Was bedeutet der Satz „Alles für das Volk nichts durch das Volk“ im Zusammenhang mit Friedrich II?

8 Antworten

Als Kommentar hatte ich schon geschrieben, daß es ein Zitat von Joseph II. war, dem Nachfolger Maria Theresias und lange Zeit Mitregent neben seiner Mutter, nicht von Friedrich II. . Auf Friedrich II. wäre es allenfalls in dem Rahmen zu beziehen, daß auch die preußische Monarchie zu der Zeit eine absolutistische Monarchie war, allerdings war Friedrich II. durchaus (bedingt, z.B. vollzog sich die Bildungsreform zu einem großen Teil hinter dem Rücken Friedrich II.) offen für die "Stimme des Volkes", wohingegen Joseph II. seine Reformen gegen die Stimme des Volkes (und gegen Adel, Klerus und Beamtentum) durchführte. Eine Übertragung auf Friedrich II. macht also gar keinen echten Sinn, da Friedrich II. sogar weit offener für Anliegen des Volkes war, als es im Rahmen einer (aufgeklärt) absolutistischen Monarchie üblich war.

Hier mein Kommentar als Zitat:

"Es wird deutlich, wenn man den Satz mit der Politik Joseph II. (!) [NICHT Friedrich II.] verbindet, der auch gegenüber dem Papst Pius VI. auf dessen Besuch in Österreich 1782 sagte, daß ihn eine innere Stimme vor Irrtümern bewahre.

Joseph II. fiel es schwer, Kompetenzen abzugeben und zu delegieren. Auf der anderen Seite aber führte er in seiner Zeit der Alleinregentschaft nach 1780 Reformen durch, welche tiefgreifend und notwendig waren, um den Anschluß nicht zu verlieren, aber im Volk unbeliebt.

Damit ist einer andere Frage, ob mit einer anderen Einstellung überhaupt der Anschluß geschafft worden wäre.

Für seine Einstellung ist auch bezeichnend, daß er 1786 sagte:

"darum obliegt es dem Monarchen, die Rechte seiner Untertanen festzusetzen und ihre Handlungen so zu leiten, dass sie dem allgemeinen Wohle und dem der Einzelnen zum Besten gereichen."

Es sei auf den Biographen Derek Beales verwiesen, der eine recht moderne Sicht auf den Kaiser vertritt."


derdorfbengel  08.03.2018, 09:23

Klingt ja schon wie ein Josephinist...

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PolluxHH  08.03.2018, 11:49
@derdorfbengel

Irrtum, es ist nur der Versuch, in Kürze differenziert zu bleiben. Auch in der Politik ist die dominierende "Farbe" Grau und wenn man ganz nüchtern betrachtet, was Joseph II. in wenigen Jahren (1781 bis 1790) an Umstrukturierungen erreicht hat, was in anderen Ländern weit mehr Zeit in Anspruch nahm, so ist es isoliert schon bemerkenswert. Man kann andererseits auch genügend kritisieren, aber ich wollte nur vermeiden, daß hier eine retrospektiv einseitig negative Beurteilung erfolgt, zumindest bezogen auf das Wirken von Joseph II. (dies, weil Josephinismus als Begriff nicht auf das Wirken Joseph II. beschränkt Verwendung findet).

Man müßte zudem auch Systemkritik und Kritik am Josephinismus trennern, weil Josephinismus als eine spezielle Ausprägung eines (aufgeklärten) Absolutismusses anzusehen ist, was insbesondere auch die Behandlung der Kirche betrifft, deren Autonomie sich nicht mit dem Gesamtheitsanspruch des (speziellen) Josephinismus vertrug. In 5 Minuten macht es wenig Sinn, auf Grotius, Pufendorf und Thomasius einzugehen, die Erwähnung des Wandels der Rolle der Kirche im Staat unter Joseph II. wäre interessant, aber ... eben 5 Minuten ...

Meine positive Aussage war eher so zu verstehen, daß in ca. 9 Jahren (vorher war seine Veränderungen gegenüber eher unaufgeschlossene Mutter zu dominant und politisch bestimmend) eine Umstrukturierung des Beamtentums gegen innere Widerstände, ein Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens, eine Neuordnung des Rechtssystems etc. unter anderen Bedingungen kaum möglich gewesen wäre, dabei aber überfällig war.

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Das ist das Prinzip des Absolutismus.

Er sorgt sich um sein Volk, dass es ihm gut geht.

Im Gegenzug duldet er aber absolut null Mitspracherecht.

