Was macht Faust für eine Entwicklung durch in Faust 2?

3 Antworten

Faust wird zweimal verführt. In Faust I zum egoistischen Genuss, in Faust II zu gewissenlosem Machtmissbrauch, aber ...

Schluss von Faust II: 11581 "dürft"  und 11936ff. "Wer immer strebend ..." und "Liebe gar von oben"

Ab Vers 11941 kommt dann die Willkommenskultur, die im (Goetheschen) Himmel etwas dauerhafter ist als die in Deutschland vom September 2015.

Faust ist, als Charakter, immer der Gleiche geblieben, d.h. immer der Unzufriedene, eine Eigenschaft, die Mephisto, um die Wette mit dem Herrn (im Prolog geschlossen) und mit Faust (im Studierzimmer geschlossen) zu gewinnen, Faust austreiben muss: „Zieh diesen Geist von seinem Ursprung ab…und steh‘ beschämt…“ (s. Prolog) oder: „Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen, so sei es gleich um mich getan…“ (Studierzimmer V. 1692 ff). Siehe auch Eckermann zu Goethe am 6.6.1831: „Wir redeten sodann über den Faust, den das Erbteil seines Charakters, die Unzufriedenheit, auch im Alter nicht verlassen hat…“ (s. „Gespräche mit Goethe“).

Nur die Erlebnisbereiche, in die Mephisto den Faust in verführerischer Absicht hineinführt, ändern sich. In „Faust II“ wird Faust, weg von den kleinbürgerlichen Kreisen, in die große Welt geführt: zuerst zum kaiserlichen Palast (1. Akt), dann nach den Thessalischen Feldern im griechischen Altertum, wo eine ideale Welt der Schönheit, verkörpert durch Paris und Helena, auf Erden existierte (2. Akt). Hier besonders erkennt man weiter das Streben Fausts nach höchster Vollkommenheit. Nach Helenas und des gemeinsamen Sohnes Euphorion Tod (3. Akt) wird Faust wieder in die Wirklichkeit zurückversetzt.

Hier geht eine große Veränderung in Faust vor. Er macht sich von seiner unruhigen Sehnsucht und leidenschaftlichen Begierde frei und wird ein Mann der Tat. Sein Streben ist nicht mehr ins Allgemeine gerichtet, sondern bezweckt die Förderung menschlichen Glückes und Gemeinnutzes. Dazu
bedarf er Grund und Boden, den ihm der Kaiser verleihen soll. Das wird aber erst möglich, nachdem Mephisto dem Kaiser in einer Schlacht gegen den Gegenkaiser geholfen hat. Nach dem Sieg des Kaisers bekommt Faust einen Meeresstrand verliehen, auf dem er einen riesigen Palast erbaut (4. Akt).

Im 5. Akt lebt nun Faust, hochbetagt, in seinem selbstbeschaffenen Reiche, aber er setzt sich nicht zur Ruh, er arbeitet immer weiter an neuen Projekten: „Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm! … Im Weiterschreiten find er Qual und Gang, er, unbefriedigt jeden Augenblick! (V. 11447ff). „Arbeiter schaffe Meng auf Menge! Ermuntere durch Genuss und Strenge! Mit jedem Tage will ich Nachricht haben, wie sich verlängt der unternommene Graben.“ (V. 11553 ff). „…Eröffn‘ ich Räume vielen Millionen, nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.“ (V. 11554 ff). „So ein Gewimmel möchte ich sehn, auf freiem Grund mit freiem Volke stehn!“ a.a.O)

Da Faust niemals aufgehört hat zu streben und immer neue Herausforderungen in Angriff nimmt („Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss!“ (Verse 11554 ff), hat Mephisto, der Faust zum dauerhaften Ausruhen „auf dem Faulbett“ verführen müsste und dabei scheiterte, die Wetten verloren.

Faust sagt auch niemals zum Augenblick: „Verweile doch, du bist so schön!“, sondern er sagt nur: „Zum Augenblicke dürft ich sagen, verweile doch…“ (s. Verse 11554 ff.)

Faust lernt, dass man egoisitische Genuss-Sucht durch den Dienst am Anderen ersetzen soll.