Warum enthalten die Grundrechte im Grundgesetz so viele Ausnahmen und Widersprüche?

4 Antworten

Das sind Grundrechtsschranken, die die Anforderungen definieren, um in die Grundrechte einzugreifen. Voraussetzung ist immer ein Gesetz, es kann sein, dass das Gesetz darüber hinaus noch bestimmte Anforderungen erfüllen muss (qualifizierter Gesetzesvorbehalt). Nicht jeder Grundrechtseingriff ist jedoch auch rechtmäßig, auch wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Ein Grundrechtseingriff muss ein legitimes Ziel verfolgen, er muss geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen, er muss erforderlich sein, d.h. es darf kein milderes Mittel geben, mit dem das Ziel gleichermaßen effektiv erreicht werden kann und er muss verhältnismäßig im engeren Sinne sein, d.h. die Schwere des Eingriffs darf nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. Nicht nur das Gesetz, auf welchem der Grundrechtseingriff beruht, muss diese Voraussetzungen erfüllen, sondern auch die Rechtsanwendung im Einzelfall. Das unterliegt der gerichtlichen Kontrolle.


ideaguy 
Beitragsersteller
 27.06.2024, 23:16

Ich habe nicht den vollständigen Wortlaut angegeben, aber du hast Recht, dass da Regularien vorgegeben sind. Diese sind aber meiner Ansicht nach sehr schwach.

z.B. das Grundrechtseinschnitte "allgemein" sein müssen. Das macht für mich Artikel 5 sehr fragwürdig, weil "allgemein" schließt kein konkretes Werteverständnis vor. Man könnte also einfach ein Gesetz beschließen, dass man anderen nicht empfehlen darf, Tiere zu essen, weil ein Fitness-Coach empfohlen hat Delfine zu essen und dadurch sind viele Delfine gestorben.

Ich weiß, das ist ein dummes Beispiel, aber um ein reales Beispiel zu nennen, wusstest du, dass es einem nordkoreanischen Flüchtling verboten ist, die nordkoreanische Flagge zu verbrennen? Bloß weil in einem Protest die israelische Fahne verbrannt wurde.

Zudem scheint es beim Postgeheimnis überhaupt keinen qualifizierten Gesetzesvorbehalt zu geben, wenn ich den Wortlaut von Artikel 9 so lese. Ebenfalls Artikel 8, wobei als einzige Bediungung "unter freiem Himmel" gegeben ist.

Ich weiß nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, dass man in Deutschland keinen Wert auf Meinungsfreiheit legt. Ständig sind von Verschärfungen die Rede und ich denke, dadurch werden auch die Menschen in ihren radikalen Ansichten noch stärker verfestigt.

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Schestko  27.06.2024, 23:28
@ideaguy

Allgemein meint bei der Meinungsfreiheit, dass sich das Gesetz nicht gegen eine bestimmte Meinung richten darf. Die einzige Ausnahme, die das Bundesverfassungsgericht zugelassen hat, ist die Verherrlichung des Nationalsozialismus, die als Volksverhetzung strafbar ist. Auch bei nicht qualifiziertem Gesetzesvorbehalt gelten die von mir beschriebenen Voraussetzungen. Generell muss man natürlich sagen, dass sich die Bedeutung der Grundrechte aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Die Grundrechte sind ja sehr knapp gehalten, es war und ist die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, diese mit Leben zu füllen als „Hüter der Verfassung.“ Mit dem Instrument der Verfassungsbeschwerde gibt es in Deutschland eines der wirksamsten und auch generalpräventivsten Instrumente gegen individuelle Grundrechtsverletzungen und zum Grundrechtsschutz pbeehaupt. In den meisten Rechtsstaaten gibt es das in dieser Form nicht. Was die Meinungs- und Versammlungsfreiheit betrifft, so wurden diese Grundrechte vom Bundesverfassungsgericht immer extrem hochgehalten und im Zweifel hat es immer zu Gunsten dieser Grundrechte entschieden. Was die Versammlungsfreiheit betrifft, hat es einen Wandel in der Coronazeit gegeben, wobei das Bundesverfassungsgericht da generell versagt hat, aber für die Meinungsfreiheit gilt das nach wie vor. Dass das politisch anders gesehen wird, ist so, aber zumindest juristisch hat sich da nichts geändert.

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ideaguy 
Beitragsersteller
 27.06.2024, 23:52
@Schestko

Allen Ehren des Bundesverfassungsgerichts, aber wenn das Grundgesetz solche Restriktionen erlaubt, dann veranlasst es der Legislative, Einschränkungen in Aussicht zu stellt.

Dies schafft eine Verunsicherung, weshalb viele Menschen nicht das Risiko eingehen und deshalb schweigen. (ich muss zugeben, dass ich selber paar Ansichten habe, wo ich mir nicht sicher bin, ob ich dann deswegen verfolgt werden würde, deshalb sage ich diese nicht öffentlich).

Und das BverfG mag zwar sehr invasiv die Grundrechte zu schützen, aber wenn ich so im Ausland mich umhöre, dann hat man den Eindruck, dass deutsche Rede- und Versammlungsgesetze besonders restriktiv sind.

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Schestko  28.06.2024, 00:15
@ideaguy

Naja, Grundrechte können aber nicht unbeschränkt gelten, da sonst ja jeder tun und lassen könnte, was er will. So gut wie jedes Gesetz stellt ja einen Eingriff in irgendein Grundrecht dar. Dass Mord strafbar ist, ist zum Beispiel ein Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit. Zudem können verschiedene Grundrechte kollidieren. Auch Beleidigungen wären nicht strafbar, wenn man die Meinungsfreiheit zum Beispiel grenzenlos auslegen würde. Dass juristisch gesehen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit besonders restriktiv ist im Vergleich zum Ausland, ist glaube ich ein Trugschluss. In den angelsächsischen Staaten, die ja oft als Beispiel für vermeintlich viel weitergehende Meinungsfreiheit angeführt werden, gibt es längst irgendwelche Gesetze gegen „Hassrede“, wo alles , was nicht links/woke ist darunter gefasst werden kann und wo selbst das Benennen von Tatsachen als transfeindlich etc. bestraft werden kann. In rechts regierten Ländern wie Ungarn scheint die Situation nicht besser zu sein, auch wenn dort die Beschränkungen von aus einer anderen politischen Richtung kommen. Es ist natürlich Aufgabe der Gesellschaft, sich gegen autoritäre Tendenzen in Politik und Medien, die es zweifellos gibt, zur Wehr zu setzen. Die Justiz ist nur der letzte Rettungsanker und sie ist wirkungslos, wenn die gesellschaftliche Stimmung die Grundrechte nicht mehr akzeptiert. Der Rechtsstaat lebt eben von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann, wie ein ehemaliger Bundesverfassungsgerichter einmal sagte.

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Weil die eigenen Rechte immer nur so lange gelten können bis sie die der anderen verletzen oder die sicherheit anderer gefärden könnten. Gäbe es keine Ausnahmen und Beschrenkungen würde ein gutes zusammenleben eben nicht stattfinden können. Und wen es zu streitigkeiten kommt (bsp. Presse schreibst unbegründet/unangemessen schlecht über eine Person deren Würde dadurch verletzt wird) muss ein Gericht eben abwegen welches Recht in dem Falle Priorität hat, hätten die Gesetze aber keine Ausnahmeregelungen wäre eine Klärung oft nicht möglich und da ist ein zusammenleben dan doch schwierig.

Falls es dir hielft: Wann ist ein Mensch den Frei? Wirklich uneingeschränkt frei ist man doch nur wenn man alleine ist. Sobald zwei zusammenkommen müssen beide sich in ihrer Freiheit und in ihren Rechten einschränken.

Das sind alles Schranken die eingebaut werden müssen.
Wenn eine Versammlung gewaltsam wird und aus der Menge heraus viele Straftaten begangen werden, könnte man ohne diese Schranke nichts tun.
Ohne die Schranke beim Fernmeldegeheimnis könnte man keine Telefone abhören.
Und bei freier Meinungsäußerung: gäbe es diese Schranke nicht, wäre Beleidigung legal.

Wenn man sich wenig damit beschäftigt werden die Schranken schnell klar und deutlich.

Es ist nun mal so, dass Grundrechte durch Gesetz eingeschränkt werden und da eo es einen Richtervorbehalt gibt entscheidet der Richter ja aucj nach gesetzlichen Maßstäben. Der Gesetzgeber ist nun mal am besten demokratisch legitimiert und nicht die Regierung hat die Mehrheit im Bundestag, sondern die Mehrheit im Bundestag wählt die Regierung.