Warst du mal über längere Zeit arm/pleite?

14 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Wir hatten beide gute Jobs (mein Mann und ich). Da entschieden wir uns Kinder zu bekommen und zu bauen.

Gleich am Anfang machten wir einen großen Fehler. Ein guter Freund machte sich selbständig als Finanzberater. In den Räumen der Dresdner Bank schlossen wir einen Vertrag mit ihm. Danach wollten wir je 50 DM anlegen. Wie sich herausstellte, hatte sein Vorgesetzter kriminelle Energie und nur dessen Frau arbeitete in der Bank. Nach Feierabend war er also illegal mit uns in den Räumen gewesen. Lange Rede kurzer Sinn, wir waren plötzlich Teilhaber an einem Campingplatz. Dabei hatten wir noch Glück, unser Campingplatz existiert und war keine Luft-Nr. Allerdings wollte die Bank plötzlich je 30.000 DM von uns beiden haben, als die Nr. platzte.

Es folgten viele Besprechungen und Gerichtstermine. Hochschwanger stand ich das alles durch. Am Ende sind wir +/- 0,00 DM aus der Nr. rausgekommen. Aber erst mussten wir alles vorstrecken (Anwalts-/Gerichtskosten..). Als ich in Mutterschaft ging, wurde das Geld knapp im Haushalt und es zog sich hin.

Als unser Kind ca. 2 Jahr alt war, bekamen wir das Vorgestreckte zurück und waren den Campingplatz los. Wir entschlossen uns zu bauen und kauften von der Rückzahlung ein Grundstück. Das Haus wurde auf Kredit gebaut.

Die Zeit des Kindergartens nahte und wir mussten feststellen, dass was mit dem Kind nicht stimmte. Es war unmöglich gleichzeitig zu arbeiten und es optimal zu versorgen. Ich konnte nur noch Teilzeit arbeiten. Gleichzeitig erkrankte mein Mann sehr schwer an einer mysteriösen Krankheit. 3 Jahre dauerte das und warf uns finanziell schwer zurück. Ich nahm noch einen Nachtjob an, denn die Hausraten liefen weiter.

Als mein Mann endlich gesund war und wieder voll arbeiten konnte, ging sein Betrieb in Kurzarbeit und dann pleite. Er wechselte. Doch auch der Laden humpelte bald, wieder Kurzarbeit. Zeitgleich verlohr ich meine Teilzeitstelle, weil mein Chef verstarb und es keinen Nachfolger gab. Vorübergehend waren wir beide Zuhause und wollten unbedingt arbeiten. Wir nahmen jeden Pisseljob an, der sich anbot. Nur ging es in unserer Umgebung vielen ähnlich.

In dieser Durststrecke wurde es eng. Da habe ich sogar Pfand gesammelt und alles verhökert, was entbehrlich war. Das Auto wurde abgemeldet und alle entbehrlichen Mitgliedschaften, z. B. Sportverein, Schützenverein, Versicherungen, Premiere. Doch das merkt man erst zeitverzögert, weil da Verträge mit verbunden sind. Dabei versuchten wir es die Kinder nicht merken zu lassen. Das hat glaube ich recht gut geklappt.

Umso dankbarer bin ich, dass es überwunden ist und wir zwar nicht üppig aber angenehm leben können. Noch immer kann ich Verschwendung nicht leiden oder überflüssigen Kram. Vor einem Kauf überlege ich immer lange, ob wir das wirklich brauchen oder nicht. Oft lege ich Dinge in den Warenkorb (online), schlafe eine Nacht drüber und werfe mind. 50 % am nächsten Tag wieder raus.


Alyia 
Beitragsersteller
 12.06.2024, 09:00

Wow was für eine Geschichte... und ich dachte ich wäre die vom Pech verfolgte.... vor allem mit Kindern ....

Meinst du jeder Mensch muss iwann mal durch so eine Zeit durch? Manche vllt auch erst im hohen Alter mit Krankheit oder so?

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Realisti  12.06.2024, 14:01
@Alyia

Der Hauptleidtragende war mein Mann. Schon ewig war er nicht mehr richtig in Urlaub. Wenn man auf Terrassia oder Balkonien bleibt, ist das kein richtiger Urlaub. Ständig fragt einer, ob man hilft oder man erledigt Liegengelassenes.

Die Kinder haben es wirklich erst rückblickend bemerkt. Sie sind im Sommer im Zeltlager gewesen oder ich habe ganz viel mit ihnen unternommen. Wir wohnen im Sauerland. Dort machen andere Urlaub, also ging das recht gut.

Meine Eltern haben noch viel mehr durchgemacht. Mein Vater war mit 5 Jahren Vollwaise und meine Mutter verlor ihren Vater mit 12. Wenn die von ihrer Kindheit und Jugend erzählten, dann wurde es richtig schlimm. Von meiner Mutter lernte ich mit wenigen Lebensmitteln lecker zu kochen und zu bevorraten. Vieles kann man selber im Garten heranziehen oder ernten und einkochen. Das war unser Glück.

