Warum hören sich alte Radios gut & klangvoll an?

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Das ist einfach der Zeitgeist.

Sooo sehr sind die Röhren gar nicht an dem Röhrenradio-Klang beteiligt.

Die "Seele" eines Röhrenradios ist eher im Lautsprecher und dem Schaltungsdesign. Damals konnte man noch nicht so "perfekte" Lautsprecher bauen, wie heute.

Diese "Seele" besteht aus: Man nimmt irgendeinen* eher tief abgestimmten 10-20cm großen Breitbandlautsprecher (gerne mit ovaler Form), macht ein entsprechendes Loch in eine dicke Holzplatte und baut daraus eine Schallwand.

Diese Schallwand wird, nachdem sie noch mit Stoff umspannt wurde, von hinten in den massiven Korpus des Radios eingefügt und mit diesem frontseitig verschraubt.

Dann kommt die (wegen der Lüftung idr. löchrige) Rückplatte hinten drauf.

Testlauf -> Wie klingt das? Gut? Dann lassen wir es so. Dumpf? Dann nehmen wir noch irgendeinen* Hochtöner dazu. Ansonsten nochmal von vorne.

*=Es blieb einem nichts anderes übrig, weil die Technik jung war und man so Sachen, wie optimale Gehäuse, Bassreflex, Dämmmwolle etc. überhaupt noch nicht kannte.

Damit mehr Wumms aus dem eher mikerigen Lautsprecher kommt, kommen noch ein kräftiger Bassboost (den kannte man schon) dazu.

Man hat alles getan, um aus ein paar Watt Verstärkerleistung möglichst viel rauszuholen. die Technik war neu und es wurde noch viel experimentiert.

Und durch dieses "Irgendwie" klingt jedes Radio einzigartig. Wie an Autoradios heute noch zu finden, gab es bereits damals so nichtssagende Klangfarben, wie "Jazz", "Klassik", "Rock" usw. Die Tasten haben einfach irgendwelche Spulen und Kondensatoren zu- oder abgeschaltet. Manche hatten sogar ein "'Klangregister" (=Equalizer) oder einen "Ferndirigenten" (=Fernbedienung).

Und dann gab es noch was, was es heute gar nicht mehr gibt: Gehörrichtige Lautstärkeregelung. Diese besteht daraus, dass ein kräftiger Bassboost erzeugt wird, der aber zurückgenommen wird, je lauter man dreht.

Was auch nicht zu überschätzen ist: Mono! Stereo bringt nur dann Vorteile, wenn das Stereodreieck stimmt. Steht das Radio dagegen in der Ecke, ist es besser, wenn es nur einen Lautsprecher statt zwei besitzt, da sich zu nah beieinander befindende Lautsprecherboxen gegenseitig beeinflussen (Radiorecorder-Klang).

Nüchtern betrachtet klingen diese Radios völlig falsch, verfärbt und mit viel zu starkem Bassboost, der den Lautsprecher scheppern lässt, was wir als "warm" und "satt" empfinden - Obwohl die Verstärkerleistung stark begrenzt war und sowas wie Tiefbass unbekannt war.

Heutige Lautsprecher sind exakt berechnet und aufeinander abgestimmt. In den dünnen Plastikdöschen ist keine "Seele" mehr drin. Darauf abgespielt wird idr. gleichgeschaltete Einheits-Chartmusik, die mehr aus Digitalfiltern als aus natürlichen Tönen besteht.

Gehörrichtige Lautstärkeregelung? Das kennt keiner mehr. Diese ganzen Bluetooth-Bierdosen und Minispeakerchen würden dabei sofort in Rauch aufgehen. Eine technische lineare Frequenzwiedergabe ist heutzutage strebenswerter als eine unserem (nichtlinearen) Gehör angepasste.

Entsprechend klanglos flach ist das Hörerlebnis dann.

Eigentlich müsste man das damalige Röhrenradio mit einer guten Stereoanlage vergleichen. Aber letzteres nutzt so gut wie keiner mehr. Ist halt der Zeitgeist.

Woher ich das weiß:Hobby

Es liegt an dem Konstruktionsprinzip.

Die Lautsprecher haben einen hohen Wirkungsgrad, aber auch Kennschalldruck. Ausgelegt sind diese Lautsprecher für große Volumen, haben also einen Qts von über 1. Das erkennt man meistens an der gelochten Papprückwand des Radiogehäuses.

Und der Frequenzgang geht los im Bereich zwischen 50 und 90 Hz und geht bis maximal 15000 Hz.

Dazu kommen noch solche Dinge wie "Gehörrichtige Lautstärkeregelung" und die "Gegenkopplung".

Außerdem sind die Frequenzgänge der Lautsprecher so angepasst, dass es möglichst angenehm klingt.

Nur ein kleiner Teil kommt von den Röhren bzw. dem Ausgangsübertrager selbst.

Weißt du eigentlich, was so ein Radio damals zu DM Zeiten gekostet hat?

Ab 400 DM aufwärts, je mehr Luxus daran und darin verbaut wurde, um so teurer wurde es.

Der Durchschnittsverdienst eines Handwerkers war 1956 ungefähr 370 DM im Monat. In Euro wäre das ein Monatslohn von 185 €.

Das Radio hätte also ab 200€ aufwärts gekostet.

Woher ich das weiß:Hobby

Alleine der verbaute Lautsprecher von dem alten Radio dürfte um Längen besser sein. Dazu kommt das schwere Holzgehäuse und der Röhrenverstärker, da spielen viele Faktoren rein.

Woher ich das weiß:Hobby – Ich bin Musiker und beschäftige mich viel mit Tontechnik

ThomasM1982X  13.04.2023, 02:48

Das Holz des Gehäuses und der Schallwand besteht zu 98% auch nur aus furniertem Pressspan.

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Das liegt daran, dass diese Geräte mit Röhrenverstärkern arbeiten und somit sehr viel linearer sind. Weiterhin ist ihr Klang voluminöser.

Gute Audioverstärker sind Röhrenverstärker... und die kauft man nicht zuletzt auch nach Gewicht: Je schwerer, desto größer der Übertrager und desto besser der Klang... weil mehr Wicklungen drin sind.

Wenn das alte Radio deutlich teurer war ist es klar das es besser klingt als der 10€ billig Lautsprecher.