Unterschied Chromosomen als Transportform & Chromatin als Funktionsform?

1 Antwort

Moin,

ich erkläre alles in einem Zusammenhang (deshalb stell dich auf einen längeren Text ein):

Ein Chromosom ist ein Gebilde, das die für ein Chromosom charakteristischen Erbinformationen trägt. Es kann als Ein-Chromatid- oder als Zwei-Chromatid-Chromosom vorliegen. Bereits das Ein-Chromatid-Chromosom besitzt alle Erbinformationen, die für das Chromosom charakteristisch sind. Im Zwei-Chromatid-Stadium liegt ein Chromosom nur dann vor, wenn eine Zelle vor einer Teilung steht (Mitose oder Meiose). Und das kommt so:

Der Zellzyklus:

Ganz grob gesehen, kann man das Leben einer Zelle in zwei Phasen unterteilen: in die Phase, in der eine gut erkennbare Zellteilung stattfindet und in die Phase, in der scheinbar nichts passiert und die man deshalb als „Interphase” bezeichnete (als Phase zwischen zwei Zellteilungen).

In Wirklichkeit passiert in der Interphase jede Menge.

Eine Eukaryotenzelle hat in ihrem Zellkern eine bestimmte Anzahl von Chromosomen. Diese liegen zunächst im Ein-Chromatid-Stadium vor. So ein Ein-Chromatid-Chromosom besteht aus zwei Chromatidarmen, die über ein Centromer miteinander verbunden sind. Oft ist ein Arm etwas kürzer als der andere.

Damit die Zelle die Gene auf diesen Chromosomen benutzen kann (Transkription mit anschließender Translation), sind die Chromosomen mehr oder weniger stark entspiralisiert (dekondensiert). Diesen Zustand bezeichnet man deshalb auch als „Arbeitsform des Chromosoms”. Wenn du den Kern einer solchen Zelle anfärbst, erkennt man keine einzelnen Chromosomen, sondern eine eher diffuse Masse, die man als „Chromatin” bezeichnet.

Eine solche Zelle befindet sich in der sogenannten G1-Phase, in der sie Stoffwechsel betreibt und ihre vorgesehenen Aufgaben erfüllt. Das „G” steht dabei als Abkürzung für das englische Wort „Gap” (= Lücke).

Irgendwann erreicht die Zelle einen Punkt, an dem es zweckvoll ist, eine Zellteilung vorzubereiten und durchzuführen. Dazu ist es zunächst nötig, das Erbmaterial (also die Chromosomen) zu verdoppeln, denn schließlich sollen die beiden späteren Tochterzellen über identisches Erbmaterial verfügen. Die Zelle beginnt also mit der Synthese von einem weiteren Chromatid pro vorhandenem Chromatid. Deshalb nennt man diese Phase im Leben einer Zelle „S-Phase”. Den Augenblick, der zwischen dem Ende der G1-Phase und dem Beginn der S-Phase liegt, bezeichnet man als „Restriktionspunkt”.

Am Ende der S-Phase liegen alle Chromosomen im Zwei-Chromatid-Stadium vor. Erst dann gibt es also zwei Schwesterchromatiden, die über das Centromer miteinander verbunden sind (was deiner bisherigen Vorstellung eines Chromosoms entspricht).

Nun schließt sich die sogenannte G2-Phase an. In dieser Phase wird die Verdoppelung der DNA in den Schwesterchromatiden überprüft und eventuell aufgetretene Fehler repariert. Außerdem stellt die Zelle nun noch ein paar Stoffe her, die für die kommende Zellteilung wichtig sind.

Nach der G2-Phase folgt die Mitose (die Kernteilung). Auch die Mitose kann man in vier Phasen untergliedern, nämlich die Prophase, die Metaphase, die Anaphase und die Telophase.

In der Prophase beginnen sich alle Chromosomen stark aufzuwickeln (sie kondensieren). Das ist sinnvoll, weil die Chromosomen während der Mitose in der Zelle bewegt werden sollen. Das geht in der Arbeitsform schlecht, weil sie dann dünne, aber sehr lange Fäden darstellen. Deshalb führt das Aufwickeln dazu, dass die Chromosomen (in ihrem Zwei-Chromatid-Stadium) in die sogenannte „Transportform” kommen.

