Wie groß war eine durchschnittliche Römische Familie?

3 Antworten

Die römische familia ist ein anderer Begriff als »Familie« heute bei uns. Zur familia gehörten alle, die der väterlichen Verfügungsgewalt (patria potestas) des pater familias (Vater der Familie, Familienvater, Hausvater) unterstanden, sie entspricht eher einem »Haushalt« in weiter Bedeutung. Zur familia konnten Eltern, (unverheiratete) Töchter, Söhne mit ihren Familien, nahe Verwandte, die in die Hausgemeinschaft aufgenommen waren, Sklaven/Dienstboten und eventuell auch Freigelassene gehören (vgl. Marie-Luise Deißmann-Merten, Familie IV. Griechenland und Rom B. Rom. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 4: Epo – Gro. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998, Spalte 412 – 417).

Es fehlen statistische Daten, um tatsächlich mit ausreichender Genauigkeit Durchschnittszahlen zur Familiengröße bei den antiken Römern angeben zu können. Wenn der heutige Familienbegriff verwendet wird, war die durchschnittliche Anzahl nicht sehr hoch.

Es gab in antiken Gesellschaften gewöhnlich eine hohe Fruchtbarkeit (Fertilitätsrate) und eine hohe Sterblichkeit (vor allem eine hohe Kindersterblichkeit). Aus allgemeinen demographischen Schätzungen kann errechnet werden, daß im Durchschnitt jede Frau 5 – 6 Kinder gebären mußte, um eine stabile oder leicht ansteigende Bevölkerungszahl zu reichen. Die Familien haben wohl durchschnittlich 2 – 3 Kinder gehabt, die das Säuglings- und Kleinkinderalter überlebt hatten (Winfried Schmitz, Haus und Familie im antiken Griechenland. München : Oldenbourg, 2007 (Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike ; Band 1), S. 7 – 8 mit allgemeine Darlegungen zu demographischen Grundlagen bei antiken Gesellschaften).

Empfängnisverhütung (Kontrazeption) und Abtreibung, zu deren Verbreitung in der Antike den antiken Belegen nichts entnommen werden kann, scheinen demographisch nichts ins Gewicht gefallen zu sein. Die Zahl ausgesetzter Kinder kann ebenfalls nicht eingeschätzt werden. Die demographische Forschung geht davon aus, daß Kindesaussetzung auf die langfristig berechneten Fertilitätsraten kaum einen Einfluß ausgeübt habe. Dies gilt auch für Kriegseinwirkungen, nur bei tiefgreifenden und längerdauernden Kriegen sind markantere demographische Schwankungen anzunehmen.

Da antike Gesellschaften vorwiegend bäuerliche Gesellschaften waren, bei denen der Hof unter den Söhnen aufgeteilt wurde, wurde in der Regel eine geringe Kinderzahl angestrebt, wobei allerdings vorzeitiges Streben von Kinder zu berücksichtigen war. Bei einem erheblichen Teil der Bevölkerung gab es so eine Tendenz zu einer geringen Zahl männlicher Erben, zumindest wenn es nicht wirtschaftlich und gesellschaftlich gute weitere Möglichkeiten der Versorgung und des Existenzaufbaus gab.

Von einzelnen Frauen sind hohe Kinderzahlen bekannt (Cornelia, Mutter der Gracchen hatte 12 Kinder, von denen 3 erwachsen wurden; Vipsania Agrippina, Ehefrau des Germancus, hatte 9 Kinder, von denen 6 das Kleinkinderalter überlebten; Faustina, die Ehefrau des Marc Aurel, hatte mindestens 14 Kinder, von denen 6 erwachsen wurden), dies scheint aber nicht das durchgehend Übliche gewesen zu sein.

Der Anteil der Menschen über 60 Jahren an der Gesamtbevölkerung wird auf 5 – 10 Prozent geschätzt.

In den Ehe- und Familiengesetzen des Augustus gab es schon bei 3 Kindern Auszeichnungen.

Plinius, Naturalis historia 7, 60 teilt mit, in den Akten aus der Zeit des Augustus finde sich die Angabe, Gaius Crispinius Hilarus aus einer freigeborenen Plebejerfamilie zu Faesula habe in Begleitung von 8 Kindern, darunter 2 Töchtern, 27 Enkeln, 18 Urenkeln und 8 Enkelinnen im Kapitol ein Opfer dargebracht. Diese große Zahl ist offenbar als bemerkenswert und erstaunlich festgehalten worden.


