Warum sind Geschwister zu 50% genetisch identisch?

8 Antworten

Du weißt sicher, dass Ei- und Samenzellen einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz haben. In der Meiose werden also die homologen Chromosomen getrennt, aus diploid (2n) wird haploid (n).

Es gibt 2^23 = 8, 3... Millionen verschiedene Möglichkeiten, wie sich die homologen Chromosomen trennen und damit gibt es auch 8 Millionen mögliche verschieden Eizellen der Mutter und 8 Millionen vom Vater. Welche davon zur Befruchtung gelangen ist Zufall.

Es ist also möglich, dass Geschwister gar keine gemeinsamen Anlagen ihrer beiden Eltern erhalten, oder 100%, was recht unwahrscheinlich ist. 50% sind ein Durchschnittswert. Mit den Eltern sind die Kinder zu je 50% genetisch identisch.

Weil Kinder nicht immer denselben Satz an Chromosomen von den Eltern erhalten. Sonst wären alle Kinder identisch. Weiterhin ist Mutation eine treibende Kraft der Evolution. Daher zweifle ich schon an der Aussage, dass Kinder mit jedem Elternteil jeweils zu 50% identisch sind.


SchakKlusoh  30.08.2022, 11:49

Sonst wären alle Kinder identisch.

Nicht alle Spermien und Eier enthalten identische Chromosomen. Es gibt immer leichte Abweichungen.

Lies bitte meine Antwort.

ohwehohach  30.08.2022, 11:52
@SchakKlusoh
Nicht alle Spermien und Eier enthalten identische Chromosomen.

Steht doch auch in meinem ersten Satz.

SchakKlusoh  30.08.2022, 11:54
@ohwehohach

Errr, nein. Da steht: "dieselben Gene".

Aber wenn Du es so meinst, ist das okay.

Kinder haben definitiv keine vollständige genetische Übereinstimmung mit ihren Eltern.

Das geht ja auch nicht, weil von jedem Elternteil nur die Hälfte der genetischen Information übernommen wird, ansonsten würde das Genom ja immer länger. Das heißt, die Hälfte der genetischen Information der Mutter "fällt weg" und die Hälfte der genetischen Information vom Vater "fällt weg". Was genau "wegfällt", ist zufällig. Zudem gibt es Merkmale, die dominant oder rezessiv vererbt werden, sodass selbst Merkmale, die in beiden Elternteilen nicht zur Ausprägung kamen (weil sie rezessiv waren) beim Kind zur Ausprägung kommen können, wenn die jeweils dominanten Teile der Eltern "herausgefallen sind".

Das passiert übrigens nicht nur durch Auswahl einer Untermenge der Chromosome, sondern es gibt bei der meiotischen Zellteilung noch das so genannte "Crossing-Over", bei dem verschiedene Information von unterschiedlichen (homologen) Chromosomen gelesen werden.

Außerdem gibt es bei der Replikation von Erbinformation auch immer zufällige Fehler und Mutationen.


Mangekyo71 
Beitragsersteller
 30.08.2022, 11:44

Also heißt das, dass in den 50% Übereinstimmung mit einem Elternteil eigentlich beide Elternteile heißt? Woher kommen die anderen 50%?

NoHumanBeing  30.08.2022, 11:48
@Mangekyo71

Wir müssten erstmal definieren, was "50 % Übereinstimmung" heißt. Selbst wenn ich zwei Menschen zufällig aus der Weltbevölkerung wähle, haben die vermutlich bereits > 99 % der Gensequenz gleich, schlicht weil es beides Menschen sind. Von daher verstehe ich die Frage schon nicht so ganz.

Theoretisch könnten Geschwister sowohl 0% als auch 100% ihrer geerbten Anlagen gemeinsam haben.

Du bekommst 50% der Gene vom Vater und 50% der Gene der Mutter. Wenn dein Geschwisterkind zufällig genau die Anderen 50% der Gene von Mutter und Vater bekommt, habt ihr 0% gemeinsam. Ihr müsstet beide den gleichen Teil des elterlichen Genoms bekommen um 100% gemeinsam zu haben.

Beide Fälle sind in der Realität so unwahrscheinlich dass sie eigentlich nicht vorkommen.


SchakKlusoh  30.08.2022, 11:55
Du bekommst 50% der Gene vom Vater und 50% der Gene der Mutter.

Ich verstehe, was Du meinst, aber so wie Du es schreibst, ist es falsch.

