Wie kann man trotz Studium die Freude am Glauben behalten?

5 Antworten

Der eigene Glaube wird plötzlich zum Gegenstand von Prüfungen. Bzw. du musst z.B. in einer Prüfung darlegen, warum es z.B. theologisch nicht sinnvoll ist, bestimmte Kirchenlieder zu singen, während sie einem persönlich aber sehr gut gefallen.

Das Gefühl kenne ich. Es ist aber schon sehr lang her dieses Gefühl gehabt zu haben. Vor 20 Jahren machte ich eine Ausbildung zur Erzieherin. Ich hatte Religionspädagogik als Unterrichtsfach. Und ich habe mich geärgert. Und es brachte mich durch diesen Ärger auch von der Religion weg.

Ich musste mich in meinem Leben bisher 3 mal mit Religion ernsthaft auseinander setzen und bin mitten in meiner vierten Phase.

Die erste Phase war während meiner Kindheit und Jugend. Ich bin evangelisch aufgewachsen. Meine Familie waren sowas wie U-Boot Christen. Weihnachten, Ostern, Hochzeit, Taufe, Beerdigung, da sind wir dabei - so war das Motto - ansonsten waren sie in der Kirche nicht aufgetaucht. Aber bei mir war das anders. Ich durfte schon mit 6 Jahren allein durchs Örtchen tigern, nach den Hausaufgaben, und einmal in der Woche ging ich zum Lutherhaus. Dort gabs einen Nachmittag mit Bibelgeschichten, Spiel, Bastelei und Singen. Hin und wieder gabs mal Filme wie "In der Arche ist der Wurm drin". Ich liebte es. War happy das ich beim Krippenspiel einen Engel spielen durfte. Meinen Eltern war das egal, aber man hatte sich auch an Regeln zu halten. Irgendwann gings um den Konfirmandenunterricht. Ich wollte nicht. Kein Bock, obwohl ich den Reli Unterricht in der Schule mochte. Antwort meiner Eltern: "Du gehst da hin, was sollen die Nachbarn von uns denken?" Sprich, es wurde von mir erwartet mich konfirmieren zu lassen. Ältere Klassenkameraden schwärmten von den vielen Tausend (damals) DM, die man da einsacken konnte. Also gute Mine zum bösen Spiel. Um Ruhe zu haben macht man es mit. Mit Glauben hatte das nicht viel zu tun. Mir wurde Wissen vermittelt, aber Glauben lernte ich dort nie.

Die zweite Phase kam während meiner Ausbildung. Religionspädagogik. Da lernt man das erste mal, das Religion Mittel zum Zweck ist. Es reichte nicht mehr zu wissen was wann im Jahr passiert. Man lernte das alles einen Grund hatte, man lernte wie man das erlernte anwenden konnte und man lernte, das man damit Kinder lenken konnte. Damals lernte ich das erste mal, das eine Lehrmeinung dazu da ist, die Leute zu lenken. Du sollst nicht lügen.... in der Erziehung damals eins der wichtigsten Aussagen. Für ein kleines Kind echt schwer, weil es noch nicht zwischen Wahrheit, Lüge, Phantasie und Wirklichkeit unterscheiden kann. Kinder müssen Lügen, um zu lernen wie die Familie/Gesellschaft darauf Reagiert, um Regeln, Grenzen, Werte und Normen zu erlernen. Und was noch hinzu kommt, kleine Kinder verstehen den Glauben nicht. Ich hab das auch als Kind nicht verstanden. Ob eine Kinderbibelgeschichte oder ein Märchen.... das war für mich als Kind gleich. Der Weihnachtsmann war für mich genau so real wie ein Gott oder ein Engel. Das erste mal hinterfragt man seinen Glauben wenn man realisiert, das der Weihnachtsmann nicht echt ist. Man realisiert, das Figuren aus Märchen/Filmen/Hörspielen nicht existieren. Aber Gott? Es wird erwartet das man daran glaubt. Weils auch ein Teil der Kultur ist. Als Kind nimmt man das so hin weil man es mit der Kultur einfach im Leben aufnimmt. Als Teeny ist einem der Glaube egal. Man hat andere Flausen im Kopf, und die Ausbildung rückt immer näher. Der Glaube ist da fast das letzte was man im Blick hat.

