Welchen Einfluss hatten die Freimauer auf die franz. Revolution?

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Es hat keine gemeinsame Einwirkung »der Freimaurer« auf die Französische Revolution (1789 – 1799) geben.

Die Freimaurer waren keine in der Weltanschauung oder politischen Auffassung geschlossene Gruppe.

Es haben keine Freimaurerlogen die Französische Revolution »gemacht« (geplant und herbeigeführt) bzw. gesteuert/gelenkt.

In Frankreich gab es damals Freimaurer in einer Größenordnung von wenigen Zehntausenden. Der Ausbruch der Französischen Revolution und wichtige Ereignisse geschahen oft stark aus der Situation heraus, manchmal ziemlich plötzlich und spontan, auch unter Beteiligung einer großen Anzahl an Abgeordneten oder Volksmassen.

Eine nicht durch nachgewiesene Tatsachen belegte Darstellung der Französischen Revolution als Verschwörung der Freimaurer stammt von Feinden der Freimaurer schon aus der vorangehenden dem Zeit, die scharfe Gegner der Revolution waren und die Freimaurer als Urheber und Drahtzieher schlimmer Übel angriffen.

Vgl. eine Untersuchung in einem größeren Rahmen:

Johannes Rogalla von Bieberstein, Die These von der Verschwörung 1776 - 1945 : Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung. 2., verbesserte und vermehrte Auflage. Frankfurt am Main ; Bern : Las Vegas : Lang, 1978 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften ; Band 63). ISBN 3-261-01906-9

Freimaurerei konnte philanthropisch motiviert sein, von einem Wunsch nach Mitmenschlichkeit und Kameradschaft, Verbesserung der persönlichen Verhaltens, Einweihung in Geheimnisse und eine höhere Sichtweise. Sie konnte auch unter Umständen durch persönliche Beziehungen in einem Netzwerk Chancen zu höheren Posten bieten.

Freimaurer waren teils stark mystisch ausgerichtet, teils mehr rational. Freimaurerlogen, die mehr rational ausgerichtet waren, haben zur Diskussion und Verbreitung von Gedanken der Aufklärung beigetragen wie auch Salons, Cafés, Lesekabinette und Lesegesellschaften, literarische und wissenschaftliche Akademien, Diskussionsklubs, Musenzirkel, gemeinnützige Gesellschaften/Vereine. Das politische Denken der Aufklärung trat für Leitung der Vernunft und Allgemeinwohl/Wohlergehen des Volkes ein, war aber ansonsten nicht einheitlich.

Demokratische Republikaner waren damals unter den Aufklärern deutlich in der Minderheit.

Weder waren alle Revolutionäre Freimaurer noch wurden alle Freimaurer Revolutionäre.

Gedanken der Aufklärung haben zu einer eine öffentliche Meinung beigetragen, die eine Verbesserung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse wünschte und in ihrer Ausrichtung 1789 grob umrissen als »patriotische Partei« oder »nationale Partei« bezeichnet wird.

Als der König 1788 die Wahl von Generalständen beschlossen hatte, haben Menschen darüber gesprochen. Es gab Gruppierungen, die über Präsentation (Volksvertretung) diskutiert und beraten haben, Gedanken zu Vorschlägen und Forderungen entwickelten (nach altem Brauch war die Wahl zu Generalständen mit dem Vorlegen von »Beschwerdeheften« [cahiers de doléances] verbunden) und Kandidaturen überlegten und unterstützten.

Eine Organisation durch Freimaurerlogen ist nicht nachgewiesen.

Es gab allerdings Gruppierungen, an denen Freimaurer mitwirkten. Eine Gruppierung wird „Gesellschaft der Dreißig“ (Société des Trente), „Auschuß der Dreißig“ (Comité des Trente) oder „Verfassungsklub“ (Club constitutionnel) genannt. Er gab Anregungen für Schriften, verbreitete Musteretxte, schickte Beauftragte umher. Es gab innerhalb der Gruppierung Meinungsvielfalt. Die meisten traten für das Schaffen einer Verfassung ein, da es nach ihrer Auffassung keine passende grundlegende Ordnung im gegenwärtigen Frankreich gab. In der Frage der einzelnen Stände befürworteten einige wenige die Beibehaltung einer gesonderten Ständevertretung.

