Warum lehnen so viele Pädagogen Grimms Märchen ab?

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Ich als Pädagoge bin auch der Meinung, dass diese Volksmärchen auch sehr brutale Inhalte besitzen, lehne sie aber dennoch nicht ab...

...So seltsam es klingt: Die Kinder können beim Hören dieser Märchen zwischen Realität und Fiktion unterscheiden... Ausserdem geht es ja nicht nur um die nackte Handlungsstruktur dieser Märchen, denn Volksmärchen vermitteln weit tiefgreifendere Gesellschaftswerte, die für die Sozialisation des Kindes eher sinnvoll sein werden...


Canimsin20  07.03.2020, 21:19

Ja find ich auch. Zbs bei rotkäppchens märchen steht das wort Dirne

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Mir scheint auch, dass Pädagogen, die Märchen ablehnen, sich nicht wirklich damit befasst haben. Bruno Bettelheim gibt in "Kinder brauchen Märchen" ein paar Antworten darauf, warum heutzutage Märchen abgelehnt werden.

  • weil kein "wahrhaftiges" Leben geschildert wird
  • weil man Kinder "anlügen" könnte
  • weil Kinder sich in der Phantasiewelt verlieren könnten
  • weil Märchen die in Zügen sowieso schon gewalttätigen, angstbesessenen, destruktiven und sogar sadistischen Phantasien der Kinder fördern würden.

Bettelheim sagt aber (grob): Dass Kinder eine ganz andere Denk-Welt haben und rationale Erwachsenen-Antworten oder -Erklärungen für sie oft keine Antworten sind, weil sie für ihr Gefühl nichts mit ihrem Problem zu tun haben. Und dass Kinder gerade in den Märchen ihre Antworten und Leitbilder finden.

Dazu passend, aber in eigener Sache: Ich bin gerade dabei, als "Mutter" die vollständige Sammlung der Grimm´schen Märchen zu lesen. Paralles versuche ich, die passenden Erläuterungen von Bettelheim "Kinder brauchen Märchen" zu lesen, muss aber (bislang) feststellen,dass er sich hauptsächlich auf die "harmloseren" Grausamkeiten bezieht. Ich habe bei ihm nur eins der "blutigen" Märchen gefunden, und hier zielt die Erläuterung auf die Menstruation und Sexualität ab; warum aber werden Kinder gekocht, zerstückelt, aufgefressen - und ab welchem Alter liest man diese Geschichten den Kindern vor???? Welche Probleme der Kinder werden hier vom Märchen "angesprochen"????

weil sie sich mit diesem Thema noch nicht eingehend beschäftigt haben. Meistens sieht man, dass ablehnende Haltungen doch recht unreflektiert sind und mehr aus dem Bauch heraus eingenommen werden. Sicher sind einige Märchen recht grausam, aber das Leben ist auch oft grausam und Kinder verarbeiten die Grausamkeiten des Lebens besser durch die Märchen, die ja (fast) immer ein gutes Ende haben. Viele sagen vielleicht, die Märchen wären nicht zeitgemäss, aber ein Märchen spricht oft durch metaphern, die zeitlos sind und vom Kind auf einer unbewussten Ebene verstanden werden. Ihr werdet sagen, für ein gutbehütetes Kind ist das Leben nicht grausam, aber kinder sind sehr empfindsam und schon ein zequetschter Marienkäfer kann ein Kind zu Tränen rühren. Sicher muss man da auch nach Alter differenzieren. Zu dem Thema gibt es auch viele gute Bücher, z.B. auch vom berühmten Pädagogen bruno Bettelheim "Kinder brauchen Märchen".

Ich habe als Kind auch sämtliche Grimm-Märchen gelesen, Hörspiele gehört etc. und es hat mir definitiv nicht geschadet. Man kann doch Kinder nicht bis ins Jugendalter "in Watte einpacken", das schadet glaube ich mehr, als sich ab und an mal ein wenig bei einem Märchen zu gruseln, ich empfand das immer als sehr angenehm, und mir war auch als 5-jähriger schon klar, dass es eben nur Märchen sind.

Seltsamerweise sind mir die Grimm´schen Märchen auch bis heute im Gedächtnis geblieben, andere hingegen, in denen immer alle happy und sowieso alles Friede-Freude-Eierkuchen ist, nicht. Wieso auch?

Ich finde die Behauptung zu wissen, dass Kinder Märchen BRAUCHEN (...zum überleben?) anmaßend. Klar können Märchen schön sein, die Phantasie beflügeln aber unsere Kultur ist sooo g e i l auf Angst und Schmerz (von Tom und Jerry bis Schweigen der Lämmer), das es sogar Grimmsche Märchen für ein Kulturgut hält. Ich halte sie für den Vorläufer von Horrorfilmen. "ja, aber die Welt /das Leben ist doch auch oft grausam" - genau, und so lange wir diese seelische Deformation unserer und vorheriger Generationen weiterreichen, wird sie es auch bleiben. Kinder brauchen Empathie - behaupte ich mal.