Unterschied osmanisch und türkisch?
Ich habe einige Fragen zu den beiden Sprachen:
1) kann man osmanisch als alttürkisch bezeichnen, oder ist alttürkisch was ganz anderes?
2) ich sehe immer wieder das osmanisch zwar türkisch sein soll, aber es wird immer "komisch" geschrieben. Ist das arabische Schrift, in welcher osmanisch geschrieben worden ist? Und wenn ja, wieso das? Wieso haben sie nicht einfach wie heute in türkisch geschrieben?
3) unterscheidet sich osmanisch und das heutige türkisch nur durch die Sprachreform, welche mit der Gründung der Türkischen Republik 1923 durch Atatürk vollzogen worden ist, oder gibt es noch weitere Unterschiede?
4) wieso ist manchmal die Rede von "osmanisches türkisch"? Gibt es noch weitere osmanische Sprachen?
5) Das heutige Türkisch hat noch einige arabische und persische Wörter. Früher gab es noch viel mehr. Wieso wurden so viele Fremdwörter in die Sprache aufgenommen?
6) Kennt jemand gute Literatur zu der Geschichte der Türkischen Sprache?
Ich weiss es sind viele Fragen auf einmal, aber wenn ich einige Antworten auf diese bekommen könnte, würde mich das sehr freuen. :)
2 Antworten
Hallo,
... also: Osmanisch ist als Sprache des Osmanischen Reichs natürlich Türkisch. Da das Osmanische Reich aber vom 15./16.Jh. bis zu Beginn des 20.Jh. bestand, hat sich die dort gesprochene Sprache natürlich weiterentwickelt, ähnlich wie sich das Deutsche oder auch andere Sprachen sich in dieser Zeit weiterentwickelt haben.
Die Gleichsetzung des Osmanischen mit dem Alttürkischen ist dagegen nicht ganz korrekt, da sich Alttürkisch in der Regel auf einen noch weiter vergangenen Zeitraum beziehen. Mit "Alt-[Sprache]" wird in der Regel das erste und früheste Stadium einer Sprache bezeichnet - meistens im Zusammenhang mit ersten überlieferten Zeugnissen in dieser Sprache. So stammen die frühesten Inschriften in türkischer Sprache meines Wissens etwa aus dem 9. oder 10.Jh. Auf diese Stufe folgt dann die "Mittel-[Sprache]", so kann z.B. für das Mitteldeutsche etwa die Zeit vom 11./12.Jh. bis ca. zum 15./16.Jh. angesetzt werden. Frühere Formen des Deutschen sind entsprechend "Altdeutsch". Für die meisten (europäischen) Sprachen, die ähnlich lang wie Deutsch oder Türkisch überliefert sind, lässt sich der Zeitraum zwischen 15.Jh. - 17.Jh./18:Jh. als Beginn der Phase des "Neu-[Sprache]" ansetzen. Dies ist dann eine Sprachform, die für heutige Muttersprachler/innen relativ problemlos verständlich ist ...
vorausgesetzt natürlich, dass es in der Zwischenzeit keine Schriftreform gegeben hat. Tatsächlich wurde Türkisch im Osmanischen Reich in der Regel in arabischer Schrift geschrieben, was sich aus der Religion erklären lässt: Der Koran ist ja in Arabisch verfasst und gläubige Moslems sollten nach Möglichkeit den Koran im Originalwortlaut lesen können. So haben viele Völker, nachdem sie sich zum Islam bekehrt haben, ihre Sprachen dann in arabischer Schrift geschrieben, etwa die Perser. Das frühere Persisch wurde in einer anderen Schrift geschrieben. Generell war der Einfluss des Islam in Persien ja schon sehr früh sehr stark und deswegen sind auch viele arabische Wörter ins Persische, später aber auch ins Türkische - und andere Sprachen - eingedrungen. Und zwar nicht nur im religiösen Bereich, sondern auch im Bereich der Wissenschaft und Technik, denn islamische Naturforscher und Wissenschaftler waren im Mittelalter im euro-afro-asiatischen Kulturraum führend und hielten ihre Forschungsergebnisse entsprechend in Arabisch oder Persisch fest. Dieser Einfluss zeigt sich sogar im Wortschatz vieler europäischer Sprachen: So sind z.B. Admiral, Algebra, Alkohol, Alkali, Algorithmus, Ziffer und Zenit alles Wörter arabischen Ursprungs. Im Türkischen gibt es wegen der geografischen und kulturellen Nähe zum Arabischen natürlich noch mehr arabische und persische Fremdwörter, z.B. kommen die Wörter "saat" = [Uhr-]Zeit und "kitap" = Buch beide aus dem Arabischen.