In den Generalständen gab es viele Abgeordnete, die Freimaurer waren. Dies ist nicht erstaunlich, da hauptsächlich gebildete und politisch interessierte Männer den Freimaurerlogen beitraten.

Wenn Revolutionäre Freimaurer waren, bedeutet dies nicht einfach, ihr politisches Handeln sei davon bestimmt gewesen und sie seien dabei Anweisungen von Freimaurerlogen gefolgt.

In der Anfangszeit der Revolution gab es von Freimaurern verhältnismäßig viel Zustimmung, was später nachließ. 1793 – 1794 gab es nur wenig Tätigkeit der Freimaurerlogen. Freimaurer befürchteten, als Revolutionsfeinde und »Agenten des Auslandes« verdächtigt zu werden. Erst in der Direktoriumszeit nahm die Tätigkeit wieder etwas zu.

Die Freimaurerlogen boten eine gewisse vorprägende Erfahrung für Organisationsstruktur und orientierende Weltanschauung politischer Klubs, die in der Französischen Revolution entstanden, vor allem der Jakobiner.

In der Französischen Revolution verwendete Symbole hatten verschiedene Ursprünge, z. B. antike, biblisch-christliche, aufklärerische oder freimaurerische.

Das Richtscheit konnte für Gleichheit stehen, die Waage für Gerechtigkeit und maßvolles Gleichgewicht (in der christlicher Kunst Sinnbild für die göttliche Gerechtigkeit, auch speziell bei Darstellungen des Weltgerichts). Das Auge war schon in der altägyptischen Kunst auf dem Zepter des Osiris als Sinnbild der Wachsamkeit des gerechten Herrschers zu finden, wurde so auch dem frühneuzeitlichen Herrscher zugeordnet, in christlichen Allegorie steht das „Auge Gottes" (häufig in einem Dreieck) für die Allwissenheit Gottes, in der Aufklärung ist das von Licht umkränzte Auge Symbol der Erkenntnis und der Wahrheit. In der Zeit der Französischen Revolution konnte es für die Vorsehung und die Vernunft stehen auch Zeichen der Wachsamkeit sein.

einige Aussagen in Büchern:

Georges Lefèbvre, 1789 : das Jahr der Revolution. Mit einem Vorwort von Claude Mazauric. Aus dem Französischen von Ulrich Friedrich Müller. Deutsche Erstausgabe. 1. Auflage. München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1989 (dtv ; 4491), S. 57:

„Man muß sich fragen, ob ein zentrales Organ die Agitation gelenkt hat. Schon früh hat man diese Rolle der Freimaurerei zugeschrieben; die Revolution wäre demnach das Ergebnis einer freimaurerischen »Verschwörung«. Bewiesen worden ist es niemals. Viele Revolutionäre, aber durchaus nicht alle, waren »Brüder«, und es kann kein Zweifel bestehen, daß sie auf diese Weise leichter zusammenfanden. Doch in den Logen gab es auch Aristokraten, und die Leitungsgremien der verschiedenen Obödienzen der Freimaurerei, vor allem des »Grand Orient«, hätten sie nicht anweisen können, sich in den Dienst des Dritten Standes zu stellen, ohne daß es zu Protesten und Spaltungen gekommen wäre, doch davon war keine Spur. Eine Lenkungsfunktion scheint nur der »Dreißiger-Ausschuß« gehabt zu haben, von dem leider viel zu wenig bekannt ist. Er traf sich bei du Port und zu seinen Mitgliedern haben offenbar der Herzog von Rochefocauld-Liancourt, La Fayette, Condorcet und der Graf von Aiguillon gehört, ferner Kirchenmänner wie Talleyrand, Bischof von Autun, Sieyès, Kanonikus aus Chartres, oder der Abbé Louis. Auch Mirabeau verkehrte dort. Dieser Ausschuß gab Anregungen für Broschüren, verbreitete Mustertexte für die Abfassung der Beschwerdehefte, unterstützte Kandidaturen und schickte Beauftragte in die Provinz, zum Beispiel Volney nach Rennes. Einige Mitglieder waren reich und konnten die Tätigkeit des Ausschusses finanziere. Nichts deutet darauf hin, daß er im Dienst von Philippe d'Orléans stand, auch wenn Sieyés und Mirabeau mit dem Herzog Verbindung hielten, der über erhebliche Aktionsmittel verfügte: Geld, eine Art Regierung, die sein unermeßliches Vermögen verwaltete, und in dem viele Männer von ihm abhängig waren. Auch er, ein entfernter Verwandter des Königs, hat Instruktionen und Musterbeschwerdehefte herstellen lassen, welche die Handschrift von Sieyès verraten. Seine Wahlkampagne verstärkte die des Bürgertums. Aber es hieße den Beitrag des Dreißiger-Ausschusses und des Herzogs stark übertreiben, wollte man sich vorstellen, daß in jeder Stadt nach ihren Anweisungen gehandelt worden wäre. Der Zustand der Verkehrsverbindungen erlaubte keine straffe Zentralisierung. Wenn die Bewegung sich so erstaunlich entwickelt hat, so ist das der Entschlossenheit des jeweiligen örtlichen Bürgertums zuzuschreiben, und es hat sich im Verlauf der ersten Revolutionsjahre gezeigt, wie sehr es auf seine Selbständigkeit bedacht war.“