Die dritte Phase und fast meine letzte Phase begann dann nach meiner Ausbildung direkt im Anschluss. Ich lernte Zeugen Jehovas kennen, habe vom Heimbibelstudium bis Taufe und Türklinken putzen alles mitgemacht. Das war nochmal ein ganz anderes Kaliber als die Ausbildung in Religionspädagogik. Man geht durch die theokratische Predigtdienstschule. Einerseits wird man im Umgang mit der Bibel geschult. Frage mich was, oder nenne mir ein Problem, ich sage dir wo du in der Bibel eine Antwort finden kannst. Ich schlage die Bibel auf und in 5-10 Sekunden lege ich dir mindestens 3 Bibelverse hin, die entweder hilfreich sind oder dir aufzeigen, wo der Denkfehler liegt. Um das zu können wird man gedrillt. Natürlich ist das nicht auf normalen Glauben anwendbar, weil es ist auf die Lehrmeinung der Zeugen gemünzt und auf dessen Bedürfnis, zu missionieren und zu manipulieren. Man denkt, man tut es für den Glauben, aber schon bei den Tauffragen sollte ersichtlich sein, das man es für eine Organisation macht anstelle für Gott. Aber den Bibelinhalt, den lernt man dennoch. Ich habe in den 4 Jahren die Bibel 3 mal durchgeackert. Habe in Rollenspielen gelernt wie ich Bibelverse so anwenden kann das die Leute zu grübeln beginnen, sofern es denn Menschen sind, welche zugänglich für diese Art von Lehren sind. Sprich, bei den Zeugen habe ich das extrem durchgemacht, was du jetzt durch machst. Nur mit dem Unterschied, das du benotet wirst und bei mir beim kleinsten Fehler eine Korrektur im Denken stattgefunden hat. Den Druck den du spürst, den habe ich doppelt gespürt. Du hast am Ende vielleicht eine schlechtere Note wenns nicht gut läuft. Bei mir hätte das schnell den sozialen Tod bedeuten können, wenn meine Meinung nur einen Zentimeter von der Lehrmeinung abweicht, oder ich kritisch hinterfragt hätte. Da hätte ich vor einem Ältesten Tribunal gestanden und die hätten mich dann wieder auf Spur gebracht.

Letztendlich bin ich jetzt in meiner vierten Phase. Zwischen meinen Austritt bei den Zeugen und heute liegen fast 15 Jahre. 14 Jahre habe ich nichts gemacht mit dem Glauben. Habe nicht geglaubt, nicht gebetet. Allerdings war ich immer religionsinteressiert. Ich habe mich nicht mehr mit dem christlichen Glauben auseinander gesetzt, sondern mit anderen Richtungen. Nicht weil ich was neues suchte, sondern weil ich zB. politische Dinge beleuchten wollte, historische Dinge oder aus diversen anderen Gründen. Nach dem Motto, wo sind die Wurzeln der Menschheit auch im kulturellen und religiösen Bereich. Im letzten Jahr habe ich dann tatsächlich den Glauben gefunden. Oder er mich. Ohne Kirche, ohne Sekte, ohne Glaubensgemeinschaft. Ein freier Glaube der ohne die Lehrmeinung dritter auskommen muss. Will ich etwas lernen, oder wissen, dann muss ich selber aktiv werden. Lesen, hinterfragen, diskutieren ist da das Motto.

Ich weiß, für einen Theologen muss das ein worst case scenario sein. Aber das liegt daran, weil man in seiner eigenen Kirche einen gewissen Weg gehen muss. Sprich der Lehrmeinung folgen muss. Aber ich nehme mal an, das das für dich auch der Grund ist dass du die schönen Dinge am Glauben, also die Musik diverse Andachten und Co mit einem roten Tuch verbindest. Bei den Zeugen damals war für mich auch vieles ein rotes Tuch. Musik, Märchen, andere Kirchen, Filme.... die Liste war sehr lang. Hinzu kam eine lange Liste von Dingen die sogar verboten waren. Man ist verkopft, muss ständig die Erkenntnis mit dem Glauben überein bringen. Wenn man erstmal die Erkenntnis hat, das zB das Osterfeuer heidnischen Ursprungs ist, dann ist klar das man als Theologe eigentlich immer gute Mine zum bösen Spiel machen muss. Und ich kann mir vorstellen das es mit vielen Dingen so ist, was die Kirchen betrifft.

Aber der freudige Glauben von früher ist weg.

Früher.... früher war auch bei mir alles anders. Wie sagte Jesus einst.... Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht! Denn solchen gehört das Reich Gottes.
Kinder sind sorglos und frei im Glauben. Der Glaube ist da noch unschuldig. Voller Vertrauen und Hoffnung für die Zukunft. Als Erwachsener ist die Sorglosigkeit weg, die Leichtigkeit und Freiheit im Glauben. Und jemand wie wir, die gewisse Schulungen durchlaufen haben, denen wurde die Sorglosigkeit fast ausgetrieben und durch andere Dinge ersetzt.