JayCeD  30.08.2022, 11:58
@SchakKlusoh

Ja es es geht um genau zu sein nur um die unter 1% der individuellen Gene. die 99,X% die wir alle sowie gemeinsam haben, lassen wir der Einfachheit halber mal unter den Tisch fallen.

Kinder haben nicht 100 % genetische Übereinstimmung mit den Eltern, sondern ebenfalls nur 50 %!

Normale Körperzellen haben einen doppelten (diploiden) Chromosomensatz. Von jedem Chromosom gibt es in einer Zelle also ein homologes Chromosomenpaar. Chromosom 1 gibt es zwei Mal, Chromosom 2 zwei Mal, Chromosom 3 zwei Mal, ... Chromosom 22 gibt es zwei Mal. Eine Ausnahme stellt das Geschlechtschromosomenpaar (Gonosomenpaar) dar: Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer haben statt eines zweiten X- ein Y-Chromosom. Das macht beim Menschen im diploiden Chromosomensatz also insgesamt 46 Chromosomen in 22 Autosomen- und einem Gonosomenpaar. Man schreibt dies auch als 2n = 46.

Bei der Befruchtung ergibt sich daraus ein Problem. Wären die Keim- oder Geschlechtszellen (Gameten) diploid, besäße die befruchtete Eizelle (Zygote) plötzlich einen vierfachen (tetraploiden) Chromosomensatz. Es gäbe dann von Chromosom 1 die beiden väterlichen Chromosomen und die beiden mütterlichen, insgesamt somit vier Chromosomen 1. Ebenso gäbe es dann vier Mal Chromosom 2, vier Mal Chromosom 3 usw. Mit jeder weiteren Generation würde sich die Anzahl der Chromosomensätze verdoppeln.

Damit das nicht passiert, werden die Gameten auf einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz halbiert. Diesen Vorgang nennt man Reduktionsteilung oder Meiose. Statt, wie normalerweise bei der mitotischen Zellteilung üblich, von jedem der beiden (Zweichromatid-)Chromosomen eines homologen Paares jeweils eine Kopie (ein Einchromatidchromosom) auf jede Tochterzelle zu übertragen, wird bei der Meiose nur je eines der (Zweichromatid-)Chromosomen eines jeden Paares auf eine der beiden Tochterzellen übertragen, also entweder das eine oder das andere.

Benennen wir zum besseren Verständnis die beiden Chromosomen des Chromosomenpaars 1 mit Chromosom 1p und mit Chromosom 1m. Dann erhält in der Meiose eine der beiden Tochterzellen Chromosom 1p, die andere Tochterzelle erhält das andere Chromosom, also 1b. Das gilt ebenso für Chromosom 2p und Chromosom 2m. Noch besser verständlich wird es bei der Bildung der Spermien beim Geschlechtschromosomenpaar: eine der Tochterzellen erhält das X-Chromosom (aus dieser Tochterzelle werden später durch eine weitere, diesmal mitotische Teilung zwei Spermien mit einem X-Chromosom), die andere erhält das Y-Chromosom (daraus entstehen später zwei "Y-Spermien). Der Chromosomensatz der Gameten beträgt demnach nur 1n = 23. Bei der Befruchtung verschmelzen nun zwei haploide Gameten (nämlich Eizelle und Spermium), sodass in der Zygote wieder ein "normaler" diploider Chromosomensatz entsteht (1n = 23 + 1n = 23 -> 2n = 46).

Welches Chromosom eines Paares (Chromosom 1p oder Chromosom 1m, X- oder Y-Chromosom usw.) auf welche Tochterzelle verteilt wird, geschieht dabei rein zufällig. Das passiert bei jedem Chromosomenpaar unabhängig von den anderen. Wenn also eine Tochterzelle Chromosom 1p erbt, muss sie nicht auch Chromosom 2p erben, sie kann auch Chromosom 2m erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Tochterzelle ein bestimmtes der beiden Chromosomen (z. B. Chromosom 1m) erhält, beträgt demnach 50 %. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie das andere Chromosom (Chromosom 1p) erhält, ebenfalls bei 50 %.

Das heißt nun also: ein Vater vererbt nur die Hälfte seiner (ursprünglich diploiden) Chromosomen und damit nur die Hälfte seiner Gene an sein Kind. Das gleiche gilt für die Mutter. Das Genom eines jeden von uns besteht somit zur Hälfte aus väterlichen Genen und zur Hälfte aus mütterlichen Genen. Das heißt, dass jeder von uns nur 50 % seiner Gene mit einem Elter (z. B. dem Vater) teilt, die andere Hälfte ist verschieden (denn sie stammte ja vom anderen Elter, d. h. der Mutter). Genauso vererbt ein Elter nur die Hälfte seiner Gene an eines seiner Kinder, während es die andere Hälfte nicht vererbt (Meiose!).

