andere Sterne. Die Masse ist für einen Stern eine wichtige Zustandsgröße, die sein "Leben" bestimmt: Je mehr Masse, desto höherer Druck im Kern - desto schneller laufen die Kernfusionsprozesse im Sternkern ab. Massereiche Sterne leben kürzer als leichte Sterne wie unsere Sonne. Dafür zerreisst es die schweren Sterne dann aber in spektakulären Supernovae.

Astrophysiker haben also großes Interesse an der Masse eines Sterns: Weil uns das viel über seine Entwicklung sagt.

Bei der Massebestimmung helfen uns erst mal Doppelsterne. Die umrunden einander, was man über den Dopplereffekt im Linienspektrum dieser Sterne sieht. Aus den periodisch blau und rot verschobenen Spektrallinien können wir die Umlaufdauern bestimmen - und daraus dann wieder über den guten alten Newton die beteiligten Massen.

Macht man das bei vielen (ich rede von sehr vielen...) Doppelsternsystemen, hat man von vielen Sternen die Massen bestimmt. Und dann wird die Physik wichtig, die die Entwicklung von Sternen bestimmt:

Es stellt sich heraus, dass die Zustandsgrößen von Sternen nicht zufällig verteilt sind, sondern über bestimmte Formeln miteinander verknüpft sind. Die Leuchtkraft eines Sterns - also sein "Energieoutput" - und die Oberflächentemperatur und bestimmte Charakteristika in seinem Spektrum sind nicht willkürlich, sondern je nach Sterntyp (Hauptreihenstern, Riese oder Zwergstern) auf ganz bestimmte Weise miteinander und auch mit der Sternmasse verknüpft.

https://lp.uni-goettingen.de/get/text/7158

Nachdem Astrophysiker über jahrzehntelanges Sammeln von Beobachtungsdaten diese Zusammenhänge bestimmt hatten, konnte man wiederum über Beobachtung der Sternspektren diesmal von Einzelsternen auch deren Massen bestimmen.

Damit hat man Sternmassen ganz gut im Griff.

4) Richtig fette Öschis

Physik hat den Vorteil, vorurteilsfrei zu sein: Auch fette Öschis folgen Gesetzmäßigkeiten wie leichte Objekte. Manchmal - wenn die Abstände zu klein werden - genügt halt nicht mehr der gute alte Newton; dann muss man Einsteins Formeln aus der Allgemeinen Relativitätstheorie nehmen. Das Prinzip bleibt aber gleich: Man schaut, wie sich Massen umeinander bewegen - und aus den Bahndaten kann man errechnen, welche zentrale Masse diese Bahnen verursacht haben muss.

Beim supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße hat eine Gruppe hier in München am Max-Planck-Institut seit weit über 10 Jahren die Bewegungen der Sterne beobachtet, die Sgr A* am nächsten umrunden. Aus den Bewegungen dieser Sterne kann man dann über das Graviationsgesetz berechnen, wie groß die zentrale Masse sein muss, die genau die Gravitationskraft ausübt, der all diese Sterne folgen.

So schaut so was aus:

http://www.mpe.mpg.de/~ste/data/e.gif

http://www.mpe.mpg.de/~ste/data/naco3col.pdf

Man misst Bewegungen mehrerer Sterne - und kann aus den Bewegungen auf die Kraft schließen, die genau diese Umlaufbahnen verursacht.

Die Massen der umlaufenden Sterne kriegt man wieder aus den spektralen Methoden aus dem vorherigen Abschnitt raus...

Und genau aus diesen Messungen von Stefan Gillessen und seiner Gruppe wissen wir, dass unser SL Sgr A* eine Masse von etwa 4 Millionen Sonnenmassen hat.

Eine andere Messtechnik, die uns etwas über die Massen von Schwarzen Löchern sagt, hat man seit Kurzem mit der Messung von Gravitationswellen (LIGO-Experiment) bekommen. Wenn Schwarze Löcher oder Neutronensterne kollidieren und verschmelzen, messen wir Gravitationswellen dieses Ereignisses: Solche Wellen entstehen immer, wenn große Massen plötzlich beschleunigen. Aus den empfangenen Wellen kann man dann bestimmen, welche Massen die beiden Ausgangsobjekte gehabt haben.

Schwarze Löcher haben außerdem die Eigenschaft, dass ihr "Schwarzschildradius" (Klein Erna würde sagen "ihre Größe") linear mit der Masse zusammenhängt. Ein doppelt so schweres Schwarzes Loch hat auch einen doppelt so großen Schwarzschildradius.

Das ist praktisch, weil man dann durch Messung des Schwarzschildradius auf die Masse schließen kann - und umgekehrt, wenn man die Masse wieder aus den Bewegungen der umlaufenden Sterne bestimmen oder wenigstens abschätzen konnte.

