Warum bildete sich in Griechenland die Polis?

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Griechenland ist ein gebirgreiches Land. Deshalb waren die einzelnen Städte teilweise 100km voneinander entfernt. Die Griechen fühlten sich zwar durch Religion und Sprache verbunden, wollten aber unabhängig sein.

Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. wurde bei den antiken Griechen die Polis das gängige Organisationsmodell. Das Wort Polis (Singular πόλις, Plural πόλεις) wird mit Stadt, Stadtstaat oder Staat wiedergegeben. Eine Polis war als eine Bürgergemeinschaft ein Personenverband. Zu einer Polis gehörte üblicherweise eine städtische Siedlung (ἂστυ [asty] ] und ein dazugehörigen Umlandes (χώρα [chora]). Im Siedlungszentrum gab es einen Marktplatz (Agora [ἀγορά) als Versammlungsort und als Kultzentrum (mit Altären und/oder Tempeln), später wurden dort auch öffentliche Gebäude errichtet.

Detlef Lotze, Griechische Geschichte : von den Anfängen bis zum Hellenismus. Originalausgabe. 7., überarbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 2007 (Beck'sche Reihe : Wissen ; 2014), S. 19 - 20:
„Die mit dem 8. Jh. beginnende und bis etwa 500 reichende archaische Periode ist zugleich derjenige Zeitabschnitt, im dem sich die für die Griechen charakteristische Form gesellschaftlich-staatlicher Organisation herausbildete, der sogenannte Stadtstaat als Bürgergemeinde. Es hat sich eingebürgert, dafür das griechische Wort Polis zu verwenden, obwohl seine Bedeutung vielfältig ist. Polis konnte weiterhin einfach die geschlossene Siedlung, die ‹Stadt› heißen. Als politischer Begriff meinte es einen Personenverband, ein meist um ein ‹städtisches› Zentrum zusammengeschlossenes Gemeinwesen, dessen Grundlage das Privateigentum seiner Mitglieder am Boden war und das seine inneren Angelegenheiten nach gemeinschaftsbezogenen Regeln ordnete.“

Bücher über griechische Geschichte können die Erscheinung beleuchten, die nicht sehr einfach erklärt werden kann.

Wolfgang Schuller, Griechische Geschichte. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. München : Oldenbourg, 2002 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 1), S. 11:
„Die Entstehung der Polis - wie wir dieses spezifisch griechische Phänomen in Ermangelung befriedigender Definitionen trotz aller Bedenken ruhig nennen wollen – ist zwar immer noch weit davon entfernt geklärt zu sein, doch hat die intensive Ausgrabungstätigkeit außerhalb der großen Zentren auch hier Erkenntnisfortschritte gebracht. Schon seit einiger Zeit ist durch die vergleichende Untersuchung von Gräberfeldern eine starke Bevölkerungsvermehrung an der Wende vom 9. zum 8. Jahrhundert festgestellt worden. Was sich jetzt abzuzeichnen beginnt, ist ein eigenartige Bewegung in der Entwicklung der Siedlungen. Einerseits, und wohl hauptsächlich, wachsen die aus dem dunklen Zeitalter bekannt gewordenen Siedlungen, oder es werden neue gegründet. Anderseits ist für das 8. Jahrhundert mehrfach festgestellt worden, ds ganze Siedlungen aufgegeben wurden – etwa Lefkandi auf Euböa, Turkovuni und Latherusa in Attika, Siedlungen auf Paros und auf Andros. Möglicherweise liegt ein bewusstes Zusammenzeihen, eine Siedlungskonzentration vor, die „Binnenkolonisation“ genannt worden ist. Schließlich können wir für die Zeit um 800, teilweise noch vor der Zusammensiedlung der Dörfer, die ersten Tempelbauten feststellen, so etwa in Athen, Korinth, Eretria, Tiryns, Samos, Dreros auf Kreta, und daraus ist zu schließen, dass gemeinsame Kulte und Institutionalisierung als Gemeinschaft konstitutiv für die Polisentstehung gewesen sein dürften. Trotzdem sind die konkreten Vorgänge und Ursachen sowie die genauen Zusammenhänge mit den politische Vorgängen noch weitgehend ungeklärt.“

Michael Stahl, Gesellschaft und Staat bei den Griechen: Archaische Zeit. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 2003 (UTB : Geschichte ; 2430), S. 152 – 175 enthält eine Darstellung zu möglichen Hintergründen.

Als Gründe, die berücksichtigt werden können:

Gesellschaftlicher Wandel hat eine neue staatliche Ordnung herbeigeführt (allgemeiner Ansatz).

Eine Bevölkerungsvermehrung führte zu einer stärkeren Nutzung des Landes. Dies verursachte auch Schwierigkeiten, Streitigkeiten und Auseinandersetzungen. Eine neue staatliche Ordnung war eine Antwort auf neue Anforderungen.

Besiedlung konzentrierte sich und zentrale Kultorte gewannen an Bedeutung.

Militärisch fällt in diese Zeit das Aufkommen der Hoplitenphalanx (schwerbewaffnete Kämpfer [Hopliten] in einer gemeinsamen Schlachtreihe [Phalanx] mit dicht beieinander aufgestellten Reihen in mehreren Linien hintereinander).

Auch von der Entwicklung des Denkens kann mit Überlegungen zum guten Zusammenleben in einer Gemeinschaft und Idealen Einflüsse ausgegangen sein. Gedanken zielten auf Autarkie (Selbstgenügsamkeit, Selbständigkeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit) und Autonomie (Selbstbestimmung, nach eigenen Gesetzen leben). Die freien Bürger waren der Polis unmittelbar verbunden, nicht durch Abhängigkeitsverhältnisse vermittelt.


Diddlina 
Beitragsersteller
 27.04.2012, 21:37

Danke für diese extrem ausführliche Antwort, aber ehrlich gesagt wäre eine knappe und präzise Antwort ausreichend gewesen. ;)

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Albrecht  04.03.2013, 05:49
@Diddlina

Ein Interesse an einer präsisen Antwort scheint nicht groß zu sein. Was als knappe Antwort Zustimmung fand, bietet kaum eine Erklärung, geschweige denn eine genaue.

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