Warum wurde Faust als Wettobjekt ausgewählt?
Wir lesen gerade „Faust - der Tragödie erster Teil“ im Deutschunterricht und haben uns die Frage gestellt warum gerade Doktor Faust als Objekt für die Wette zwischen Gott und Mephisto ausgewählt wurde.
1 Antwort
Goethe schrieb ja diese beiden Dramen jahrzehntelang über sein eigenes Leben, seine eigenen Gedanken über "Gott und die Welt" im Geiste des Patriarchalismus, der sich in Europa auch durch die Aufklärung schleichend aufzulösen begann.
Er fand einen Teil von sich in dem uralten Volksbuch "Dr. Faustus = lat. der von Gott Begünstigte" wieder, entwickelte dazu im FAUST Teil 1 die Gelehrtentragödie (über sich selbst als großen Naturwissenschaftler (vgl. Goethe hielt seine Farbenlehre für bedeutsamer für die Nachwelt als seine Dichtkunst) und die Gretchentragödie aufgrund der realen Geschichte von der Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt.
Goethe ist selbst faustus, ein von Gott Begünstigter, der im Glauben an diesen allmächtigen Gott verzweifelt fragend "wissen will, was die Welt im Innersten zusammenhält". - Und es die Liebe, die allumfassende, also der christliche Gott wiederum selbst, und der Mann als Sinnbild für die stets verändernde, verbessernde Liebe, der damals nur mächtige Mensch, der für seine Leistung immer Gutes im Sinne Gottes tun zu wollen belohnt wird, die damals sehr ohnmächtige Frau als Sinnbild der immer bindenden, tröstend vergebenden Liebe, deshalb endet FAUST Teil 2 mit der Apotheose über die Frau an sich anhand von Beispielen dargestellt - und einem Schlussgedicht über das Ewig-Weibliche, dass den Mann zum Göttlichen hinanzieht.
Gott kann diese Wette mit dem "Geist, der stets verneint" grundsätzlich nicht verlieren, weil das Verneinende gar keine Macht dazu in sich trägt, Gott zu besiegen, meint Goethe eben. Und so wird Faustus auch von Gott am Ende der Tragödie errettet, weil er stets nach dem Guten im Dasein strebte, auch wenn er wohl auch Böses tat. So hofft Goethe als Geheimrat, Minister, Enttäuscher so einiger Frauen und noch sonst so etwas "wer weiß was", selbst auf den Himmel für seine Seele nach seinem körperlichen Sterben, wagt es auch sich selbst der Vergebung Gottes gewiss zu sein...
Nur blöderweise liest diesen Teil 2 fast niemand in der Schule und beide Werke werden immer seltener auf der Theaterbühne aufgeführt, weil die deutsche Bevölkerung wegen wachsender materieller Ausbildungen eine immer geringere kulturelle Bildung zu haben scheint...
Dass kaum Aufführungen stattfinden, kann man Veranstaltern wohl kaum übel nehmen. Wie viele hundert Jahre möchte man denn die selbe Tragödie spielen? Und wenn wir mal ehrlich sind, ist Faust II noch um einiges schwieriger zu verstehen als der erste Teil. So viel muss man Schülern dann doch nicht zumuten.
Na ja. Das habe ich während des Fernsehens wegen des Krieges schnell nebenbei geschrieben - und so befürchte ich eher, dass der FS mit meiner doch holprigen und wahrscheinlich zu langen, aber zu wenig ausführend erklärenden Antwort überfordert sein könnte... Hoffentlich hilft sie ihm trotzdem wenigstens zum Recherchieren.
Das ist eine so gute und erschöpfende Antwort, zu der ich dem AG nur neidlos gratulieren kann. Der FS wird, wenn er sein nun so erworbenes Wissen im Unterricht widerzugeben vermag, sich keine Sorge um seine Deutsch-Note machen müssen !