War Che Guevara ein Held oder Mörder?

10 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet
War Che Guevara ein Held oder Mörder?

Wieso muss es immer nur schwarz und weiß geben? Wie so oft liegt auch in diesem Fall die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Che Guevara wuchs in einer wohlhabenden Familie in einem guten Viertel in Argentinien auf. Während seines Medizinstudiums machte er eine Reise durch Südamerika zusammen mit seinem Freund Alberto Granado. Die Reise prägte ihn sehr, sie zeigte ihm ein Leben mit all dem Elend abseits des gutsituierten Viertels, in dem er seine ersten 20 Lebensjahre verbracht hatte. Seine Eindrücke kann man in seinem Reisetagebuch nachlesen und gut nachvollziehen. Es gibt auch einen preisgekrönten und sehr sehenswerten Film darüber, "Die Reise des jungen Che". https://www.youtube.com/watch?v=9Z6CUc7U1Sc

Später lernte er Fidel Castro kennen. Castro hatte ein enormes Charisma, war redegewandt und extrem überzeugend. Zudem hatte er klare Ideale und den starken Wunsch nach Gerechtigkeit, genau wie Guevara. Aus diesem Grund imponierte er Guevara sehr, dieser fühlte sich inspiriert von Castro und blickte zu ihm auf.

So kam es dann, dass die beiden zu einem unzertrennlichen Team wurden - der philosophische nachdenkliche und eher stille Guevara und der redegewandte charismatische Castro.

Ja, Che Guevara entwickelte während seiner Revolution eine gewisse Kaltblütigkeit und war am Ende imstande, ohne mit der Wimper zu zucken einen Menschen umzubringen. (Das hätte der junge Che, der einst seine Reise machte, nicht gekonnt.) Er hatte sein großes Endziel vor Augen und war von seinem humanistischen Ideal angetrieben. Ich denke, damit rechtfertigte er sich solche Akte. Er tötete nicht gerne, aber er hielt es für notwendig, um seine Ziele durchzusetzen.

Che Guevara ist weder ein übermenschlicher Held gewesen noch war er ein "böser Tyrann". Er war ein Mensch mit starken Überzeugungen und seine Überzeugungen, seine Absichten waren zweifellos gut. Die Mittel, die er dazu anwendete sowie das Resultat, das am Ende dabei herauskam, kann man natürlich kritisch infrage stellen.

Wenn dich Che Guevara sehr interessiert, kann ich dir empfehlen, dir den Film "Die Reise des jungen Che" anzuschauen (ja, es ist natürlich ein Film und keine Doku, aber man kann dadurch sehr gut seine "politische Sozialisation" als junger Student nachvollziehen). Auch könnte dir das Buch "Mein Bruder Che" von Juan Martín Guevara weiterhelfen. Es ist ein bisschen trocken zu lesen, aber man erfährt sehr viele persönliche Sachen von Che und seinen Gedanken. Sein Bruder hat mit diesem Buch versucht, den Mythos um Che ein bisschen gerade zu rücken, also eben abseits von diesem Heldenstatus oder dem Tyrannen-Image ein sachliches und differenziertes Bild vom Menschen Che Guevara zu zeichnen.


xangelo 
Beitragsersteller
 15.03.2018, 20:27

Vielen Dank für deine Antwort interessiere mich sehr, werde mir den Film ansehen danke für den Tipp :) Spannende Antwort von dir 👍 Hat mir geholfen werde mir eventuell auch das Buch kaufen habe mir heute sogar schon eins Bestellt namens "Che".

charismaticus  16.03.2018, 09:44
@xangelo

Gerne :-)

Mich nervt es halt sehr, und das kann man ja anhand vieler Antworten hier auch wieder sehen, wenn die Leute einfach nur irgendeine Zahl von ermordeten Menschen vorlegen und dann Che Guevara das Etikett "Massenmörder" auf die Stirn kleben und ihn als die Personifikation des Bösen diffamieren. "Mörder", "böse" - das reicht den Leuten dann und sie stellen sich Guevara als böses kaltes Monster vor. Das ist halt einfach total einseitig und plump. Man muss sich halt in den Menschen Guevara hineinversetzen und dann sieht man, er war ein Mensch, ein intelligenter und mitfühlender Mensch, mit seinen eigenen Erlebnissen, Gedanken und Zielen, aber natürlich auch mit seinen Macken und Fehlern. Er war so betrachtet kein besserer oder schlechterer Mensch als andere, nur befand er sich eben in einer Position, in der er Taten vollziehen oder in Befehl geben konnte, die weitreichender waren als die von Max Mustermann. Wenn man sich näher mit seiner Person beschäftigt, dann findet glaube ich jeder ein paar Aspekte, in denen er sich selbst in Guevara wiederfindet und sich mit ihm identifizieren kann.

Auch nochmal zum Töten im Allgemeinen: Natürlich ist es prinzipiell falsch, zu morden. Aber man macht es sich auch zu einfach, wenn man aus der heutigen pazifistischen Sicht so tut, als wäre Guevara ein blutrünstiger Massenmörder gewesen. Es kommt immer auf den Kontext an. Guevara lebte zu einer anderen Zeit, er sah mit eigenen Augen brutales Elend, Armut, Misshandlungen und politische Unterdrückung. Kuba wurde von einem brutalen Diktator geführt, der selbst Menschen misshandelte und umbrachte. Mit Demonstrationen auf der Straße und regelkonformem Wahlkampf hätte man nichts ändern können. Ich meine, nehmen wir uns die kurdischen Milizen im Irak als Beispiel, die den IS vertrieben haben - die bezeichnet auch niemand in unserer Presse oder Öffentlichkeit als "Massenmörder", auch wenn sie nüchtern betrachtet eine hohe Zahl von Menschen getötet haben.

