Verhältnis zwischen Cicero, Caesar und Marcellus?

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Welcher lateinische Text einem Titel "Gefahren für den Staat" zugrundeliegt, weiß ich nicht.

Cicero hat 46 v. Chr. Caesar in einer Rede (Pro Marcello) gedankt, Marcellus seine Gegnerschaft im Bürgerkrieg verziehen und ihm die Erlaubnis zur Rückkehr nach Rom gegeben zu haben (Begnadigung).

Marcus Claudius Marcellus war ein politischer Gegner Caesars. Er gehörte zu den sogenannten Optimaten (Anhänger einer auf den Senat gestützten Politik mit Vorherrschaft der Nobilität, der Führungsschicht aus vornehmen Familien). 49 v. Chr. hätte er ein Hinausschieben eines Kriegsbeginns bevorzugt und billigte die davon abweichende Taktik nicht. Im Bürgerkrieg stellte er sich auf die Seite der Optimaten und des Gnaeus Pompeius. Dabei neigte er eher zur Mäßgung. Marcellus hat Italien verlassen, sich aber nicht stark an der Kriegsführung beteiligt. Nach der Niederlage seiner Seite in der Schlacht von Pharsalos (48 v. Chr.) wollte Marcellus weder einen von ihm für aussichtslos gehaltenen Krieg fortsetzen noch sich dem siegreichen Caesar unterwerfen und um Gnade zu flehen. Er hat sich in einem freiwilligen Exil nach Mytilene auf der Insel Lesbos zurückgezogen.

Cicero Verhältnis zu Caesar ist aber ab einer bestimmten Zeit (beginnend 59 v. Chr.) vorwiegend von politischer Gegnerschaft geprägt gewesen, wobei es aber Veränderungen mit mal mehr Annäherung, mal stärkerer Gegensätzlichkeit gegeben hat. Cicero war ein entschiedener Anhänger der Republik, mit dem Senat als maßgeblicher Institution. Cicero wollte nach seinem Verständnis Werte und politische Grundsätze der Republik bewahren. Wenn nach seiner Auffassung Caears Politik ein Hindernis für einen guten Zustand der Republik war, sie zu zerstören drohte oder sogar mit einer Alleinherrschaft die republikanische Freiheit beseitigt hatte, stieß dies auf Ciceros Ablehnung.

Cicero wollte einen drohenden Bürgerkrieg gerne vermeiden und riet nach seiner Rückkehr aus Kilikien zu Frieden. Er versuchte bei Verhandlungsversuchen eine Vermittlung, aber ein Anfang Januar 49 v. Chr. vorgenommenes Angebot eines Kompromisses scheiterte an Einwänden und Ablehnung eines harten Kerns der Optimaten. Diese stellten Caesar ein Ultimatum und duldeten kein Veto von auf Caesars Seite stehenden Volkstribunen. Als Caesar militärisch losschlug, zeigte sich Cicero in Briefen entsetzt und empört. Unter anderem nannte er Caesar einen Wahnsinnigen und Elenden, der niemals etwas vom Guten geschaut habe, und trotzdem behaupte, alles wegen seiner Würde/Ehre (dignitas) zu tun (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 11, 1) und einen verdorbenen/verworfenen/verkommenen Räuber (perditus latro Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad Atticum 7, 18, 2).

Caesar versuchte Cicero für sich zu gewinnen, bei einem Treffen im März 49 v. Chr. ließ sich Cicero aber darauf nicht ein, Caesar wollte wenigstens wohlwollende Neutralität erreichen (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad Atticum 9, 6 A und 10, 8 sind zwei erhaltene Briefe Caesars an Cicero, 9, 11 A eine Antwort Ciceros und 9, 18 ein Bericht an Atticus über das Treffen, wobei sich Cicero über seine Standhaftigkeit freut). Cicero begab sich trotz Verbots von Italien nach Griechenland zu Pompeius und den Optimaten, eine Entscheidung, um die er lange innerlich gerungen hatte. Militärisch hat Cicero nahezu nichts unternommen. Nach der Niederlage seiner Seite in der Schlacht von Pharsalos (48 v. Chr.) lehnte Cicero es ab, als ältester ehemaliger Konsul den Oberbefehl zu übernehmen.