Der Alte Fritz war ein bedeutende Monarch der wirklich Spuren hinterlassen hat.

Er z.B. ist es gewesen, der die Kartoffel hier in Europa erst publik gemacht hat. Diese eigentümliche Pflanze aus Nordamerika kannte doch niemand hier.

Der Alte Fritz erließ den "Kartoffelbefehl", der alle Herrscher und Diener dazu verpflichtete den Wert und Nutzen der Erdäpfel zu ergründen und lernen und lehren. Und wer nicht hören wollte, der musste fühlen. Geprügelt hat er die Bauern zu ihrem Glück^^

Außerdem war er ein Freidenker seine Zeit......

>Jeder soll nach seiner Façon selig werden<

Aber es brauchte trotzdem noch 300 Jahre bis z.B. die gleichgeschlechtliche Ehe toleriert wurde.


soisses  08.03.2018, 09:03

Friedrich II. ließ die Kartoffeläcker bewachen..."verbotene Früchte schmecken süß", um die Bauern zur Kartoffel zu verleiten.

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Es bedeutet, dass sich Friedrich II. nicht mehr als Herrscher des Volkes aufspielen wollte sondern zugunsten des Volkes mehr in den Hintergrund treten wollte.

Hier habe ich eine ganz gute Kurzfassung gefunden:

Zitat:

Auch seine Auffassung, dass ein Herrscher sein Eigeninteresse und die Meinungen der Minister zurückstellen soll, zugunsten des Volkes, und dass der Herrscher den Staat repräsentiert, spricht dafür. Also brachte er die Kartoffel in sein Land, um die Bauern in ihrem Tun zu unterstützen.

So weit klingt alles sehr aufgeklärt, allerdings führte seine eigene Herrschaftsvorstellung selbst nicht aus. Er ließ sich auch von seinen Beratern wenig sagen und setzte seine Auffassungen fast wie ein Alleinherrscher durch.

Die Folter wurde nur sehr eingeschränkt abgeschafft............

https://www.lerntippsammlung.de/Friedrich-der-2-.--_-Aufkl-ae-rer-oder-Absolutist.html


das ist eigentlich der klassische Satz der Stellvertreter-Ideologie, damals im aufgeklärten Absolutismus, und bis heute das Dogma der repräsentativen Demokratie, wie man sieht in der realen Politik hinter hermetisch verschlossenen Türen wie bei CETA TTIP oder Jefta, wo oft nicht mal der Titel nach draußen dringt. Und wo die Öffentlichkeit, also das Volk, nur vollgeschwallt wird mit voluntaristischen Phrasen. Dass dem Volk elementare Informationen vorenthalten werden, ist auch keine Verschwörungstheorie, sondern Verschwörungspraxis: denn das Argument aller Gegner von Volksabstimmungen in den etablierten Parteien besagt ja, das Volk sei doch mehrheitlich gar nicht informiert genug, um in weichenstellenden Sachfragen kompetent mitreden oder gar entscheiden zu können.


PolluxHH  08.03.2018, 10:06
das ist eigentlich der klassische Satz der Stellvertreter-Ideologie

Es gibt eine konkrete Quelle für diesen Satz, nämlich Joseph II., der auch ansonsten nicht als Zitat übernommen wurde. Die politische Auffassung in allen Ehren, aber bitte dabei bei den historischen Fakten bleiben und nicht Fakten konstruieren. Und noch mehr: Meinung als Meinung darstellen, nicht als Tatsache, denn anderenfalls betreibt man selber Manipulation / Demagogie und ist damit kein Deut besser, als das System, welches man kritisieren will.

das Volk sei doch mehrheitlich gar nicht informiert genug, um in weichenstellenden Sachfragen kompetent mitreden oder gar entscheiden zu können

Gerade bei Elektroautos zeigt sich dies übrigens gerade wieder massiv. Gemäß Studien reichen wahrscheinlich die Li-Ressourcen nicht, um überhaupt den Bedarf an Akkus zu decken, wenn nur noch E-Autos betrieben würden. Zudem wäre der Strombedarf nur schwer zeitgerecht bedienbar, der dadurch entstünde. Aktuell müßten zuerst einmal 67% der aktuellen Energieerzeugung, ohne Gas ca. 54%, zurückgebaut werden, der Gesamtstromverbrauch pro Kopf ist ungebrochen steigend, dann noch zusätzlich E-Autos bedeutete 2040 oder -50 einen fast dpoppelt so hohen Energiebedarf, aufgrund des zunehmenden Anteils an Erzeugungstechnologien mit nicht prognostizierbarem Aufkommen in der Zeit müßten die verfügbaren Kapazitäten zu Energieerzeugung gegenüber der durchschnittlich bedarfsdeckenden Erzeugung um das mehrfache erhöht sein, man müßte also spätestens 2050 mindestens durchschnittlich die dreifache Mernge an Strom wie heute erzeugen, um überhaupt den Bedarf auch zeitgenau einigermaßen befriedigen zu können. Kurz:

E-Autos sind keine Lösung, sondern weit eher die Erzeugung von LPG-kompatiblen Gasen durch Wind- und Sonnenenergie, was die Zeitfrage entschärfte und gleichzeitig die Akku-Problematik umginge bei gleicher CO2-Neutralität. Frage einmal, wer auch nur im Ansatz diese Zahlen kennt. Die meisten E-Auto-Befürworter vertreten eine "Strom kommt aus der Steckdose"-Philosophie und denken gar nicht an technische Grenzen oder Fragen, sondern bleiben bei den Emissionsfrage stehen.

Der nächste Punkt: alle reden über "soziale Gerechtigkeit", aber nur wenige haben eine konsistente Vorstellung davon, was sozial gerecht sei. Nicht selten ergeben sich hier Zustimmungen nur über einen Scheinkopnens. Selbst Absolutismus läßt sich als "sozial gerecht" darstellen, vergleiche Macchiavelli. Es wird gerne ignoriert, daß "soziale Gerechtigkeit" nur eine Worthülse ist, solange "sozial" und "gerecht" nicht konkretisiert wurde, beides sind relative und damit subjektiv definierte Begriffe.

Wo ist hier die Kompetenz des Einzelnen? Oder alleine hier in diesem Thread. Wer hat hier erkannt, daß es sich um ein singuläres Zitat von Joseph II. handelte? Kompetenz beinhaltet auch, daß einem solche Fehler nicht unterlaufen. Solange mehrheitlich, jetzt ab vom Kontext hin zum Prinzip, Antworten wie hier zu erwarten stehen, kann man die fehlende Kompetenz sogar als belegt ansehen (nur wäre die Frage, ob Kompetenz in der Politik zu suchen sei, eine ähnlich spannende Frage).

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suziesext1239  08.03.2018, 17:43
@PolluxHH

Auf eine Frage der Form "Was bedeutet xy" antwortet der eine oder andere hier, was es seiner Auffassung nach bedeutet und was es impliziert. Es sind hier auch keine Sachinformationen von ihrer Bewertung und Kommentierung zu trennen. Schulmeisterliches, apodiktisches Abtadeln seiner Mitmenschen ist auch lediglich eine mögliche Form der Meinungskundgebung, die ich meinerseits zu tolerieren durchaus die seelische und intellektuelle Kraft habe.

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Das das Interesse des Volks beim Treffen politischer Entscheidungen zu berücksichtigen ist, es aber aus der Politik herauszuhalten wir.

Mehr oder weniger nach einem gedachten Grundsatz: "Das Volk hat legitime Interessen, denen der Regent Zuzugarbeiten hat, ist aber selbst kein politisch mündiges Subjekt und hat somit in der Politik nichts verloren."


PolluxHH  08.03.2018, 08:02

Es wird deutlich, wenn man den Satz mit der Politik Joseph II. (!) [NICHT Friedrich II.] verbindet, der auch gegenüber dem Papst Pius VI. auf dessen Besuch in Österreich 1782 sagte, daß ihn eine innere Stimme vor Irrtümern bewahre.

Joseph II. fiel es schwer, Kompetenzen abzugeben und zu delegieren. Auf der andewren Seite aber führte er in seiner Zeit der Alleinregentschaft nach 1780 Reformen durch, welche tiefgreifend und notwendig waren, um den Anschluß nicht zu verlieren, aber im Volk unbeliebt.

Damit ist einer andere Frage, ob mit einer anderen Einstellung überhaupt der Anschluß geschafft worden wäre.

Für seine Einstellung ist auch bezeichnend, daß er 1786 sagte:

"darum obliegt es dem Monarchen, die Rechte seiner Untertanen festzusetzen und ihre Handlungen so zu leiten, dass sie dem allgemeinen Wohle und dem der Einzelnen zum Besten gereichen."

Es sei auf den Biographen Derek Beales verwiesen, der eine recht moderne Sicht auf den Kaiser vertritt.

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