Und auch was das Endresultat von der kubanischen Revolution angeht sowie anderer Kommunismus-Versuche von Guevara: Im Nachhinein lässt sich immer leicht sagen, man hätte das und das anders machen sollen. Aber hatte Guevara es zu seiner Lebzeit besser wissen können? (Und vor allem: Hätten es die Besserwisser von heute besser gewusst oder gemacht?) Nein, natürlich nicht. Man kann ihm vielleicht den Vorwurf machen, dass er von Wirtschaftspolitik nicht genug Ahnung hatte, sich das ehrlich hätte eingestehen sollen und somit gewissermaßen unverantwortliche Entscheidungen hätte verhindern können. Aber so wie man heute leicht sagen kann "Kommunismus klappt nicht" - solche Einsichten hatte man zu Guevaras Lebzeiten ganz einfach noch nicht.

Insofern ist es meiner Ansicht nach am besten, man setzt sich ehrlich und differenziert mit Che Guevara auseinander. Dann stellt man am Ende fest, dass er gute und schlechte Seiten hatte, wie jeder andere Mensch auch. Heute ist Che in vielen Teilen Lateinamerikas halt ein Symbol für Freiheit, Unabhängigkeit, Gerechtigkeit und Gleichheit. Das waren seine Ideale und Ziele. Ich kann daran nichts Verwerfliches finden :-)

Er war ein Freiheitskämpfer ohne eine klare Linie. Du kannst nicht für Freiheit kämpfen und anschließend selbst mit einem militärischem Regime unterdrücken. Steht eine gewisse Art Doppelmoral hinter.


soydelsur  17.03.2018, 19:08

Linke Doppelmoral eben. Dazu schoss er noch unbeteiligte Bauern wie Kanickel ab und machte jagd auf Homosexuelle.

Che Guevara kann man nicht beurteilen, wenn man ihn aus dem politischen und gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit reißt.

In dieser Zeit sind die USA in ca. der Hälfte der Bundesstaaten ein rassistisches Apartheidregime wie in Südafrika, vermutlich noch schlimmer. "Gemischtrassige" Ehen standen dort z.B. unter Strafandrohung. Kuba wurde mit Billigung und Unterstützung der US-Regierung von der US-Mafia und ihrem Statthalter Batista brutal diktatorisch regiert. Überhaupt ließ die US-Regierung jedes zarte Aufkeimen von demokratischen Regierungen von faschistischen Militärs wegputschen, wegfoltern und wegermorden.

Kooperationen von Mafiosi und Rechtsextremisten in Form unterdrückerischer Regime bekommst du aber nicht so dynamisch gestürzt, indem du mit Wattebällchen um dich wirfst...

Man kann - insbesondere retrospektiv - natürlich schon über Che streiten. Aber der weit größere Teil jener Verehrung, die ihm zuteil wird, resultiert weniger aus seinen eigenen Leistungen und Taten, als vielmehr aus dem Umstand, das Millionen und Abermillionen Lateinamerikaner in ihm jemanden sehen, der es der Kamarilla aus US-Imperialismus und nationalen faschistischen Oligarchien halt mal heimgezahlt hat...


soydelsur  15.03.2018, 19:02

Entschuldigung: Ich bin auch der Meinung, dass man alles im Kontext sehen muss und dazu gehört, dass es damals andere Zeiten waren und es eben ein Bürgerkrieg bzw. eine Revolution war.

Allerdings stach Guevara durch unnötigen Massenmord z.B. an Bauern hervor und gerade dank der "Revolución" gibt es auf Kuba auch heute noch Folter gg. politisch Andersdenkende.

Unter Baptista führte Kube den Reichtum fort, den es bereits erreicht, als es noch zu Spanien gehörte (u.a. Errungenschaften wie die erste Eisenbahn Lateinamerikas und Spaniens, bevor der erste Zug in Deutschland rollte) u.v.a.m.

Dass jetzt eine rechte Regierung durch eine mordende kommunistische ersetzt wird, erscheint mir kein Vorteil.

atzef  15.03.2018, 19:19
@soydelsur

Welcher "Massenmord an Bauern"? Verlink mal eine Quelle zur aktuellen Folter in kubanischen Gefängnissen.

Das marode Batista-Regime konnte von ein paar Dutzend Revolutionären - mehr waren es am Anfang nicht - binnen gut 2 Jahren gestürzt werden, weil es überhaupt keinen Rückhalt in der Bevölkerung hatte und dort vollkommen verhasst war. Das wiederum, weil es sich die Reichtümer der Insel alleine in die Tasche wirtschaftete.

Die erste Eisenbahnlinie in Kuba gab es 2 Jahre nach der ersten in Deutschland - laut wiki - was aber auch nicht das Mindeste über das marode Batista-Regime aussagt.

Er politische Gegner töten lassen. Das nennt man wohl Mord. Und wer Mord begeht, ist ein Mörder.

Woher ich das weiß:Hobby – Beobachte politische Entwicklungen seit meiner Jugend.

Ich halte von dem Menschen nicht besonders viel. Revolution gegen ein repressives System machen ist das eine, dadurch keinen vernünftigen Plan zu haben für was danach kommen soll musste zwangsläufig den Weg für das nächste repressive System ebnen.

Insofern sicherlich tatkräftiger und blutiger Einsatz, leider aber für umsonst.