Aber in der Prophase passiert noch mehr: die Kernmembran beginnt sich aufzulösen (damit die Chromosomen ins Zellplasma gelangen). Außerdem wandern die Centriolen auf einander gegenüberliegende Seiten der Zelle (zu den sogenannten „Zellpolen”). Dabei spannen sie zwischen sich zunehmend länger werdende Eiweißfäden auf, von denen ein paar irgendwann auch durch die Centromeren der Chromosomen führen. Es entwickelt sich der sogenannte „Spindelapparat”. Am Ende der Prophase liegen die Zwei-Chromatid-Chromosomen vollständig kondensiert, der Zellkern ist aufgelöst und der Spindelapparat fertig ausgebildet. Würdest du die Zelle nun anfärben, könntest du die Chromosomen als X-förmige Gebilde gut erkennen.

In der sich anschließenden Metaphase ordnen sich die vollständig kondensierten Zwei-Chromatid-Chromosomen auf einer Linie zwischen den Centriolen an. Da die Centriolen zu diesem Zeitpunkt quasi an den beiden Polen der Zelle liegen, bezeichnet man die gedachte Linie, auf denen sich die Chromosomen anordnen, als „Äquatorialebene” (in Anlehnung an den Äquator zwischen den Polen bei der Erde).

Im Anschluss fangen die Spindelfasern an, sich zu verkürzen, womit die Anaphase beginnt. Da einige der Fasern durch die Centromeren der Chromosomen führen, werden die beiden Chromatiden der Zwei-Chromatid-Chromosomen auseinander gebrochen und jeweils ein Ein-Chromatid-Chromosom zu den jeweiligen Polen gezogen. So wird gewährleistet, dass sich von jedem Chromosom, das Ein-Chromatid-Stadium an beiden Polen einfindet.

In der abschließenden Telophase der Mitose wird der Spindelapparat wieder völlig abgebaut. Die kondensierten Ein-Chromatid-Chromosomen fangen an, sich teilweise wieder zu entspiralisieren (sie gehen zunehmend von der Transport- in die Arbeitsform über). Außerdem wird an jedem Pol eine neue Kernmembran ausgebildet, die am Ende die jeweiligen Haufen an Ein-Chromatid-Chromosomen wieder umschließt.

Damit ist die eigentliche Mitose (Kernteilung) abgeschlossen, aber noch nicht die Zellteilung! Die endgültige Trennung der ursprünglichen Zelle in die Zwei Tochterzellen erfolgt in der sogenannten „Cytokinese”, die jedoch streng genommen nicht zur eigentlichen Mitose gehört. In der Cytokinese wird eine trennende Membran zwischen die Pole der ursprünglichen Zelle eingezogen, was das Cytoplasma aufteilt und zwei Tochterzellen entstehen lässt. Die Zellteilung ist vollbracht. Du kannst also sagen, dass die Zellteilung aus Mitose und Cytokinese besteht.

Am Ende der Cytokinese liegen zwei Tochterzellen vor, die beide wieder in die G1-Phase übergehen, womit der Zyklus von vorne losgehen kann.

Wenn sich Zellen dauerhaft nicht mehr teilen (also wenn sie keinen Restriktionspunkt mehr erreichen), verharren sie quasi in dieser G1-Phase. Dann bezeichnet man diese Dauer-G1-Phase auch als „G0-Phase”.

Fazit:

Die „Arbeits- oder Funktionsform” von Chromosomen ist die dekondensierte (entspiralisierte, nicht aufgewickelte) Form, damit die Zelle an die genetischen Informationen auf der DNA herankommen können. In dieser Form macht ein Anfärben eine diffuse Masse sichtbar, die man „Chromatin” nennt und in der man praktisch keine einzelnen Chromosomen voneinander unterscheiden kann.
Die „Transportform” ist die kondensierte (aufgewickelte, spiralisierte) Form der Chromosomen. Sie wird eingenommen, wenn eine Zellteilung ansteht und die Chromosomen gut bewegbar sein sollen. Färbst du eine Zelle in dieser Phase an, kannst du die Chromosomen einzeln gut erkennen und voneinander unterscheiden.

Ich hoffe, dass du die Zusammenhänge jetzt besser verstehst.

LG von der Waterkant


diekokosnuss123 
Beitragsersteller
 22.09.2019, 12:10

Dankeschön! Hat sehr geholfen :)

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