Das Problem mit der arabischen Schrift war allerdings, dass diese zur Wiedergabe des Türkischen eigentlich nicht gut geeigent ist, denn das Arabische hat nur vier Vokale, Türkisch dagegen doppelt so viele, z.B. auch ö und ü, die es im Arabischen überhaupt nicht gibt. Hinzu kommt, dass Vokale im Arabischen keine eigenen Buchstaben sind, sondern - wenn überhaupt - durch Punkte oder Striche über oder unterhalb eines Konsonanten gekennzeichnet werden. Im Türkischen dagegen sind Vokale viel wichtiger, um Wörter von einander zu unterscheiden, da bei Verzicht auf Vokale im Arabischen das Konsonantengerüst, das übrig bleibt in der Regel mit einer bestimmten Bedeutung verknüpft ist, was im Türkischen (genauso wenig wie im Deutschen) nicht der Fall ist.
Als Atatürk die Modernisierung und Annäherung der Türkei an Europa voranbringen wollte, hat er daher auch einen Schriftwechsel - hin zum lateinischen Alphabet - veranlasst, zumal Sprachen wie Deutsch und Ungarisch, die ja ebenfalls mit lateinischen Buchstaben geschrieben werden, bereits geeignete Buchstaben für die Schreibung von ü und ö anboten. Die türkische Rechtschreibung ist daher heutzutage sehr regelmäßig und leicht zu lernen: In der Regel wird jeder Laut, den es im Türkischen gibt durch jeweils einen Buchstaben dargestellt, dazu kommt der Buchstabe ğ, der hinter einem Vokal anzeigt, dass dieser lang zu sprechen ist (ähnlich wie ein deutsches Dehnungs-h).
Mit Atatürks Ausrichtung gen Westen gelangten nun auch viele Fremdwörter aus dem europäischen Raum ins Türkische, z.B. "otobüs" (= Autobus) aus dem Französischen - übrigens sprechen die Franzosen "autobus" genauso aus, wie es im Türkischen geschrieben wird! Gleichzeitig wurde versucht, viele arabische und persische Wörter, die ins Osmanisch-Türkische eingeflossen waren, durch genuin türkische - oder auch Fremdwörter aus den großen westeuropäischen Kultursprachen - zu ersetzen. Viele dieser arabisch-persischen Wörter wurden vor allem in offiziellen Texten verwendet, sind aber in Alltagsgesprächen von den einfachen - oft des Schreibens und Lesens unkundigen - Menschen deutlich seltener verwendet worden, sodass dieses "Aufräumen" im türkischen Wortschatz auch eine Anpassung an die tatsächlich gesprochene Sprache ist. Andrerseits sind so relativ junge osmanische Texte aus dem 19.Jh. - selbst wenn sie in lateinischer Schrift geschrieben werden - für heutige Türken oft nur schwer verständlich, da viele der verwendeten arabisch-persischen Begriffe und Wendungen außer Gebrauch gekommen sind.
Andrerseits sind auch türkische Wörter in europäische Sprachen übernommen worden. Zum Beispiel geht das ungarische Wort "zsep" = Tasche auf das türkische "cep" zurück. ["zs" bzw "c" werden als beide "dsch" gesprochen], aber auch Joghurt ist ein Wort türkischen Ursprungs.
Das Türkische - vielleicht genauer das Türkeitürkische - ist nicht die einzige Türk- bzw. Turksprache. Turksprachen, die übrigens mit dem Mongolischen verwandt sind, werden in weiten Teilen Zentralasiens und Sibiriens gesprochen. Zu den Turksprachen gehören z.B. Turkmenisch (schon am Namen erkennbar), Kasachisch, Usbekisch, Tatarisch und Tuvinisch. Den Begriff "osmanische Sprachen" gibt es so nicht.
Wenn du dich allgemein fürs Türkische und Turksprachen interessierst, empfehle ich als erste Anlaufstelle die Wikpedia-Artikel "Türkische Sprache", "Osmanische Sprache" und "Turksprachen" - vielleicht auch in der englischen Wikipedia, denn die englischen Artikel sind oft noch ausführlicher. Dort findest du auch weitere Quellen und/oder Literaturangaben.
LG
Vielen lieben Dank für deine Antwort. War sehr interessant zu lesen!!
Wie du bereits vermutest, das osmanisches hatte sehr viele Persische und Arabische woerter. Besonders in der Literatur und Wissenschaft waren es mehr als 70%. Diese wurden durch alttuerkische Woerter ersetzt oder neugebildet, und sehr oft auch durch lateinische Woerter ersetzt (via Franzoesisch), da diese naeher dem tuerkischen Wortlaut galten. Der Grund war rein politisch. Der Westen galt als kulturell mehr entwickelt und besonders die arabische Welt galt als unterentwickelt und Attatuerk wollte die Tuerkei modernisieren und an dem Westen anschliessen.