Wie ist das möglich? Und wie kann das erklärt werden?

3 Antworten

Nur um mal einen Geschmack zu geben: Unter einem Spielverlauf wird sicherlich eine endliche Abfolge regulärer abwechselnder Züge von Weiss und Schwarz verstanden, ohne abkürzende Gewaltregeln wie die 50-Züge-Regel oder die Regel von der theoretischen Remisstellung. Es geht natürlich auch nicht um "sinnvolle Züge" oder irgendeine sonstige Einschränkung.

Nun stell dir mal die Menge aller dieser Spielverläufe vor und ihre Mächtigkeit. Was ist das für eine Kardinalzahl? Z.B. nach 1.Sf3 Sc6 2.Sg1 Sb8 hat ein Spielverlauf begonnen, nach dem erneut sämtliche von Anfang an mögliche Spielverläufe erneut angehängt werden können! Die Mächtigkeit muss also eine Kardinalzahl sein, die ein klitzekleiner Teil von sich selbst ist... Und allein dieses Minimalbeispiel gibt schon eine Ahnung davon, wie irrsinnig groß die sein muss.

Man sagt auch, dass es beim Schach unendlich viele Zugmöglichkeiten gibt. Am Anfang noch recht überschaubar, aber schnell abhängig von den jeweiligen Zügen immer neue Varianten!

Muss man sich wie ein unendliches Baumdiagramm vorstellen...

Die Geschichte mit den Reiskörnern diesbezüglich ist auch sehr interessant! :-)

http://www-hm.ma.tum.de/ws1213/lba1/erg/erg07.pdf

Woher ich das weiß:Hobby – Schiedsrichterpatent und seit über 20 Jahren Vereinsspieler

Hallo Coronakiller,

erst einmal muss eine saubere Definition her.

Gemeint ist hier nämlich "nur" das beobachtbare Uniersum... also der Teil des UNiversums, den wir beobachten können. Es hat einen Durchmesser von etwa mehr als 90 Milliarden Lichtjahren ... und ist halt fast überall erschreckend leer.

Schätzungen für die Zahl der Teilchen im beobachtbaren Universum schwanken ziemlich stark und liegen zwischen 10^60 (also eine 1 mit 60 Nullen) und 10^100 (also einer 1 mit 100 Nullen, immerhin 10^40 mal so viel).

Nehmen wir hier also zur Sicherheit die größten Schätzungen mit 10^100.

Gibt es mehr mögliche Zugfolgen beim Schach als das?

Die englische Wikipedia liefert die Antwort: Ja - und diese Zahl wird durch die Shannon-Zahl beschrieben:

https://en.wikipedia.org/wiki/Shannon_number

Ich zitiere:

The Shannon number, named after Claude Shannon, is a conservative lower bound (not an estimate) of the game-tree complexity of chess of 10^120, based on an average of about 10^3 possibilities for a pair of moves consisting of a move for White followed by one for Black, and a typical game lasting about 40 such pairs of moves.

(Übersetzt: Die Shannon-Zahl, benannt nach Claude Shannon, ist eine konservative Untergrenze (keine Schätzung) der Spiel-Komplexität des Schachspiels von 10^120, basierend auf einem Durchschnitt von etwa 10^3 Möglichkeiten für ein Zugpaar, bestehend aus einem Zug für Weiß, gefolgt von einem für Schwarz, und einer typischen Partie, die etwa 40 solcher Zugpaare dauert.)

Auch beim Schach kommt es also auf die genaue Definition an, was man eigentlich meint. Wie der User Piddle hier also in seiner Antwort schon ganz richtig gesagt hat: In dieser Zählung sind auch sinnlose Zugkombinationen (Selbstmordzüge oder Nichtwahrnehmen einfachst zu sehender Mattsituationen oder...) drin. "Sinnvolle" Schachpartien (und hiermit ist nicht gemeint "optimal gespielte Partien") gibt es seeeeehr viel weniger. Für die Shannon-Zahl wird gezählt, was nach den Regeln des Schach erlaubt ist. (Im Wiki-Artikel ist genau erklärt, wie die Zahl zustande kommt.)

Das und nichts anderes ist mit der Aussage gemeint: Die Spielkomplexität des Schachspiels wird repräsentiert durch die Shannon-Zahl - und die ist höher als die Schätzungen, die wir für die Teilchenzahl im beobachtbaren Universum haben. Und das liegt daran, dass das Universum so unglaublich leer ist. Fast überall.

Übrigens: Die Shannon-Zahl ist eine konservative Untergrenze - also eine extrem vorsichtige Schätzung. Tatsächlich gibt es seeeeeehr viel mehr Zugfolgen. Hier ist das erklärt:

https://www.youtube.com/watch?v=Km024eldY1A

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU