Was meint Ludwig Feuerbach in seinem Text "Gott ist eine Projektion"?
Ludwig Feuerbach sagte, die Bestimmungen eines göttlichen Wesens seien die eines menschlichen Wesens, da Gott eine Art Spiegelung der Menschen ist. Wenn man das Subjekt Gott verneine, gelte dies als irreligiös, nicht aber, wenn man die Prädikate, d.h. die Eigenschaften oder Bestimmungen Gottes verneine.
Was meint er genau für Prädikate/ Bestimmungen? Vielleicht hat sich ja jemand schon mal mit seinen Texten beschäftigt und versteht das besser als ich.
Vielen Dank,
LaDiabla
4 Antworten
Ludwig Feuerbach vertritt die Ansicht, dass die Menschen die göttlichen Wesen im Bewusstsein und als Ausgleich ihrer eigenen Unzulänglichkeit erfunden haben. Gott als Idealbild verkörpert all jene Eigenschaften, die die Menschen als tugendhaft, aber weitgehend als unerfüllbar empfinden.
Deshalb muss es ein Wesen geben, welches dem menschlichen Wunsch nach Vollkommenheit entspricht. Es werden genau diese idealen Eigenschaften, wie Unsterblichkeit, Ewigkeit, Allmächtigkeit... auf die Figur von Gott projeziert.
Ein sehr anschauliches Schema zu diesem Thema findest Du unter folgendem Link:
http://arturleinweber.de/schule/religion/projektionstheorie_ludwig_feuerbach.php
PS: Kleine Ergänzung als Kommi unter der Antwort von Sonnenschnauz.
Vielen Dank für die Auszeichnung! Es freut mich, wenn ich helfen konnte! LG
Feuerbach hat eine sehr deutliche Entwicklung vom Idealisten zum Empiriker durchgemacht. Hier ein Zitat aus der späteren Phase:
"Der religiöse Glaube im Sinne hergebrachter Religionen ist letzterem vor allem ein Bildungshemmnis, das die Entwicklung einer echten Persönlichkeit verhindert. Bereits im „Bayle“ sagt er: „Erkennen wir, dass es kein Heil für die Menschen außer der Vernunft gibt! Der Glaube mag den Menschen beseligen, beruhigen; aber soviel ist gewiß: Er bildet, er erleuchtet nicht den Menschen; er löscht vielmehr das Licht im Menschen aus, um angeblich ein anderes, übernatürliches Licht an seine Stelle zu setzen.“33 Wahre Sittlichkeit ist für ihn eine Frage der Autonomie des Individuums, das ohne eigene Erkenntnis und damit ohne Bildung nicht zu haben ist: „Ich bin nur dann Mensch, wenn ich aus mir selbst das Menschliche tue, wenn ich die Humanität als die notwendige Bestimmung meiner Natur, als die notwendige Folge meines eigenen Wesens erkenne und ausübe.“
Es sei allerdings darauf verwiesen, dass sich hinter dieser noblen Haltung Feuerbachs immer noch Idealismus verbirgt; denn hier wird eine Art „Automatik“ unterstellt, dass mehr Bildung von selbst zu mehr Humanität führen werde. Inzwischen haben wir uns eines Besseren belehren lassen müssen, dass Bildung nicht nur nicht vor unsittlichem Verhalten schützt, sondern sogar, etwa in der instrumentellen Steigerung von bloßer technischer Effizienz im Dienst der Inhumanität stehen kann.
Zitiert nach Helmut Walther (Nürnberg) Die Ethik Ludwig Feuerbachs Zitiert nach "Aufklärung und Kritik" 2/2011
hier der ganze Beitrag:
www.gkpn.de/Walther_LF-Ethik.pdf
Hier eine Antwort, die ich als Kommentar schon mal am 17.12.2010 gepostet habe (zum Dienst von F. und marx für die Kirche):
Nach Feuerbach projiziert der Mensch (besser die "Gattung" Mensch) sämtliche besseren und "göttlichen" Eigenschaften etc. in ein Gottesbild. Von dort, so Feuerbach, müssen sie wieder vermenschlicht werden, zurückgeholt werden, damit die Gattung Mensch sozusagen zu ihrer wahren Existenz kommt. Der philosophische Theologe Feuerbach treibt also Anti-Theologie, er löst die Theologie vollkommen in Anthropologie auf.
Dieses Menschenbild der Gattung ist hoch idealistisch. Man kann auch sagen, dass die "Gattung" bei Feuerbach eine supranaturale Fiktion ist, ähnlich wie die "Vernunft" von Hegel (was m.W. schon Max Stirner gesehen hat).