Albrecht  28.10.2013, 06:08

Hans-Joachim Drexhage/Heinrich Konen/Kai Ruffing, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1. - 3. Jahrhundert) : eine Einführung. Berlin : Akademieverlag, 2002 (Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt), S. 185 - 186:
„Über die Größe der einzelnen Familien sind wir ebenfalls nur unzulänglich unterrichtet. Zumindest können wird von festen Beziehungen der meisten Menschen in recht jungen Jahren ausgehen, die wir der Einfachheit halber als ‚Ehen‘ bezeichnen wollen. Selbstverständlich gab es für die römischen Bürger ganz eindeutige gesetzliche Regelungen für ein iustum matrimonium (etwa Altersregelungen für Jungen und Mädchen, oder die durch die Ehegesetze des Augustus definierten Vorgaben bezügl. des Vormundschafts-, Erb- und Vermögensrechtes; […]). Das Gros der Bevölkerung hat aber in Ehegemeinschaften gelebt, die auf mündlichen Vereinbarungen fußten und nicht von ‚staatlicher Sanktionierung‘ abhängig waren. Man wird dabei unterstellen können, daß ein Paar oft so viele Kinder zeugte, wie die weibliche Fruchtbarkeit zuließ, z. T. aber auch danach trachtete, mit den allgemein bekannten Methoden der Empfängnisverhütung, mit Schwangerschaftsabbruch und Kindesaussetzung […] eine ‚Familienplanung‘ zu betrieben. Im Verbunde mit der hohen Kindersterblichkeit, die selbst die kaiserliche Familie treffen konnte […], sollten wird deshalb eher von kleinen Haushalten ausgehen […].

Inwieweit Kindesaussetzung - besonders von Mädchen – die Größe der Haushalte mitbestimmt hat, ist übrigens völlig unklar. Es wird in der jüngeren Forschung davor gewarnt, der expositio von Kindern einen zu großen Stellenwert einzuräumen […].

Zudem ließ die niedrige Lebenserwartung wahrscheinlich nur recht selten einen ‚Drei-Generationen-Haushalt‘ zu. Eine große Familie - im Sinne der römischen familia: einschließlich nahe Verwandte, Sklaven und Freigelassene – ist eher ein von den Oberschichten glorifiziertes, aber nur teilweise gelebtes Ideal gewesen.“

1

"Familie" in unserem Sinne gab es bei den Römern gar nicht. Zur römischen "familia" gehörten neben dem Mann, seiner Frau und seinen Kindern (und unter Umständen noch Großvater und Großmutter) auch sämtliche Sklaven (und deren Kinder), die im Haus lebten. Damit schwankt die Familiengröße und kann bei reichen Leuten auch sehr groß sein.

Die Kinderanzahl ist ebenfalls schwierig festzulegen, da die Kindersterblichkeit natürlich deutlich höher war als heute. Mir ist über die Kinderzahl der Mittel- und Unterschicht leider nichts bekannt, die berühmten Männer aus der Führungsschicht (z.B: Cicero, Cäsar, Pompeius Augustus) hatten sehr wenig eheliche (!) Kinder (1-3) und über die unehelichen ist selten etwas überliefert, da man die Vaterschaft ja auch nicht so einfach nachweisen konnte.

Kleiner als angenommen, weil bei den Römern (genauso übrigens wie bei Griechen) Kindstötung ein legales Recht war (bei der Frau, glaub ich, solange das Kind noch nicht zum ersten Mal gestillt worden war, beim Mann sogar bis zum 5. Lebensjahr), häufig wurden unerwünschte Kinder auch als Sklaven verkauft. Söhne wurden "natürlich" behalten (außer sie waren behindert oder potentielle "Kuckuckskinder"), Töchter häufiger als unerwünscht beseitigt. Wie die Zahlen bei den Römern konkret aussahen, weiß ich nicht, aber bei den alten Griechen gab es mal einen "Familienforscher", der die Familien im damaligen Athen erforschte und sich wunderte, daß viele Familien zwar viele Söhne hatten, aber äußerst selten mehr als eine bis zwei Töchter ... (frag mich schlagmichtot nach dem Namen des Mannes...) Die Frage ist allerdings, inwieweit man auch die Sklaven zu einer Familie dazurechnet, Sklaven machten bei den wohlhabenderen Römern oft einen ziemlich großen Anteil der Hausbelegschaft aus, mehr als die Anzahl der eigenlichen "Herren".