Als Pompeius tot war, kehrte Cicero nach Italien zurück (48 v. Chr.), wartete mit Sondergenehmigung Caesars ungefähr 1 Jahr lang in Brundisium und wurde dann von diesem begnadigt (47 v. Chr.). Cicero hatte politisch wenig Spielraum und zog sich weitgehend aus der Tagespolitik zurück. Milde, die Caesars in der Begnadigung ehemaliger Bürgerkriegsgegner zeigte, gaben Cicero eine gewisse Hoffnung auf eine Selbstbeschränkung Caesars mit einer nur vorübergehenden Alleinherrschaft und dann einer Wiederherstellung der Republik (Marcus Tullius Cicero, Pro Marcello, eine Dankesrede 46 v. Chr., ist Ausdruck davon). In Briefen gibt es anerkennende Äußerungen über Caesars Verhalten (ipsius Caesaris summam erga nos humanitatem Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 4, 13, 2; 6, 6).

Caesar war bereit, milde mit Bürgerkriegsgegnern umzugehen, wenn sie von einer Fortsetzung des Kampfes gegen ihn ablassen wollten.

Cicero wünschte, dass Marcellus nach Rom zurückkehrt und ihn als angesehener, vornehmer, gebildeter, grundsatzfester und kluger Mann unterstützt, um den römischen Staat in die erhoffte Richtung zu bringen.

Marcus Claudius Marcellus war 51 v. Chr. Konsul. Er trat dafür ein, vorzeitig einen Nachfolger für Caesar zu ernennen, ihm keine Bewerbung um das Konsulat in Abwesenheit zu erlauben und Caesars Verleihung des Bürgerrechts an Kolonisten seiner Gründung Novum Comum für ungültig zu erklären, wobei er einen Einwohner wegen Vergehens mit Ruten schlagen ließ (Appian(os), Emphylia (griechisch: Ἐμφύλια; Bürgerkriege; lateinischer Titel: Bella civilia) 2, 25 – 26; Plutarch, Caesar 29, 1 – 2; Sueton, Caesar 28, 2 – 3; Livius periochae 108, 5; Eutropius 6, 19, 2; Orosius 6, 15, 1), ein Verärgerung Caesars herausforderndes Verhalten (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad Atticum 5, 11, 2 mit Beurteilung als abstoßend). 50 v. Chr. schlug Marcellus vor, mit den Volkstribunen zu verhandeln, um einen Einspruch des Volkstribunen Gaius Scribonius Curio gegen Senatsbeschlüsse über die Provinzen zu brechen (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 8, 13 [Brief von Marcus Caelius Rufus]).

Im Januar 49 v. Chr. billigte Marcellus nicht den Plan der Kriegführung und die von Pompeius aufgebotenen Truppen und misstraute der Sache sehr (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 4, 7). Er hatte zunächst vorgeschlagen, einen Beschluss aufzuschieben, bis eine Aushebung in ganz Italien durchgeführt worden und Heer aufgestellt seien, unter deren Schutz der Senat sicher und frei zu beschließen wage, was er wolle (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de bello civili 1, 2).

Cicero schrieb im Sommer 46 v. Chr. mehrere Briefe an Marcellus, um ihn zu überzeugen, Verzeihung bekommen zu können und nach Rom zurückzukehren (4, 7 – 9).

Brutus (De Virtute) hat Marcellus in Mytilene als sehr gücklich lebenden Menschen gesehen, Caesar sei vorbeigefahren, weil er es nicht ertrug, den Mann verunstaltet zu sehen, der Senat hat durch öffentliche Bitten seine Rückkehr erreicht (Lucius Annaeus Seneca, Ad helviam matrem de consolatione 9, 4 – 6).

Caesar erklärte in einer Senatssitzung nachdem er die Härte des Marcellus angeklagt hatte, er werde sich einem für Marcellus bittenden Senat nicht verweigern, Lucius Calpurnius Piso hatte die Sache erwähnt, Gaius Claudius Marcellus sich zu Caesars Füßen geworfen, alle waren bittflehend an Caesar herangetreten (Marcus Tullius Cicero, Pro Marcello 3; 10; 13; 33; Marcus Tullius Cicero, Pro Ligario 37; Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 4, 4; Livius periochae 115, 2). Cicero versuchte Marcellus zu einer möglichst schnellen Rückkehr zu bewegen (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 4, 10), Marcellus dankte Cicero, ohne auf eine schnelle Rückkehr viel Wert zu legen ( Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 4, 11 [Brief von Marcus Claudius Marcellus]). Als nach Zögern Marcellus schließlich abreiste, wurde er in Piraeus (Hafen von Athen) am 26. Mai 45 v. Chr. nachts von seinem vertrautem Begleiter Publius Magius Cilo mit zwei Dolchstößen in Bauch und Kopf entlang des Ohres durchbohrt und starb ein wenig vor Tagesanbruch (Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad familiares 4, 12 [Brief von Servius Sulpicius Rufus]; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 9, 11, 4). Cicero hatte anfangs einen gewissen Verdacht auf einen Anschlag Caesars, ließ sich aber von Brustus überzeugen, dass Caesar daran schuldlos war ( Marcus Tullius Cicero, Epistulae ad Atticum 13, 10, 3 und 13, 22, 2).

einige allgemeine Literatur:

Klaus Bringmann, Cicero. 2., durchgesehene und um ein Vorwort ergänzte Auflage. Darmstadt : von Zabern, 2014 (Gestalten der Antike). ISBN 978-3-8053-4829-4

Manfred Fuhrmann, Cicero und die römische Republik. 5., durchgesehene und bibliographisch erweiterte Auflage.