Das Gattungsbild von Feuerbach ist zerbrochen. Denn der einzelne Mensch, der "wirkliche" Mensch wird in der Gattung nicht gesehen. Er wird nicht gesehen mit seiner Schlechtigkeit, seiner Bösartigkeit und seinen negativen Eigenschaften. (Dies sieht die protestantische Theologie einfach klarer.)
Der Erste Weltkrieg, Metapher Verdun, zeigt mit seiner Selbstzerfleischung der Völker den Zerbruch dieses großartigen Gattungsbegriffs.
Wenn ich 1. Weltkrieg sage, dann denke ich auch an die Folgen (2. Weltkrieg bis Mauerfall) bis zur Postmoderne.
Ich denke also, dass Feuerbach überholt ist. Die Theologie hat, spätestens vor "Verdun", dass die "Vergöttlichung" der Gattung Mensch eine Illusion ist. Gott ist eben der "ganz Andere", der nicht in Anthropologie aufgeht.
Freundliche Grüße, S.
Das ist jetzt an alle Antworter hier gerichtet:
Das bedeutet, dass die "Prädikate" von denen er spricht, die menschlichen Eigenschaften sind? Und verneinen tun wir die schlechten davon? Oder die Menschlichkeit Gottes an sich?
@Sonnenschnauz: Danke auch an dich!
Die Prädikate Gottes sind genau die Ideal-Eigenschaften, die auf Gott projeziert werden. Würde man diese verneinen (also negieren), dann würde nichts von der Herrlichkeit Gottes übrig bleiben, die ihn über uns Menschen erhebt. Er wäre dann nur noch ein Spiegelbild und den Menschen als Vorbild nicht mehr nützlich.
Und als Kommentar zu Sonnenschnauz:
Jede "Gattung" setzt sich aus Einzelwesen zusammen, sie ist m. E. bloß eine Reflexion aller charakteristischer Wesensmerkmale des Durchschnitts der Einzelwesen. Da es Gott als "Gattung" nicht gibt (jedenfalls u. a. auch nicht in der protestantischen Theologie), ist insofern der Vergleich mit der Gattung Mensch auch nicht so richtig passend. In jedem Fall ist der Mensch nach religiösen Vorstellungen die "Krone der Schöpfung" nach "seinem" Abbild - und dass Gott u. a. auch bei Verdun freundlich lächelnd, "nächsten- und feindesliebend" zugeschaut hat, kann "ihm" keiner nehmen! Dort hat nicht der Einzelmensch gekämpft und Verbrechen begangen, sondern die Gattung = "Schöpfung"!
Insofern ist Feuerbach noch lange nicht überholt, wenn auch viele seiner Ansichten neu zu interpretieren sein dürften!
babulja, danke! Wenn wir aber schon biblisch-theologisch argumentieren, dann müssen wir vom Menschen nach dem "Fall" ausgehen. "Der" Mensch, also Adam, ist biblisch ja ein Einzelwesen und andererseits die Menschheit. Und die ist zwar "Krone" der Schöpfung, aber das Ebenbild Gottes ist nun mal zerbrochen, nach protestantischer Theologie vollends, nach katholischer sind noch göttliche Spuren vorhanden. Der Mensch als einzelner oder als Gattung eignet sich, biblisch, nicht zur Idealisierung und dann zur Projizierung.
Die Korrektur bringt Paulus in Römer 5 mit der Adam-Christus-Typologie. In Jesus Christus erscheint der wahre Mensch. Er verkörpert die Eigenschaften, die der Mensch/die Menschheit haben sollte. Durch Jesus Christus wird "der" Mensch wieder zu dem, wie er "eigentlich" sein müsste.
Wenn der Umweg über Feuerbach dazu führen könnte, hätte er uns einen großen Dienst erwiesen.
@ladytinamaus: Aaaah, jetzt versteh ich das! :D Ist beim Lesen des Textes leicht falsch zu interpretieren. Danke!
freu... Ist auch nicht so leicht zu verstehen, man muss sich schon ein bissel da reindenken. :-)
Hallo ladytinamaus,
da alles Polaritäten sind (Yin-Yang) und nur die Schwingung auf die eine oder andere Seite der jeweiligen Polarität ausschlaggebend für die 'Manifestierung' einer Eigenschaft ist, wurde mit der Projizierung von nur Ideal-Eigenschaften auf Gott somit ein halber Gott 'erschaffen'. Wo Licht, da auch Dunkel; wo männlich, da auch weiblich, wo Liebe, da auch Hass. Harmonie ist der Einklang, die Verschmelzung beider 'Polaritäten'. Sie ist nun bei Gott nicht gegeben, da man ihm nur eine Seite (alle positiven Aspekte) zugedacht hat. Würde man die ihm zugedachten Prädikate, wie Du schreibst, negieren, dann bliebe nicht einmal ein Spiegelbild übrig. Gott würde gar nicht mehr existieren. Zurück bliebe nur noch der Mensch mit all den negativen (und auch positiven?) Eigenschaften als sein eigenes Spiegelbild, in das er vermutlich nie wird hineinblicken.
