Warum kämpfte man in Mittelalter nicht in geschlossene Formationen, wie in der Antike bei den Römern?

5 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
Du irrst dich in deiner Frage!

Schön, dass du dich für das Mittelalter interessierst. Doch bist du einem Irrtum aufgesessen. Denn selbstverständlich hat man auch im Mittelalter in "geschlossenen Formationen" gekämpft, und zwar auf verschiedene Weise.

Vorab:
Bitte beachte, dass das Mittelalter eine Zeitspanne von 1000 Jahren umfasst und vom Ende der Antike um etwa 500 bis etwa 1500 andauerte. In diesen Jahrhunderten haben sich die Kampfweisen, die Waffen und Taktiken mehr als einmal verändert, so dass eine schnelle Antwort nicht möglich ist.

Geschlossene Formationen gab es jedoch während der ganzen Zeit, ob nun der klassische Schildwall im Frühmittelalter, die konzentrierten Angriffe zu Pferd (Panzerreiter) und Mannreihen im Hochmittelalter, die Wagenburgtaktiken der Husiten im späten Hochmittelalter oder die Söldnerheere im Spätmittelalter, die Angriffsspitzen bei der Eroberungen von befestigten Stellungen / Wehranlagen.

Zu keiner Zeit sind die Kämpfer ziellos oder ungeordnet umhergelaufen und haben sich als wilder Haufen durch die Felder gekämpft! Das ist Film und sieht sicher toll aus, das war aber niemals Realität!

Im Gegenteil musst du wissen, dass die wirklich schlimmen Todeszahlen einer Schlacht in den allermeisten Fällen (quer durch die Jahrhunderte) stets dann zustande kamen, wenn eine Seite ihre Formation auflöste und die Kämpfer in wilder Flucht versuchten ihr Leben zu retten. Da begann das große Töten erst recht.

Formationen und ein geordnetes Vorgehen in einer Schlacht sind also seit jeher Grundvorraussetzungen um überhaupt eine Gewinnchance zu haben. Und das ist auch heute noch so - ein geordnetes, geplantes Vorgehen ist schlachtentscheidend.

Dies gilt auch dann, wenn die meisten Kämpfer auf den Schlachtfeldern des Mittelalters (Kriegerkasten, wie Ritter oder professionelle Söldner im Spätmittelalter einmal ausgenommen) keine Berufssoldaten wie die Legionäre waren, die sich natürlich in ihrer 20jährigen Dienstzeit (oft auch erheblich länger), eine eigene Professionalität angeignet hatten.

Richtig ist:

Die Zeit eines großen, stehenden Heeres war nach dem Niedergang des Römischen Reiches erst einmal vorüber. Die Gründe dafür sind wie immer vielschichtig. Zunächst waren die politischen Strukturen viel zu klein, als dass sich ein Volk den Luxus hätte leisten können, wesentliche Teile der arbeitsfähigen Bevölkerung von der überlebenswichtigen Landwirtschaft fernhalten zu können. Zudem diese untätigen Soldaten ja auch noch versorgt werden müssen. Doch nicht nur die kleinen Reiche, auch die finanziellen Mittel waren dafür einfach nicht vorhanden - das römische Reich konnte sich ja aus allen Winkeln der damaligen Welt bedienen. Diese Möglichkeit hatte ein Wikingerjarl oder auch ein Clodewig, ein Heinrich der Löwe nicht.

Aber stattdessen wurde ja das Lehenswesen erfunden, welches nicht nur die Ordnung, Verwaltung und das Regieren von großen Gebieten ermöglichte, sondern auch im Kriegsfalle die nötigen Ressourcen bereitstellen konnte - aufgrund von gegenseitigen Verpflichtungen aller Beteiligten vom König bis zum Bauern.

Auch war die Geldwirtschaft und die Bürokratie im Frühmittelalter bis in das Hochmittelalter längst nicht so, wie davor. Es gab Geld, aber die Wirtschaft basierte eher auf den Tauschhandel, Edelmetalle in Form von Münzen, gab es, spielten aber eine weitaus geringere Rolle als man sich heute so vorstellen kann. Es war alles kleinteiliger, lokaler und statt in der Hand einer gigantischen Bürokratie, lag es nun in den Händen vieler Beteiligter.

Ich hoffe, ich konnte dir ein klein wenig weiterhelfen.


Mickey204 
Beitragsersteller
 07.08.2023, 22:28

Wenn du mehr Zeit hast, kannst mir gerne mehr darüber schreiben (-:

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Eisenwind  08.08.2023, 06:35
@Mickey204

Danke dir. Mache ich gern, sofern du Fragen hast beantworte ich die gern.

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Mickey204 
Beitragsersteller
 07.08.2023, 22:28

Affengeiler Antwort!!!!

Danke!

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Im Endeffekt kennen wir nur die Informationen aus den Quellen, das Warum bleibt aber immer eine These, wo es Historiker gibt , die sich der einen oder der anderen anschließen. Die einfachste These ist wohl, dass es aufgrund der nicht einheitlichen Ausbildung der betreffenden Menschen (man bedenke das Vasallentum oder das Volksaufgebot) eben einfacher oder gar nicht möglich war. Zuletzt kann es auch die Geographie des Schlachtfeldes oder die gegnerische Taktik sein, die dazu führte, dass man zu einer offenen Formation gelangte.

Schnelle Info: https://de.quora.com/Welche-Formationen-und-Taktiken-hat-man-eigentlich-bei-mittelalterlichen-Armeen-benutzt

Bei Interesse:

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kriegf%C3%BChrung_(Sp%C3%A4tmittelalter)

https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/163349/1/20060087.pdf

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Germanistik & Geschichte

Weil sich die Waffentechnik geändert hatte. Gegen Armbrüste und Bögen waren enge Formationen von Vorteil, weil man dann Schildwälle errichten konnte, die den Bolzen und Pfeilen viel von ihrer Wirksamkeit nahmen. Doch ab dem 14. Jahrhundert kamen die ersten Schwarzpulverwaffen auf (frühe Kanonen und Arkebusen), und obwohl diese nicht sehr zielgenau waren: für diese waren enge Formationen ein "gefundenes Fressen". Denn man musste nicht sehr genau zielen, um bei engen Formationen trotzdem auf einen Schlag gleich eine halbe oder ganze Kompanie ausschalten zu können. Deshalb verzichtete man nach den ersten Erfahrungen mit diesen neuartigen Waffen auf enge Formationen.


Mikaru808  03.08.2023, 10:15

Das ist aber schon sehr spätes Mittelalter, Schießpulver ist ja dennoch eine Erfindung die vor allem die renessaince geprägt hatte.

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Es hat sich herausgestellt, dass geschlossene Formationen nicht wirklich effektiv sind. Sie sind ein gutes Ziel für gelockerte Formationen, die jedoch ein schlechtes Ziel für geschlossene Formationen sind.

Weil die koordinierte Kriegführung in geschlossenen Verbänden ein sehr hohes Trainingsniveau erfordert, was nur von Berufssoldaten zu erreichen ist.

Soldaten im Mittelalter waren aber oft im Kriegsfall zwangsverpflichtete Bauernsöhne, keine Berufssoldaten, denn das wäre viel zu teuer gewesen.

Im Mittelalter verfügte man nicht über so großzügige Mittel wie im antiken Rom.