Es gibt ein Lied von Reinhard Mey das heißt "Viertel vor sieben" und da wird eine wichtige Frage aufgeworfen:

Das Fell wird dünner und leerer der Becher
Der Zaubertrank wirkt nur noch schwer
Der Kummer ist tiefer der Trost scheint schwächer
Und es heilt nicht alles mehr
Wo ist meine Sorglosigkeit geblieben
Was machte Erkenntnis daraus
Manchmal wünscht ich es wär nochmal viertel vor sieben
Und ich wünschte ich käme nach Haus
Nur einen Augenblick noch mal das Bündel ablegen
Und mit arglosem Übermut
Durch dunkle Wege der Zuflucht entgegen
Und glauben können, alles wird gut
Manchmal wünscht ich die Dinge wär'n so einfach geblieben
Und die Wege gingen nur gradeaus
Manchmal wünscht ich es wär nochmal viertel vor sieben
Und ich wünschte ich käme nach Haus

Manchmal denke ich, dass Erkenntnis in Dingen des Glaubens nicht immer so gut für den Glauben sind. Denn viele Menschen können Kenntnis und Erkenntnis bekommen. Aber ob die das Wiederspiegeln was Gott meint, wage ich, bei der Anzahl von kirchlichen Richtungen und Lehrmeinungen, zu bezweifeln. Selbst bei meinem eigenen Glauben bin ich mir da manchmal nicht sicher. Aber ich habe mir eine gewisse Art der Sorglosigkeit wieder angeeignet. Wenns nicht gut war, und ich es nicht wissen oder ändern kann wird es Gott schon richten. Ich vertraue da ganz auf Gott.

https://www.youtube.com/watch?v=yQSzUnej4Ao

Gut... ich bin zwar Atheist und finde Glauben (egal welchen) prinzipiell kindisch, unsinnig, negativ und unreif, aber ich versuche trotzdem deine Frage sinngemäß zu beantworten, da ich da ein grundsätzliches Problem sehe und nicht zwingend eines das nur Glauben betreffen würde.

Es ist eine Sache der inneren, der mentalen Einstellung ob du dir durch Wissen, bzw. wissenschaftliche oder, wie du es nennst, "kopflastige" Beschäftigung den Spaß oder die Faszination an einer Sache nehmen lässt.

Wenn du es zulässt, dass dein Wissen deine Emotionen zu einer Sache beeinflussen und du dem nicht entgegen wirken kannst, solltest du entweder das Lernen neuen Wissens zu der Sache oder die Emotionen zu der Sache wegfallen lassen. In deinem Fall also entweder das Studium beenden oder religiöse Betätigungen. Wie gesagt: Wenn du nicht verhindern kannst, dass deine Emotionen dazu beeinflusst werden.

Ich habe Biologie studiert und da habe ich viel über den Menschen, den Körper und die Details der Körperfunktionen gelernt. Zum Beispiel, dass Liebe nur eine biochemische Reaktion des Körpers ist. Ist so. Nichts weiter als Chemikalien und elektrische Signale.

Das hat jedoch nicht dazu geführt, dass ich Liebe weniger genießen konnte. Mein Gedankengang war nicht "Bah, was soll das? Ist ja nur Chemie und Strom." sondern viel eher "Wahnsinn, dass sich Chemie und Strom so toll anfühlen können..."

Dir könnten solche Gedanken auch helfen. Du weißt, dass ein Haus nur zusammen gefügte Baumaterialien ist. Nur totes Material, dass verbunden worden ist. Trotzdem fühlst du, dass es ein Heim für dich ist. Dieses Gefühl geht durch das Wissen nicht weg.

Dies wäre der Gedankengang den du auch bei deinem Studium bräuchtest und generell bei allen Themen bei denen du das Gefühl hast, dass Wissen deine Emotionen auf diese und/oder ähnliche Arten beeinflussen würde.

p.S.: Es ist schon spät, du solltest die Frage morgen Nachmittag oder so noch einmal stellen. Am Nachmittag ist hier am meisten los.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Recherchen und Forschungen
Wie seht ihr das? Wie denkt ihr darüber?

Es ist ein alter Hut, dass die Theologie der Theologen und die Theologie, die von den Kanzeln verkündet wird bzw. den Volksglauben ausmacht, zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind, die oft genug überhaupt nicht zueinander passen.

Richte dein Blick immer wieder auf Jesus.

Wenn Du ihm nachfolgen willst, so wirst Du nach deinem Studium, genug Möglichkeiten haben, die Freude am Glauben zurück zu gewinnen.

Dann wirst Du gute Saat legen können und zu einem wichtigen Arbeiter im Weinberg Gottes werden.

Die Theologie war einmal das Instrument, um den Glauben zu begründen, zu verteidigen. Heute dient sie dazu, Gründe zu finden, den Glauben in Zweifel zu ziehen. Darin ist die deutsche Universitätstheologie viel besser als jedes atheistische Manifest.

Ich würde jeden Tag den Rosenkranz beten. Jeden Tag die Bibellesungen und im Katechismus schauen, was die Kirche dazu sagt (beinahe jeder Vers aus dem NT ist im Katechismus zitiert). Überhaupt würde ich empfehlen, den Katechismus ernster zu nehmen. Dazu gute Theologen lesen oder hören oder sehen: Scott Hahn, Brant Pitre, John Bergsma, Magarete Strauss z.B.

Gottes reichen Segen!