MfG Fantho
Sonnenschnauz - auch dir danke für deine Sachlichkeit!
Das Problem für mich ist eben das "biblisch-theologische"! Wenn für dich (protestantisch-lutheranisch, wenn ich richtig vermute?) das "Ebenbild Gottes" zerbrochen ist, können wir auch gleich bei Nihilisten, Defätisten, Pessimisten, Endzeitromantikern udgl. mehr um Asyl bitten!
Paulus ist für mich absolut kein Beleg, für nichts! Tut mir leid für diese brutale Formulierung, aber von dem hätte ich noch ein paar andere Zitate auf Lager. Wenn du Jesus als "wahren Menschen" titulierst, kann ich auch nicht so richtig folgen, egal ob über den "Umweg" namens Feuerbach oder direkt. Ich erspare mir diesbezügliche Zitate aus der Bibel, die Jesus zugeschrieben werden, die Bibel kennst du ganz sicher besser als ich und weißt vermutlich, was ich meine (z. B. Lukas 12,5; Lukas 12,49;Lukas 12,49; Lukas 13,5 und andere).
Fantho - DH!
Neulich hatte ich eine kleine Diskussion mit einem Freund darüber, dass man nicht alles nur in "schwarz-weiß" ("Yin-Yang" o. ä.) definieren könne (ich glaube, Leibniz war da maßgebend). Das gilt sicher auch hier. Aber um eben zu erklären, was "schwarz" ist, kommt man nicht umhin, "weiß" (oder eben "nicht-schwarz") zu nennen - ohne zu vergessen, dass es da noch viele Graustufen gibt.
Hallo Fantho,
Du hast völlig recht. Ich habe ebenso meine eigene kritische Meinung dazu. Aber um die ging es hier nicht, sondern nur um die Interpretation Feuerbachs. Vom psychologischen Aspekt her teile ich viele seiner Ansichten, und um den Rest mag man sich streiten...schliesslich stammte er aus dem vorvorletzten Jahrhundert.
LG Lady Tina
Die Projektionstheorie ist eine atheistische Erklärung für den Sinn von Religion und Gott durch Ludwig Feuerbach (1804-1872).
Demnach ist Gott nur die Summe aller Wünsche (nach Unsterblichkeit, Vollkommenheit, Glückseligkeit, Gleichberechtigung) jedes Menschen, die dieser aber nicht als Wünsche anerkennt, sondern in einer von sich selbst gebildeten Gottheit projiziert. Der Mensch wird als das negative Extrem dargestellt. Der Mensch ist endlich, sündhaft, unvollkommen und ohnmächtig. Der Mensch stellt sich seinen Gott dann mit seinen Wünschen vor, so wie er sein will: unendlich, ewig, vollkommen, mächtig und vor allem heilig. Dieser Gott wird benutzt, um den Mitmenschen eine Macht überzuordnen, mit der Autorität Gesetze zu erlassen, die von allen Mitgliedern der Gesellschaft beachtet werden. Damit sichert sich jeder Mensch seinen Schutz vor Übergriffen seiner Mitmenschen auf sein Naturrecht. Zugleich aber verliert er den Teil seiner Wünsche als Teil seiner selbst, daher ist Religion und die Vorstellung eines Gottes negativ zu betrachten und Feuerbach kommt zu der Forderung, Theologie müsse Anthropologie und Physiologie werden. Der Mensch muss für den Menschen das höchste Wesen werden.
Der deutsche Theologe Paul Tillich (1886–1965) hat sich oft mit dem Projektionsvorwurf Marx' und Freuds beschäftigt, so z. B. in einer Besprechung des Buches von Erich Fromm über »Psychoanalyse und Religion«. Er sagt, dabei würden zwei Dinge miteinander verwechselt: »Das, was projiziert wird, und das, worauf es projiziert wird, also das ›Bild‹ und die ›Projektionswand‹. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass, bildlich gesprochen, der Stoff, aus dem die Götter gebildet wurden, menschlichen Erfahrungen entstammt. Gute und böse Erfahrungen der Kindheit (Gott - der ›Vater‹) und des späteren Lebens waren dabei am Werke.« Die Bilder also, die Menschen von Gott haben, tragen sehr wohl den Stempel ihrer Erlebnisse, Wünsche, Ängste und Hoffnungen. Aber die Projektionswand, die sie benötigen, um sichtbar zu werden, sie ist etwas anderes: »Das bedeutet keineswegs, dass die »Projektionswand«, dass also Gott, »der letzte Grund alles Seins und Sinns, Grund und Ziel unserer Existenz, selbst eine Projektion ist.«
Warum also entsteht bei dieser ›Projektion‹ das Bild Gottes, das Bild eines Unendlichen, Göttlichen, Unbedingten, Absoluten und nicht nur wieder ein Doppelbild von uns selbst? Wir leben in einer Welt, die uns nur mit endlichen, bedingten Erscheinungen zu tun gibt, und doch finden wir in uns »ein Bewusstsein von etwas Absolutem«, gibt es für jeden von uns etwas, »was uns unbedingt angeht« und dem unser letztes Interesse gilt. Das nimmt der Glaube als Zeichen Gottes: »Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.« So weit die Gedanken von Paul Tillich.