François Furet/Denis Richet, Die Französische Revolution. Aus dem Französischen übersetzt von Ulrich Friedrich Müller. Frankfurt am Main : Fischer, 1968, S. 82:

„Welche Bedeutung, welchen Einfluß hatte die »Verschwörung« des Herzogs von Orléans, des entfernten Vetters Ludwigs XVI.? Das läßt sich ebenso schwierig beantworten wie die tatsächliche Rolle der Freimaurer. Beide Fragen gehören zusammen; denn der Herzogs von Orléans ist seit 1773 Großmeister des »Großorient von Frankreich«. Eine ganze Schule der Geschichtswissenschaft hat in der Freimaurerei die eigentliche, wenn auch geheime Anstifterin der Revolution erblicken wollen. Auf der Ebene der großen politischen Ereignisse läßt sich das nicht beweisen, und es gibt viele Annahmen, die dagegen sprechen. Aber ganz sicher haben die Freimaurerlogen, die sich gegen Ende des Jahrhunderts rasch entwickeln, bedeutenden Anteil an dem Zustandekommen der einhelligen öffentlichen Meinung und der nationalen Partei gehabt. Dabei hatte das Freimaurertum keine einheitliche Ideologie, geschweige denn eine revolutionäre Gesinnung. Bald ist es rationalistisch und verschwommen gottgläubig, aber nicht antiklerikal (so präsentiert es sich vorwiegend in Paris), bald hängt es wie in Lyon oder Straßburg in einer mystischen Vertiefung dem alten Traum vom Tausendjährigen Reich nach. Durch sein religiöses Ritual, das die umgebende christliche Zivilisation außerordentlich beeindruckt, verleiht es überall den Moralwerten der Aufklärungsphilosophie – Toleranz, Nächstenliebe und Brüderlichkeit unter den Menschen – einen verklärenden, heiligen Glanz. Es öffnet weit mehr einem Reformwillen der Eliten den Weg als einer Revolution der Masse. Es ist eines der Bande, die der nationalen Partei Zusammenhalt geben.“

Eberhard Schmitt, Einführung in die Geschichte der Französischen Revolution. 2., durchgesehene Auflage. München : Beck,1980 (Beck'sche Elementarbücher), S. 17:

„Schon 1789 wurde die inzwischen vielfach wiederholte,bis heute nicht aus Quellen belegte Konspirations- oder Komplottthese geboren, nach der eine Reihe geheimer Zirkel der Illuminaten, Freimaurer und Jakobiner die Französische Revolution schon Jahre im voraus minutiös geplant und dann 1789 verabredungsgemäß herbeigeführt habe (Comte de Ferrand, Abbé Barruel, Abbé Duvoisin). Über die Vordergründigkeit dieser These ging dann allerdings die legitimistische Staatstheorie der Bourbonenrestauration rasch hinaus, die durch Namen wie de Maistre, de Lamartine und de Bonald charakterisiert ist un die bis zum Ersten Weltkrieg weitgehend die Revolutionsinterpretation des katholischen Frankreichs darstellte. Diese Auflassung deutete die ganze revolutionäre Epoche als unmittelbar von Gott herbeigeführtes Strafgericht über das sittenlose, vom Glauben verlassene Ancien régime, sie sah mit de Maistre „un caractère satanique dans la Révolution“. Diese Ablehnung der Revolution als Inbegriff der Anarchie und Zerstörung ging zweifellos auf existentielle Erschütterungen zurück, in denen sich das Erlebnis des Bruchs der Revolution mit der katholischen Kirche und besonders die harten Priesterverfolgungen und die Proklamierung eines nichtchristlichen „Kult des höchsten Wesens“ zur Staatsreligion auswirkten.“

S. 18: „Cochin machte politischen Clubs, Freimaurerlogen, Lese- und Korrespondenzzirkel, die sog. Socetes de Pensée, für den Ausbruch der Revolution verantwortlich. Er hat zwar diese These niemals restlos aus Quellen belegen können, jedoch den Blick der Revolutionshistorie nachdrücklich auf das Phänomen aktivistischer politischer Plattformgruppierungen gelenkt, die im Stil der englischen und amerikanischen Caucuses als Wahlvorbereitungskomitees allgemeine taktische Schachzüge hinter verschlossenen Türen verabredeten. Konservative Historiker haben an der Tätigkeit dieser Komitees stets nur den konspirativen Charakter hervorgehoben. Eine solch einseitige Auffassung übersieht jedoch, daß sich die moderne konstitutionelle Bewegung durchweg in Organisationsformen dieser Art und mit Hilfe entsprechender Techniken entwickelt hat. In Frankreich entstand diese Bewegung in aller Breite im Verlauf der Wahlvorbereitungen für die Generalstände des Jahres 1789. In ihr nur eine Verschwörung gegen das Ancien régime zu sehen, ist ein Mißverständnis.“


Albrecht  29.07.2021, 15:26

Lynn Hunt, Symbole der Macht, Macht der Symbole : die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur. Aus dem Amerikanischen von Michael Bischoff. Frankfurt am Main : Fischer, 1989, S. 80:

„In dem Moment, in dem die Feste einen differenzierten Charakter annehmen, brachte man eine Fülle zunehmend unverständlicher Symbole in sie ein - manche aus der Bibel oder der katholischen Tradition, häufiger jedoch aus der Antike oder der Freimaurerei und daher weniger »populär« in ihrer Resonanz. Das Richtscheit der Freimaurer wurde zum Symbol für Gleichheit, das römische Rutenbündel zum Symbol der Einheit, der römische und gallische Lorbeerkranz zum Zeichen bürgerlicher Tugend, das ägyptische Auge zum Emblem der Wachsamkeit, und eine Fülle weiblicher Göttinnen stand nicht nur für Freiheit, sondern auch für Vernunft, Natur, Sieg. Empfindsamkeit, Barmherzigkeit, Mildtätigkeit und ähnliches.“

S. 237: „Nicht alle Freimaurer wurden Revolutionäre, und es gibt keinen Beweis dafür, daß die Logen den Verlauf der Revolution hinter verschlossenen Türen geplant hätten. Relativ detaillierte Mitgliederlisten ermöglichen es uns jedoch, den Einfluß der Logen in Nancy und Toulouse nachzuzeichnen. In Nancy waren in den Stadträten der Revolutionszeit Freimaurer vertreten; in den Jahren 1790 und 191 lag ihr Anteil bei 20 Prozent; während der Schreckensherrschaft sank er auf 8 Prozent; im Jahr III saßen 10 Prozent Freimaurer im Rat; und unter dem Direktorium schließlich wuchs ihr Anteil wieder auf 20 Prozent. Eine der Logen von Nancy tat sich in besonderem Maße als Reservoir für Ratsmitglieder hervor, die Loge Saint-Jean de Jérusalem, die 1777 gegründet wurde. Sieben der neun Freimaurer, die 1790 – 1791 im Stadtrat saßen, gehörten ihr an und dann wieder fünf der sechs Freimaurer in den Räten unter dem Direktorium.“

S. 238: „In Toulouse besaß keine einzelne Loge eine so dominierende Stellung, vielleicht weil die Freimaurerei im Süden Frankreichs sehr weit verbreitet war. Am Vorabend der Revolution gab es in Toulouse zwischen 500 und 600 Freimaurer. Die Stadt hatte auch mehr Logen als Nancy, und aus mehreren von ihnen gingen Ratsherren hervor. Insgesamt reichte der Anteil der Freimaurer an den Stadträten von einem Fünftel in den Jahren 1790 und 1791 bis zu einem Drittel unter de Direktorium - während der Schreckensherrschaft saß nur ein Freimaurer im Rat.“

S. 319 Anm. 58: „Von Anfang an hatte man während der Revolution ein Gutteil der abstrakten Symbole bewußt oder unbewußt freimaurerischen Quellen entnommen.“

Jochen Köhler, Das Gewitter der Freiheit : Bedeutung und Wirkung der Französischen Revolution heute. Frankfurt am Main : Eichborn, 1989 (Scarabäus-Reihe), S. 111 – 115

S. 111 – 112: „Erstaunlich zählebig ist das Gerücht, die Französische Revolution ginge auf eine Verschwörung der Freimaurer zurück, ein insbesondere von klerikalen Autoren in die Welt gesetztes Gerücht. So der Abbé Barruel: »Diese Koalition der Adepten der Gottlosigkeit, der Adepten der Rebellion, der Adepten der Anarchie bildeten die Klubs der Jakobiner.« Die Freimaurer waren eitel genug, diese Legende zu bekräftigen. Ihr Kommentar zur Jahrhundertfeier des 14. Juli: »Die französischen Freimaurer des 18. Jahrhunderts haben die Revolution gemacht.« Sie sei die »ihre« Man weiß heute genauer, daß diese Verschwörungstheorie an den Haaren herbeigezogen ist. Doch auch das glatte Gegenteil läßt sich schlecht behaupten.. Die Freimaurer hätten rein gar nichts mit der »Vorbereitung« der Revolution zu tun gehabt hat.“

S. 112: „Als Weltanschauung boten die Freimaurer ein - wie auch immer geartetes – Streben nach universeller Wahrheit, gepaart mit sinnlicher Freude, und einen kosmopolitischen Anspruch, gepaart mit »brüderlichem« Gemeinschaftsgefühl und strikter Solidarität. Einige Logen huldigten einem »Rationalismus der Inspiration«, andere einem eher mystischem Weltbild. Die nicht-adligen Logen – das ständische Moment wurde nicht aufgehoben, sondern höchstens aufgeweicht – bejahten aber zumeist einen »aufgeklärten« Katholizismus, »aufgeklärt« schon deshalb, weil er Toleranz übte. Freimaurerisch hatten sich überproportional viele Protestanten organisiert, denen sonst keine Form der Öffentlichkeit gestattete war.“

„S. 113: „Im Landesdurchschnitt waren die Freimaurer mehrheitlich konservativ eingestellt und hatten nicht die Absicht, die Gesellschaftsordnung radikal zu verändern.“

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Albrecht  29.07.2021, 15:27

S. 114 (zu 1788): „Im November desselben Jahres konstituierte sich eine »Gesellschaft der Dreißig«, in der sich die wichtigsten Köpfe der »patriotischen Partei« versammelten und die ohne Zweifel freimaurerisch inspiriert war. Unbestreitbar konnte das Freimaurertum eine hervorragenden Anteil des revolutionären Personals stellen: Mit Mirabeau, Talleyrand, Lafayette und Sieyés aus der ersten und Condorcet, Brissot, Pétion und Danton aus der zweiten »Generation«.“

„Jedenfalls konnten die revolutionären Klubs von der Ideologie und Organisationsstruktur der Freimaurerei lernen. Denn in vielem hatten die progressivsten Logen Geist und Methode der Jakobiner vorweggenommen: in der Aufforderung, über die äußeren Realitäten hinauszudenken, von ihnen hier und jetzt zu abstrahieren, und in der Aufforderung zu permanenter Diskussion, um einen allgemeinen Konsens zu erreichen. Aber auch in der wechselseitigen argumentativen – und damit ideologischen – Überbietung, im Zwang zur Offenheit nach innen und zur Wachsamkeit nach allen Seiten und im moralischen Dualismus, für den »gut« und »böse« einigermaßen klar geschieden sind.“

