Warum gibt es kein gerechtes Schulsystem für "ruhige und schüchterne" Schüler?
Meine Tochter besucht die 6. Klasse an einem hessischen Gymnasium. Schon seit der Grundschulzeit müssen wir uns von den Lehrern sagen lassen, dass sie freiwillig im Unterricht den Mund nicht aufmacht. Ihre schriftlichen Leistungen sind befriedigend bis sehr gut. Sie hat derzeit in der 6. Klasse ein einziges Hauptfach, in dem sie dieses Jahr die Kurve nicht bekommen hat. Die 5 im Zeugnis ist sicher. Alle anderen Fächer liegen (schriftlich!) bei 1-2 und 3. Durch ihre mangelnde mündliche Mitarbeit hat sie in fast jedem Fach eine ganze Note schlechter bekommen, in den Sprachen sogar 2 Noten runter! Würde ich nach den schriftlichen Noten einen Zeugnissnotendurchschnitt geben müssen, würde dieser bei 10 Unterrichtsfächern bei 2,2 liegen. Nun kommt aber die mündliche Note dazu und schwupps sind wir bei einem Durchschnitt von 2,9. Besonders fatal, da nun ihre schriftlich sicheren Hauptfächer von Note 2 und 3+, die als Ausgleich zur 5 im Hauptfach herhalten müssen, nun mit 3 und 4- benotet wurden!!!! Die mündliche Note machts möglich!!! Ergo - meine Tochter muss - obwohl sie den Unterrichtsstoff (bis auf 1 Fach) verstanden hat, schriftlich abgeliefert hat und kann, das Schuljahr wegen "mangelhafter mündlicher Mitarbeit" wiederholen! Ich hielt das bis gestern alles für einen schlechten Witz!!!!! Zudem bekam ich keinerlei Info seitens der Schule, dass die Versetzung meiner Tochter in irgendeiner Weise gefährdet sei!
Ich kann den Charakter meiner Kindes nicht ändern. Sie ist schüchtern, alles andere als selbstbewusst, ruhig und sehr zurückhaltend. Sie wird freiwillig nie etwas sagen. Nun wird es noch viel schlimmer werden, da sie aus ihrem sozialen Umfeld gerissen wird und in eine fremde Klasse gesteckt wird. Für sie ist eine Kontinuität des Umfeldes unheimlich wichtig. Gerade fing sie an, sich sicher zu fühlen und in einigen Fächern sogar "freiwillig" die Hand zu heben. Als Dank für eine gute schrifliche Leistung darf sie nun die Klasse wiederholen. Was soll das bitte für einen Sinn haben????? Das war zu meiner Schulzeit schon genauso. ich weiß, wovon ich rede, ich habe auch nie was gesagt. Allerdings habe ich es immer auf eine 4- geschafft - wurde also mit einem wesentlich schlechteren Durchschnitt immer brav versetzt und habe "nur" ein Abi mit einer 3 vor dem Komma gemacht. Mein Studium habe ich übrigens mit 1 beendet. Da gab es lediglich am Ende eine mündliche Prüfung, mündliche Mitarbeit hat niemanden interessiert......
7 Antworten
Vielleicht wäre die Realschule besser für deine Tochter? Wobei das natürlich nichts an der Schüchternheit ändert..
Ich war als Kind auch sehr schüchtern und mir hat es sehr gut getan mich mit Pferden zu beschäftigen und zu reiten. Vielleicht wäre das auch was für deine Tochter? Oder ein Sportverein? Dort käme sie durch die körperliche Betätigung zusammen mit anderen Kindern vielleicht ein wenig aus sich heraus.
LG und alles Gute für deine Kinder und dich!
Notenbild ist mir nicht ganz klar. Eine 5 im Hauptfach kann mit einer 3 in einem anderen Hauptfach ausgeglichen werden (wenn es keine weiteren 5er gibt). Stand die 5 schon im Halbjahreszeugnis? Sonst hätte eine Warnung erfolgen müssen.
Zur Bewertung mündlicher Leistungen: Wie soll die Note in einem nicht-schriftlichen Fach gegeben werden? In der Oberstufe wird auch in schriftlichen Fächern 50 50 gewertet. Bis spätestens dahin muss man über seine Schatten springen.
Das kenne ich genauso und noch schlimmer! Bei mir war es in einigen Fächern so, dass ich mich mündlich sehr gut beteiligt habe, aber am Ende jeder Lehrer meinte "ich kann dir nur eine 3 geben, weil du dich mündlich nicht so gut beteiligst". Inzwischen machen mich dir Lehrer so runter, das ivh garnix mehr sage. Bringt mir am Ende eh nichts.
Mündlich zählt aber nunmal meist 60%.
Im späteren Leben muss man auch auf Leute zugehen etc, deswegen ist dir mündliche mitarbeit wichtig. Nicht selten rührt mangelnde Mitarbeit nicht von der Schüchternheit her, sondern von der demotivation und unterfoderung im unterricht. Ich bisher hatte noch keine wirklich gute schule, bei der man wirklich was gelernt hat. Aber das ist nunmal unser system. Es hat Voraussetzungen und diese muss jeder Schüler erfüllen. In den meisten schulen ist für Individuen kein Platz. Selten hssbe ich erlebt, dass ein lehrer sagt, wer schüchtern ist, wird schriftlich mehr gewertet, wenn die Leistungen dort stimmen.
Wie will sie sich denn mal später bei einem Arbeitgeber vorstellen? Nichts sagen? Wenn man den Mund nicht auf bekommt wird es echt schwer! Es gibt auch Sprachtherapie für so etwas!
Das Schulsystem ist für alle gleich. Für jeden Schüler aufgrund einer als unveränderbar angenommenen Wesensart eine eigene Schulform zu entwickeln wäre eben das Gegenteil von gerecht.
"Da gab es lediglich am Ende eine mündliche Prüfung, mündliche Mitarbeit hat niemanden interessiert......" - Es geht hier aber um die Schule, und nicht um ein Studium.