Die Wahrscheinlichkeit, mit der zwei miteinander verwandte Personen ein bestimmtes Gen durch eine gemeinsame Abstammung miteinander teilen, lässt sich berechnen. Sie wird auch Verwandtschaftskoeffizient (r) genannt. Man kann ihn auch so interpretieren, dass er angibt, wie viele Gene zwei Verwandte miteinander gemeinsam haben. Zwischen einem Elter und seinem Kind beträgt er 0.5 (die Hälfte der Gene stimmen überein). Ein r = 0.25 bedeutet demnach, dass 25 % der Gene übereinstimmen usw. Wenn r = 0 ist, besteht gar keine Verwandtschaft, ein r = 1.0 bedeutet vollständige Übereinstimmung (d. h. einen r von 1.0 kann man nur mit sich selbst haben oder mit einem eineiigen Zwilling). Wie man r ganz allgemein berechnen kann, schauen wir uns später an.

Wie sieht es mit r zwischen zwei Geschwistern aus? Erinnern wir uns: welches Chromosom eines Paares bei der Meiose auf eine Tochterzelle verteilt wird, geschieht zufällig, voneinander unabhängig (ungekoppelt) und mit 50-%iger Wahrscheinlichkeit. Dadurch wird ein bestimmtes Chromosom (z. B. das Chromosom 1p) mit 25-%iger Wahrscheinlichkeit auf beide Nachkommen des Elters vererbt. Von den 50 % der väterlicherseits geerbten Gene werden deshalb die Hälfte der Gene (also 25 %) von den beiden Geschwistern geteilt, während die andere Hälfte nicht übereinstimmen wird (wohl aber natürlich mit dem Vater). Auf der Seite der mütterlicherseits geerbten Gene ist es das gleiche, sodass 25 % der mütterlichen Gene beide Geschwister erben werden. In Summe heißt das, dass zwei Geschwister 25 % der väterlichen und 25 % der mütterlichen Gene gemeinsam haben, zusammen also 50 %. Damit ist r zwischen Geschwistern genauso groß wie zwischen einem Kind und seinem Elter, nämlich 0.5.

Ganz allgemein lässt sich r berechnen nach folgender Formel:

r = Σ(0.5)^g.

Das bedeutet, man muss für jede mögliche verwandtschaftliche Verbindung die Wahrscheinlichkeit, dass beide ein Gen durch gemeinsame Abstammung geerbt haben, ermitteln und dann die Wahrscheinlichkeiten aller möglichen Verbindungen aufsummieren. Die Zahl in der Klammer gibt an, was uns schon bekannt ist: nämlich die 50:50-Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Gen während der Meiose auf einen Gameten übertragen wird. Der Exponent g ist nichts anderes als die Anzahl der Generationen, die im Stammbaum zwischen den Individuen liegt.

Für Eltern-Kind ergibt es sich so: zwischen beiden liegt eine Generation und es gibt nur einen Weg der verwandtschaftlichen Verbindung. Für g setzen wir also 1 ein und wir erhalten:

r = (0.5)^1 = 0.5.

Also genau das, was wir erwarten.

Und Geschwister? Hier gibt es zwei mögliche Wege der Verbindung, nämlich einmal über den Vater und einmal über die Mutter.

Weg über den Vater: hier liegen zwei Generationen zwischen den Geschwistern, nämlich von Geschwister 1 eine Generatation zurück zum Vater und zu diesem wieder eine Generation vor zu Geschwister 2. Wir müssen also für g in die Formel 2 einsetzen. und erhalten (0.5)^2 = 0.25.

Weg über die Mutter: hier liegen ebenfalls zwei Generationen zwischen den Geschwistern - eine von Geschwister 1 zur Mutter zurück und von dieser eine vor zu Geschwister 2. Wir müssen ebenfalls für g in die Formel 2 einsetzen. Das ergibt ebenfalls (0.5)^2 = 0.25.

Nun müssen wir die Wahrscheinlichkeiten für beide Wege nur noch addieren. Wir erhalten also:

r = (0.5)^2 + (0.5)^2 = 0.25 + 0.25 = 0.5.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig