Was sind die Vor- und Nachteile der Reformen Solons?

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Ob etwas als vorteilhaft bzw. gut oder nachteilig bzw. schlecht beurteilt wird, ergibt sich aus der Anlegung von Maßstäben/Kriterien und von einem Standpunkt aus.

Solon wurde in einer Krisensituation im frühen 6. Jahrhundert v. Chr. in Athen zum Vermittler/Schlichter (διαλλακτής; Wieder-Ins-Lot-Bringer) und Gesetzgeber (νομοθέτης) bestimmt, in der Rolle eines Schiedsrichters (αἰσυμνητήρ und αἰσυμνήτης).

Solon hat sich als jemand verstanden, der eine ausgewogene Ordnung schuf, allen die ihnen zustehenden Rechte gab, aber nicht mehr, ein Mittler zwischen Vornehmen und Reichen (dem Adel) und dem einfachen Volk/den Armen, beide Seiten schützend und an Überheblichkeit und Zügellosigkeit hindernd. Seine Leitvorstellung war die Eunomia (εὐνομία; Wohlordnung, gute Ordnung).

Solon lehnte Anteilsgleichheit (ἰσομοιρία [isomoiria]) ab. Das, was dem Volk nach seiner Auffassung zukommt, ist nicht völlige Freiheit und politische Gleichberechtigung.

Solon hat einen Weg des Kompromisses eingeschlagen und eine Lösung für eine Agrarkrise gefunden, die zu einem scharfen Gegensatz zwischen Leuten aus dem Adel (vornehme und reiche Oberschicht) und Leuten aus dem einfachen und armen Volk geführt hatte. Für die folgenden Jahrzehnte sind keine Versuche überliefert, Solons Maßnahmen und Gesetze wieder rückgängig zu machen und abzuschaffen. Bei Auseinandersetzungen, die stattgefunden haben, handelte es sich um Machtkämpfe einzelner Adliger gegeneinander.

In der Überlieferung wird Solon überwiegend gut beurteilt, als anständig, maßvoll, ein unparteiischer Vermittler, der unter den damaligen Umständen tragfähige Maßnahmen anstrebte. Er wurde zu den «Sieben Weisen» gezählt. Zum Teil galt er später sogar als Begründer der Demokratie in Athen, obwohl er keine demokratische Ordnung schuf und Gleichheit im Sinne eines genau gleichen Anteils für alle ablehnte. Tatsächlich kann er nur als Wegbereiter eingestuft werden, der in die Vorgeschichte der athenischen Demokratie gehört. Er hat eine Politisierung gefördert und die Entwicklung eines Bürgerstaates vorangetrieben.

Bei Solons Reformen überwiegen die Vorteile, eine Verbesserung gebracht zu haben bzw. damals gut passende Lösungen gewählt zu haben.

Vorteile

  • Stabilisierung und Beruhigung der Lage durch einen für beide Seiten akzeptablen Ausgleich (einerseits Erleichterungen für arme Bauern, andererseits ziemlich weitgehende Beibehaltung der Besitzverhältnisse, indem es keine völlige Umverteilung gab, sondern die adligen Großgrundbesitzer ihr eigenes Land behielten)
  • allgemeine Schuldentilgung, als „Lastenabschüttelung“ (Seisachtheia [σεισάχθεια]) bezeichnet (von Solon als Befreiung von Abhängigen aus schmachvoller Knechtschaft verstanden)
  • Abschaffung der Versklavung aufgrund von Schuldknechtschaft (Verbot dieser Form des Zugriffsrechts auf Person des zahlungsunfähigen Schuldners)
  • Freikauf von Athenern, die in andere Länder als Sklaven verkauft worden waren
  • straflose Rückkehrmöglichkeit (durch eine Amnestie) für flüchtige Schuldner
  • Teilnahmerecht an der Volksversammlung (ἐκκλησία [ekklesia]) für alle erwachsenen männlichen athenischen Bürger
  • Teilnahmerecht an der Heliaia (ἠλιαία) – ein Volksgericht, offenbar ein Berufungsgericht, wenn jemand gegen eine Rechtsprechung Einspruch einlegte - für alle erwachsenen männlichen athenischen Bürger
  • Einrichtung der Popularklage: Alle Bürger, auch nicht Betroffene, konnten gegen die Urteile der Thesmotheten (oberste Gerichtsherren) und der Beamten klagen
  • Rechtssicherheit durch vollständige schriftliche Aufzeichnung seiner Gesetzgebung (die teils alte übliche Regeln, teils Neuordnungen enthielt) und öffentlicher Aufstellung mit Hilfe von drehbar aufgehängten langen Holzbalken und bronzenen Pfeilern (Stelen) auf dem Marktplatz (Agora), wo alle Zutritt hatten und sie einsehen konnten
  • Förderung der Wirtschaft

Nachteile

  • Armut der Kleinbauern, die bestehen blieb (eine Landverteilung, die daran mit weitgehenden Eingriffen stark etwas geändert hätte, schied aber auf Solons Weg eines Kompromisses als Maßnahme aus)
  • tatsächliches Fortbestehen eines (wenn auch von Solon ein Stück weit eingeschränkten) Übergewichts der Adligen
  • Abstufung politischer Rechte (darunter Zugang zu Ämtern und Wahlrecht für verschiedene Einrichtungen) und Pflichten nach Vermögensklassen, also nach Menge des Einkommens/Besitzes: In die höchsten Ämter (z. B. die Archonten) waren nur die Reichsten wählbar, die Ärmsten (die sogenannten Theten) waren in keine Ämter wählbar. Eine solche Verfassung ist in der Antike später als Timokratie (τιμοκρατία [timokratia]) bezeichnet worden. In ihr gab es keine Gleichheit der politischen Rechte.
  • keine völlige Beseitigung von Machtkämpfen einzelner Adliger und keine Verhinderung der Entstehung einer Tyrannis in der Folgezeit (Peisistratos, dann seine Söhne Hippias und Hipparchos; allerdings war eine völlige Ausschaltung einer solchen zukünftigen Entwicklung auch kaum erreichbar)