Verwechslung von Kraft und Energie

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Die Schwierigkeit liegt darin, dass wir in der Umgangssprache Begriffe verwenden, deren Bedeutung uns nur recht diffus klar ist, die gelegentlich sogar wechseln, diese Begriffe aber in der Physik eine ganz bestimmte Bedeutung haben. Diese sind zwar zumeist in unserem Sprachgebrauch auch vorhanden, aber eben nur 'auch'.

Beispiele:

Was ist Kraft? In der Physik eine durch einen Vektor darstellbare Wechselwirkung zwischen zwei Massen. Wenn wir aber sagen, jemand hätte Kraft in den Armen, dann bedeutet das, dass er solche Wirkungen in einem vergleichsweise hohen Maß ausüben kann, nicht, dass er das gerade tut.

Was ist Arbeit? In der Physik klar, das Produkt aus Kraft und Weg. Wenn also jemand zur Arbeit geht, dann verrichtet er Arbeit, wenn er die Treppe zum Büro hochsteigt, wenn er am Schreibtisch sitzt und arbeitet,tut er dies physikalisch gesehen nicht. Wenn der gleiche Mensch seine Arbeit beendet hat, die physikalisch keine war, und die Treppe runtergeht, dann erhält er eigentlich Arbeit zurück, die ihm aber nichts gibt sondern zusätzlich ermüdet.

Energie: In der Physik ist das gespeicherte Arbeit bzw. die Fähigkeit Arbeit zu verrichten. Unter einem energischen Menschen verstehen wir aber doch etwas ganz anderes.

Diese Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen, vielleicht noch dieses hier: Gewicht (eine Kraft) und Masse (eine Menge an Molekülen) sind zwei unterschiedliche Dinge, auch wenn man auf dem Wochenmarkt eine bestimmte Menge Kartoffeln nach Gewicht kauft und dies in einer Masseneinheit ausgemessen wird.

Es war eine nicht ganz triviale mentale Leistung, diese Begriffe als Begriffe empirischer Naturwissenschaft definieren und auseinanderhalten zu lernen, und das ist es bis heute nicht. Zwar wurden 'energeia' und 'dynamis' schon in der klassischen Philosophie voneinander unterschieden (siehe Wikipedia-Artikel "Akt und Potenz") aber damit waren sie noch lange nicht als physikalische Begriffe begriffen, für die man ja Meßverfahren angeben muß.

Da der ursprüngliche mentale Ausgangspunkt der "Physik" nichts anderes als unsere eigene 'physis' ist, lohnt es sich, nachzuschauen, wie wir Kraft und Energie körperlich erleben. Ein bemerkenswertes Phänomen ist nämlich, daß unser eigener Körper die Erfahrung von Kraft und Energie auf schwer zu trennende Weise miteinander verknüpft. Wer in der Schule gelernt hat, daß Energie = Kraft mal Weg ist, kommt leicht in Erklärungsnot, wenn er gefragt wird, wieso es dann so anstrengend ist, ein Gewicht bewegungslos am ausgestreckten Arm zu halten (siehe bayerisches Maßkrugstemmen). Von dieser jedem vertrauten physischen Erfahrung ausgehend wird z.B. manchmal gerätselt, woher Wandhaken die Energie hernehmen, um ein daran gehängtes Regal festzuhalten. Auch kommt immer wieder die Frage auf, wieso man nicht Dauermagneten als unerschöpfliche Energiequelle nutzt, die sie mutmaßlich sein müssen, da sie eiserne Gegenstände ja ohne Stromversorgung dauerhaft festhalten können.

Um dieses gefühlte Paradoxon auflösen zu können, ist es hilfreich, die genaue innere Wirkungsweise unserer Muskeln anzuschauen. Wenn wir mit unseren Muskeln äußerlich bewegungslos Kraft ausüben, dann dürften wir der Formel nach, wie es scheint, keine Energie umsetzen. Doch die kraftausübenden Moleküle in den Muskelfasern sind dabei in ständiger Bewegung. Sie wechseln sich miteinander ständig ab und durchlaufen dabei einen Zyklus aus Anspannen und Loslassen, wobei sie sich verkürzen und strecken und dabei unter Kraftausübung Wegstrecken gegeneinander zurücklegen. (Filamentgleittheorie oder sliding filament model. Siehe im Wikipedia-Artikel "Muskelkontraktion" den Abschnitt "Beschreibung des Kontraktionsmechanismus". http://de.wikipedia.org/wiki/Muskelkontraktion)

Leider wird dieser Zusammenhang, trotz seiner didaktischen Bedeutung, soweit mir bekannt ist, im Schulunterricht nicht behandelt, weder in Physik, noch in Biologie noch im Sport. Vielleicht auch deshalb, weil interdisziplinäres oder fächerübergreifendes Denken im überkommenen Modell von "Wissen" und "Bildung" immer noch ein Exotikum ist? Jedenfalls hoffe ich, eine Antwort gegeben zu haben, die Dir weiterhilft.

Verwechselt kann man nicht sagen, vielleicht gleichgesetzt, was ja nicht ganz unrichtig ist! Kraft ist eben nur die äußere meßbare Wirkung der Energie, genauer die Auswirkung der Arbeit (Energieübertragung)!


ME2014  15.05.2014, 13:01

Herr Nagel, was ist am Gleichsetzen von Energie und Kraft auch nur ansatzweise richtig?

Zu jeder Energiewirkung gehört eine Flussgröße und eine Intensitätsgröße. Erst BEIDE Größen beschreiben ein dynamisches System vollständig!

Weil es in der Umgangssprache (im Gegensatz zur Physik) so ziemlich das Gleiche bedeutet, bzw. im Sprachgebrauch oft austauschbar ist.