Wenn unter dem Stichwort „Projektionstheorie“ Ludwig Feuerbach als repräsentativer Autor genannt wird, so hat diese lexikalische Zuordnung allerdings eine fragwürdige Voraussetzung. Der Begriff „Projektion“ ist nämlich ein Interpretament der Nachgeborenen; Feuerbach selbst hat diesen Begriff in seinen religionsanalytischen Schriften ("Wesen des Christentums", "Wesen der Religion") nicht gebraucht.
Natürlich ist es nicht verboten, eine Theorie mit Begriffen zu beschreiben, die der Autor selbst nicht verwendet hat. Dabei ist aber zweierlei wesentlich zu wissen: nämlich dass es sich so verhält und dass der zur Auslegung verwendete Begriff die vom Autor intendierte Sache trifft.
Die Selbstverständlichkeit, mit der Feuerbachs Analyse der christlichen Dogmatik durch den Begriff „Projektion“ charakterisiert wird, lässt vermuten, dass viele sich dieser doppelten Schwierigkeit nicht bewusst sind.
Eine Untersuchung, die der Theologe Thilo Holzmüller zum Problem „Projektion“ bei Feuerbach vorgelegt hat, gibt zu dieser und ähnlichen Fragen gründlich Auskunft. Holzmüller untersucht die Grundzüge der Rezeptionsgeschichte der Feuerbachschen Religionskritik. Er zeigt, wie sich vor allem in der katholischen (hier wirkungsvoll Hans Küng), und evangelischen Theologie (hier Hans-Martin Barth) der Projektionsbegriff im Blick auf Feuerbach verbreitet. Holzmüller kommt zu dem Ergebnis, dass das psychologisierende Interpretament „Projektion“ die Religionskritik Feuerbachs abflacht. Was Feuerbach wirklich meint, wird erst erfahrbar, wenn Feuerbachs analytische Begrifflichkeit von der Entzweiung im menschlichen Wesen, seine Deformation und „Krankheit des Bewusstseins“ zu Rate gezogen werden.
Wie Feuerbach Gott und seine Wesensqualitäten als Vergegenständlichung des menschlichen Gattungswesens demaskiert (Holzmüller), mag für ein gläubiges Bewusstsein schwieriger zu verarbeiten sein. Um der Wahrheit willen ist es aber lohnend, die eingefahrene Rezeptionsspur zu verlassen.
Liebe/r tiergartenngb,
bitte achte in Zukunft darauf die Quelle anzugeben, wenn Du zitierst. Die Beachtung der Urheberrechte ist uns wichtig! Bitte schau diesbezüglich noch einmal in unsere Richtlinien unter http://www.gutefrage.net/policy. Die Beiträge werden sonst gelöscht.
Vielen Dank für Dein Verständnis.
Herzliche Grüße
Klara vom gutefrage.net-Support
"Tiergartennbg" - In Zeiten gehäufter Plagiatsnachweise solltest Du dein Zitat aus Tante WIKI - Stichwort "Projektion" - auch als solches kennzeichnen!
Abschreiben und Klauen fremden Eigentums ist in diesem Land offensichtlich zur absoluten "Spitzenleistung" geistigen Schaffens geworden! - Gratuliere!!
Ich wette, du hast selbst nicht ein Wort von dem verstanden, was du hier präsentierst!
@babuija: Der Verdacht hat mich auch beschlichen - ohne hier jemandem irgendwas unterstellen zu wollen...
Es ist immer sinnvoll einen Quellenvermerk anzufügen.
Da hast du natürlich völlig recht, und ich dachte mir schon, dass das jemand sagt ;) Ich hab das hier bloß für eine Quelle gehalten, wo ich vielleicht mehr verstehe, als bei Wikipedia. Dort habe ich auch schon geschaut, aber nicht die Erklärung für meine spezielle Frage gefunden. Letzten Endes hat mir eine Kombination aus beidem geholfen, es ganz gut zu verstehen.
Wirklich sehr anschaulich, vielen Dank!