Mannheim : Artemis & Winkler, 2011. ISBN 978-3-538-07324-1

Matthias Gelzer, Cicero : ein biographischer Versuch. 2., erweiterte Auflage. Mit einer forschungsgeschichtlichen Einleitung und einer Ergänzungsbibliographie von Werner Riess. Stuttgart : Steiner, 2014 (Alte Geschichte). ISBN 978-3-515-09903-5

Marcus Tullius Cicero, Dargestellt von Marion Giebel. Überarbeitete Neuausabe. Originalausgabe. Reinbek bei Hamburg : Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2013 (Rororo ; 50727). ISBN 978-3-499-50727-4

Christian Habicht, Cicero der Politiker. München : Beck, 1990. ISBN 3-406-34355-4

Emanuele Narducci, Cicero : eine Einführung. Aus dem Italienischen übersetzt von Achim Wurm. Stuttgart : Reclam, 2012 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 18818 : Reclam-Sachbuch). ISBN 978-3-15-018818-7

Francisco Pina Polo, Rom, das bin ich : Marcus Tullius Cicero ; ein Leben. Aus demSpanischen übersetzt von Sabine Panzramm. 2. Auflage. Stuttgart : Klett-Cotta, 2011. ISBN 978-3-608-94645-1

Wolfgang Schuller, Cicero oder der letzte Kampf um die Republik : eine Biografie. München : Beck, 2013. ISBN 978-3-406-65178-6

Wilfried Stroh, Cicero : Redner, Staatsmann, Philosoph. Originalausgabe. 3., durchgesehene Auflage. München : Beck, 2016 (C.H.Beck Wissen ; 2440). ISBN 978-3-406-56240-2

Ernst Baltrusch, Caesar und Pompeius. 3., bibliographisch aktualisierte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011 (Geschichte kompakt). ISBN 978-3-534-24354-9

Karl Christ, Caesar : Annäherungen an einen Diktator. München : Beck, 1994. ISBN 3-406-38493-5

Werner Dahlheim, Julius Caesar : die Ehre des Kriegers und die Not des Staates. 3. Auflage. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 2011. ISBN 978-3-506-77100-1

Matthias Gelzer, Caesar : der Politiker und Staatsmann. Mit einer Einführung und einer Auswahlbibliographie von Ernst Baltrusch. Neudruck der Ausgabe von 1983. Stuttgart : Steiner, 2008 (Alte Geschichte). ISBN 978-3-515-09112-1

Martin Jehne, Caesar. Originalausgabe. 4., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2008 (Beck'sche Reihe : C. H. Beck Wissen ; 2044). ISBN 978-3-406-41044-4

Christian Meier, Caesar. Ungekürzte Ausgabe, 3. Auflage. München :

Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1993 (dtv : Wissenschaft ; 4596). ISBN 3-423-04596-5

Wolfgang Will, Caesar. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft , 2009 (Gestalten der Antike). ISBN 978-3-534-15417-3

Wolfgang Will, Julius Caesar : eine Bilanz. Stuttgart ; Berlin ; Köln ; Mainz : Kohlhammer, 1992 (Urban-Taschenbücher ; Band 448). ISBN 3-17-009978-7

Karl Christ, Krise und Untergang der römischen Republik. 8. Auflage (unveränderter Nachdruck der 7. Auflage). Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt, 2010. ISBN 978-3-534-26018-8

Ulrike Riemer, Das Caesarbild Ciceros. Hamburg : Kovač, 2001 (Studien zur Geschichtsforschung des Altertums ; Band 8). ISBN 3-8300-0337-4

Jörg Spielvogel, Amicitia und res publica : Ciceros Maxime während der innenpolitischen Auseinandersetzungen der Jahre 59 - 50 v. Chr. Stuttgart : Steiner, 1993. ISBN 3-515-06175-4

Internetseiten zum Einstieg:

https://de.wikipedia.org/wiki/Pro_M._Marcello

http://www.lingualatina.de/contentia/cicero.htm

https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Claudius_Marcellus_(Konsul_51_v._Chr.)