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

timelesswhite 
Beitragsersteller
 04.10.2019, 20:18

Wow dat is ja ein richtiges Buch geworden haha. Vielen Dank, ein höchstinteressantes Thema finde ich!

Die präziseste Methode zur Bestimmung der Masse eines astronomischen Objektes ist die Messung ihrer gravitativen Wirkung. Das funktioniert um so präziser, je dominanter das zentrale Objekt ist und je näher es ist und natürlich, je genauer die Entfernung bekannt ist.

Bei supermassiven Schwarzen Löchern (SSL) ist das nur dann nach dieser Methode möglich, wenn die umlaufenden Objekte beobachtbar sind. Das betrifft aber nur Sagittarius A* in unserer Galaxis und möglicherweise noch das SSL Andromedas. Oder wenn sich ausnahmsweise 2 SSL umkreisen.

Die Masse eines SSL kann man auch bestimmen, wenn man deren Ereignishorizont (Ehz) bestimmen kann. Das ist direkt aber nicht möglich, weil selbiger nun mal unsichtbar ist. In Ausnahmefällen ist das aber möglich, wenn sich (orbitale) Sonnen beobachten lassen, die vom Ehz verdeckt werden. Dabei muß dann aber auch die Gravitationslinsenwirkung berücksichtigt werden.

Wenn das SSL ein Quasar ist kann man aber dessen Akkretionsscheibe vermessen und da man deren Abstand vom Ehz recht gut bestimmen kann, den selbigen und darüber die Masse des SSL.

Sgr A* wäre aus ferneren Galaxien mit dieser Methode nicht beobachtbar, da es aktuell nur ziemlich "schläfrig" akkretiert (allerdings gab's in der Vergangenheit aktivere Phasen).

Bei solchen, inaktiven, entfernten SSL kann man nur über die Rotationskurven des inneren Kerns von Galaxien deren Masse abschätzen, allerdings mit Unsicherheiten von -50 bis +100 % und größer. Die Rotation läßt sich durch die relative Blau- u. Rotverschiebung der Sterne ermitteln.

Stellare SL müssen ziemlich nahe sein, um sie überhaupt detektieren zu können. Zumeist scheinen die sich aber in Mehrfachsternsystemen zu befinden und dann ist wieder die gravitative Wirkung meßbar. Und in den Fällen, da das stellare SL meßbar akkretiert, oder sogar ein Mini-Quasar ist, kann die Masse über die "Lichtkurve" der Akkretion bestimmt werden.

Eine Gravitationslinsenwirkung ist bei SSL nur im Ausnahmefall meßbar. Das liegt nicht am SSL, sondern daran, daß der umgebende Kern eine sehr viel höhere Masse als das SSL hat. Ein intergalaktisches SSL wäre dadurch zwar ziemlich präzise meßbar, aber ich weiß nicht, ob so eines tatsächlich schon beobachtet wurde. Daß es die geben muß weiß man spätestens, seit eines bekannt ist, das aus seiner Galaxie "abhaut" (CID-42).

Schönen Gruß


timelesswhite 
Beitragsersteller
 04.10.2019, 20:11

Vielen Dank für die ausführliche Antwort! Nun bin ich um einiges schlauer ;)

"Gewicht" ist vielleicht nicht ganz korrekt.
Das Gewicht ist der Druck, denn ein Körper auf einer Waage ausübt.
Und dieser Druck ist je nach Schwerkraft-Stärke unterschiedlich.
(Auf dem Mond würde ich bedeutend weniger Kilogramm auf die Waage bringen. Weil der Mond eine geringere Schwerkraft hat als die Erde).   

Aber die MASSE von Weltraumobjekten kann man daran erkennen, indem man misst, wie stark das Licht abgelenkt wird.
Denn Licht wird von der Schwerkraft abgelenkt. 


timelesswhite 
Beitragsersteller
 04.10.2019, 14:57

Ja tut mir leid, von der Masse war die Rede. Mein ehemaliger Physiklehrer würde mich für die Frage schlagen haha. Das mit dem Licht ist irgendwie einleuchtend. Vielen Dank!

An die Masse von stellaren Objekten kommt man üblicherweise durch ihre gravitative Wirkung.

Längen und umlaufzeiten kann man streckenweise Recht gut messen. (Insbesondere in unserem Sonnensystem)

Entsprechend kann man von den Bahnen der dem objekt umgebenden Körper die Masse über die Gravitation errechnen.

Bei Schwarzen Löchern gibt es noch eine besonderheit. Die Masse ist gleich deren Größe. Sprich. Alle SW haben die gleiche "dichte" was bei Planeten und sonnen nicht so unbedingt der Fall ist.

Also kurz: Schlüsselelement ist die gravitative Wirkung der Körper auf andere Körper oder Licht. Ansonsten das noch was Steffie gesagt hat.


timelesswhite 
Beitragsersteller
 04.10.2019, 14:58

Vielen Dank für die Erklärung!