Ernst Schulin, Die Französische Revolution. 5. Auflage. München : Beck, 2013 (Beck's historische Bibliothek), S. 27, S. 46 und S. 187 - 188

S. 27: „Abbé Barruel, ›Mémoires pour servir à l' histoire du Jacobinisme‹, Hamburg 1798. Dieser Abbé ist der Erfinder der Komplott-Theorie. Er sieht die ganze Revolution als ein bewußt vorbereitetes Komplott gegen den bestehenden Staat. Eine internationale «jakobinische“», freimaurerische Verschwörung habe sich gegen Frankreich gerichtet, von Voltaire, Diderot bis zu Feriedrich dem Großen. Für diese Verschwörungsthese sammelte Barruel «Tatsachen» und «Beweise»“

S. 188: „Im Vergleich zu den Nützlichkeitsvorstellungen der Akademien stand bei den Logen die ethische Erziehung im Vordergrund, oft nach einer der Haupttugenden der Aufklärung: Treue, Klugheit, Gleichmut, Menschlichkeit, Gleichheit. Die sittliche Wandlung des Individuums war insgesamt das Hauptziel der Logen.

Die Logen waren keineswegs Vereinigungen, die bewußt auf den Umsturz der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung gezielt hätten. Es gab zwei Logenrichtungen, beide erkannten seit 1771 Philipp, den späteren Herzog von Orléans als gemeinsamen Großmeister an. Das förderte die politischen Verdächtigungen sozusagen wechselseitig: die des Herzogs und die der Logen. Zweifellos waren sie wichtige Medien für die Verbreitung der Ideen der Aufklärungsphilosophie, aber es ist eine absurde Behauptung, die immer wieder geäußert wird, die Französische Revolution sei das Werk eines freimaurerischen Komplotts gewesen. (Die Verdächtigung war so verbreitet, daß noch im 19. Jahrhundert liberale, konstitutionelle, aufklärerische Ideen oft einfach als freimaurerisch bezeichnet wurden; später sprach man gerne von der «Weltverschwörung» der Freimaurer; das kann man noch bei den Nazis und noch in Franco – Spanien finden.) Bei den Generalständen finden wir besonders viele Maurer, aber das liegt eben daran, daß die politisch Interessierten vom Adel und vom gebildeten Bürgertum (teilweise auch vom Klerus) die Haupttruppe der Logen bildete. Im allgemeinen sympathisierten die Freimaurer anfangs mit der Revolution, seit 1790 kommt es zur Spaltung: die Hälfte lehnte die Revolution ab und emigrierte großenteils. Seit 1792 wagten sich die Logen nicht mehr zu versammeln.“

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Bekim579 
Beitragsersteller
 29.07.2021, 16:31
@Albrecht

Also haben die Freimauer durch aufklärerisches Denken den Weg zur französische Revolution bereitet aber als sie blutige Entwicklung gesehen haben, wollte sie immer weniger mit Revolutionäre zu tun haben. Die Freimauer wollten wahrscheinlich nicht König umstürzen sondern die Monarchie von Absolutismus befreien und sie eher parlamentarische Monarchie verwandeln. Ist mein logische Schlussfolgerung richtig?

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Albrecht  29.07.2021, 17:11
@Bekim579

In etwa ist dies richtig, aber mit der Einschränkung, die Aussagen nicht auf »die Freimaurer« im Sinn von alle Freimaurer" zu beziehen, sondern auf einen mehr oder weniger großen Teil der Freimaurer.

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Während des ersten und zweiten französischen Kaiserreichs war die Freimaurerei napoleonisch. Eine Minderheit von Freimaurern unterstützte die Pariser Kommune 1871, den revolutionären, sozialistischen Pariser Stadtrat; die Mehrheit von ihnen distanzierte sich von diesem Volksaufstand gegen die Regierung.