Mein Mann stammt aus armen Verhältnissen. Sie waren 6 Kinder mit einem durstigen Vater. Meine Schwägerin erzählte, dass sie zwischenzeitlich gehungert haben. So schlimm war es bei uns nicht. Mein Vater versorgte uns gut. Leider merkt man es meinem Mann an. Er schnappt sich immer das größte und schönste Stück am Tisch. Schnell verschwindet es in ihm und am Schweigen merkt er dann, dass er mal wieder übertrieben oder nicht geteilt hat. Das ärgert ihn unglaublich, besonders wenn es gar nicht seins war, sondern was von den Kindern. Das bekomme ich nicht mehr aus ihm raus. Das ist wie ein Reflexs bei ihm. Wenn es wichtig ist, verstecke ich sogar Lebensmittel oder Dinge vor ihm oder trickse ihn aus.

Vieles kaufte ich für die Kinder gebraucht. Trotzdem waren sie immer chic angezogen. Im Nebeneffekt konnten sie immer unbefangen spielen, weil sie keinen teuren Sachen trugen. Ging mal was kaputt oder wurde dreckig, braucht sich niemand aufregen. Sie spielten viel in der Natur. Davon haben wir mehr als genug. Dazu braucht man kein Markenspielzeug. Mein Kinder können Trecker fahren, Hühner fangen und auch reiten. Sie wissen wie man einen Bach staut oder auf Bäume klettert. Wenn sie einen Vogel hören, wissen wieder der heißt und aussieht.

Als sie in das Alter für Spielekonsolen und Computer kamen, ging es uns finanziell schon wieder besser. Da sie sich gut verstanden, haben sie alles brav geteilt und miteinander gespielt. Trotzem jobbten sie, wenn sie größere Wünsche hatten und kauften es sich selber. Mein Sohn z. B. ist Festivalgänger. Mehr als eines pro Jahr konnten wir nicht bezahlen. Den Rest sparte er sich zusammen. Meine Tochter ist Künstlerin und braucht viel Material. Sparfuchs Mutti schafft es immer wieder in Kleinanzeigen oder auf Sonderposten alles aufzutreiben. Den Rest kauft sie von ihrem Geld.

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Alyia 
Beitragsersteller
 12.06.2024, 14:46
@Realisti

Wirklich toll wie ihr das geschafft habt. In der Natur bin ich auch sehr gerne oder mit Pferden. Ich bin auch froh, dass wir noch vor der digitalen Revolution aufgewachsen sind.

Mein Leben war auch sehr schwer, aber ich hoffe, dass die zweite Lebenshälfte schön wird. So pleite wie aktuell war ich noch nie, aber man kommt dadurch auch mehr zur Ruhe.

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Realisti  12.06.2024, 15:34
@Alyia

Ja, es hat den Vorteil, dass man sich weniger kümmern muss. Mas man nicht hat, muss man weder pflegen noch darauf aufpassen. Eigentlich ist das ein anderes Stückchen der Freiheit.

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Alyia 
Beitragsersteller
 12.06.2024, 15:43
@Realisti

Genau. Nicht ohne Grund leben viele minimalistisch und es ist ja auch energetisch sinnvoll, wenn man dran glaubt. Aber ich hoffe trotzdem, ich werde mal alles machen können, was mir aufgrund mangelnder Finanzen nicht möglich ist. Euch wünsche ich das auch.

🩵🩵🩵 Wir sind ja schon Freunde hier. 🫶

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Realisti  12.06.2024, 15:46
@Alyia

Ich schicke dir auch nur gute Wünsche.

Und mit etwas Kreativität findet sich immer eine Alternative oder Möglichkeit sich seine Wünsche zu erfüllen. Und ganz ehrlich? Die Vorfreude ist was Feines. Die verlängert die Freude an der Sache auch noch. Deshalb finde ich es gar nicht schlimm auf was hinzusparen oder zu arbeiten.

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Alyia 
Beitragsersteller
 12.06.2024, 15:52
@Realisti

Das stimmt. Also mir macht das auch richtig Spaß die Herausforderung zB mit wenig Geld das Essen zu gestalten. Es macht wirklich Kreativ die Not. Aber aktuell hab ich nur Reis und Wasser und da lässt sich nicht so viel machen. Das heißt nach 1 Woche will man dann was anderes. Wenn ich Glück habe, wird es keine Woche.

Also ich mache immer Reis mit Soße. Is aber lecker 🤭

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Realisti  12.06.2024, 15:56
@Alyia

Reis und Wasser ist echt eine Herausforderung. Da wird die Woche lang.

Reis schmeckt süß und herzhaft. Man kann ihn auch mit Currysauce und Obst essen oder mit Tomatensauce. Beides schmeckt.

Wie bist du in diese Lage geraten?

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Alyia 
Beitragsersteller
 12.06.2024, 15:59
@Realisti

Ja ich mach sehr leckere Tomatensauce mit kurkuma und bissel Hafersahne.

Ich hatte öfter mit Mobbing zu tun und dann gabs noch so paar andere blöde sachen wofür ich nix konnte.

Hab aber Chancen auf einen guten Job und hoffe meine Pechphase ist bald vorbei... hab auch viel gelernt. Wie du so schön erzählt hast. Geht mir auch so. Hab mehr Sorgen um meine Wohnung, denn da hört der Spaß natürlich auf....

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Realisti  12.06.2024, 16:01
@Alyia

Wenn du wieder zu Geld kommst, dann mach dir einen guten Plan mit wichtigen Lebensmitteln. Manche Grundnahrungsmittel sollte man für Notfälle immer im Haus haben. Bei der nächsten Dursstrecke bist du vorbereitet.

Trinken kann man zur Not immer noch Wasser aus dem Wasserhahn.

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Alyia 
Beitragsersteller
 12.06.2024, 16:02
@Realisti

Ja stimmt. Also Reis, Chiasamen oder rote Linsen haben mich öfters gerettet.

Ich mag es nicht so viel Zeug zu haben allgemein^^ aber du hast Recht so für den Notfall.

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Realisti  13.06.2024, 09:29

Danke für den *

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Meine Eltern haben sehr jung geheiratet und dann gleich angefangen ein Haus zu bauen. Man Vater war Alleinverdiener, wir waren zu sechst im Haus. Da kann man sich ausrechnen, dass da unterm Strich nicht wirklich eine Gelegenheit da war, jemals irgendwelches "Barvermögen" anzusammeln oder was zu erben (neben dem Haus).

Es ging uns nie schlecht. Aber Urlaube oder ein neues Auto statt gebrauchtem war eben nicht drin.

Ich habe auch kein Taschengeld bekommen. Alles was ich neben meiner "Grundversorgung" haben wollte, musste ich mir selbst verdienen. Da ich aber immer schon recht fleißig war und auch für Dinge wie Kloputzen nicht zu schade war, hatte ich für mich immer genug Geld. Ich habe mich also nie wirklich arm gefühlt, musste aber vorher schon überlegen bevor ich ins Kino gegangen bin oder mir ein T-Shirt gekauft habe.

Ich hatte auch Reitstunden, Gitarrenunterricht und konnte an den meisten Schulreisen teilnehmen. Das ist mehr als sich viele leisten können.

Ich war auch auf einer Privatschule in der Oberstufe. Dafür musste ich aber die ganzen Sommerferien - jede Sommerferien - arbeiten gehen und damit ist sich das Schuldgeld gerade so ausgegangen (es war keine besonders teure Schule). Aber meine Eltern hätten sich das eben nicht leisten können.

Man kann sich also leicht ausrechnen, dass ich nie wirklich Gelegenheiten hatte tatsächlich viel Geld auf die Seite zu legen. Das kam erst nachdem ich etwa ab Mitte 20 angefangen habe wirklich vernünftig Geld zu verdienen.

Mittlerweile kann ich mir mein Leben bequem leisten (Haus, Pferd, Auto, Reisen). Aber ich gebe trotzdem nicht mehr Geld aus, als wirklich notwendig ist. Es könnte ja auch mal eine Zeit kommen, in der ich nicht mehr so gut verdiene wie jetzt. Also ja, meine ersten 25 Jahre haben mich natürlich sehr geprägt.

Bei mir klingelte im April 2015 Polizei und Feuerwehr und evakuierte das ganze Haus wegen Einsturzgefahr. Ich war dann sieben Monate lang wohnungslos. Ich konnte mich endlich von einer falschen Freundin und von einem Mann, den ich sehr liebte ( was nicht auf Gegenseitigkeit beruhte ) trennen, denn diese beiden haben mir nicht geholfen.


Alyia 
Beitragsersteller
 30.06.2024, 09:55

Wassss.... OmG. Ich hatte auch ma 3 oder 4 Monate lang keine Wohnung.

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Ich selber war nie pleite, da ich mein Geld zusammenhalten kann und notfalls mit sehr wenig auskomme.

Mein Ex ging aber fast pleite während unserer Beziehung. Sein Hauptkunde musste Konkurs anmelden und er stand über Nacht vor dem Nichts mit sehr hohen Fixkosten.

Es war ein weiter Weg von da, finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Die psychische Komponente war der Hauptfaktor, weil er nun wirklich anfangen musste, ein Geschäft zu führen und nicht nur sich auf einen Kunden zu verlassen.

Hungern mussten wir deswegen nicht. Ich übernahm etwas mehr von den gemeinsamen Kosten, Ferien machten wir günstig mit dem Fahrrad.

So schlugen wir uns durch.

Momentan bin ich ziemlich pleite und das wird sich in nächster Zeit wohl auch nicht ändern, da ich mit dem Studium schon ziemlich ausgelastet bin und für einen Job keine Zeit bleibt.