Steht die Carmina Burana von Orff in Nähe zum Nationalsozialismus?

11 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Eine Verbindung kann man meiner Ansicht nach nur dann konstruieren, wenn man der Meinung ist, daß ein Mitläufer der Nazis kein Kunstwerk schaffen kann, das nicht nazistisch ist.

Um es anders auszudrücken: Orff hat 1937 ein Kunstwerk geschaffen, das keiner Ideologie verpflichtet ist. Ob er selbst nun Nazi war oder nicht - er wurde später als "Mitläufer" eingestuft - das ändert daran nichts.

Mein Tipp: Hör Dir das Werk mal an - es lohnt sich - und lies die Übersetzung der lateinischen Texte. Dann kannst Du das selbst beurteilen und mußt Dich nicht auf hier geäußerte Meinungen verlassen.

Gruß, earnest


nasenstrumpf 
Beitragsersteller
 22.03.2012, 10:09

ich reagiere sicher über, was die nazizeit anbelangt. werde das stück selbst mitsingen, und kann das nur, wenn ich keine zweifel habe. singen ist so emotional, dass das nur geht, wenn man die musik ganz und gar bejaht. aber nun habe ich mich auch noch schlauer gemacht und gelernt über die zusammenhänge, bzw. nicht-zusammenhänge, was diese musik anbelangt. einen "mitläufer" als solchen zu verurteilen würde ich mich nie anmaßen! was weiß ich, wie ich reagiert hätte damals... ?! vielen dank für deine antwort!

earnest  22.03.2012, 10:56
@nasenstrumpf

Mir geht es ähnlich wie Dir. Als ehemaliges Chor-Mitglied habe ich mich bei manchen Texten auch gefragt, ob ich "dahinterstehe". Letzlich hat aber immer die Liebe zur Musik gesiegt - es war aber auch nie etwas "richtig Schlimmes" an den Texten...

Viel Spaß beim Singen der Carmina Burana!
Gruß, earnest

nasenstrumpf 
Beitragsersteller
 23.03.2012, 17:31
@earnest

naja, sagen wir mal so: die liebe zu dieser musik muss erst noch wachsen... :-) aber nun hat mein kopf ja schonmal nichts mehr dagegen zu sagen, da kann das gefühl ja noch kommen... vielen dank für deine gedanken...

Eher nicht. es gab auch vernichtende Kritiken aber auch andere durch NS Postillen. Orff stand immer auf dem Boden eines katholischen Humanismus der sein ganzes Werk durchzieht. Die Frage in solchen Regimen ist natürlich immer welche Kompromisse der Künstler macht und mit welchen Leuten er zusammenarbeitet.

Die Carmina Burana kommt ein gewisser neo primitiver Einfluss, die Anlehnung an Volksmusik und auch volkstümlichen Schlager (Bibit Lied) und ländliche Szenen speziell der Jugend dazu. Das war für die Nazis schon durchaus genießbar, weniger allerdings die ganzen lateinischen Teile.

Hauptfeind der Nazis war ja die Entartete Kunst, in der Musik speziell die Neue Musik mit ihrer Vorliebe für Atonalität/Serielle Musik. Das ist nun etwas was nicht Teil des Orffschen Werkes ist.

Was heißt hier Mitläufer ? Ich habe Zugang zu Schulchroniken, wo der eintragende Dorfschullehrer gemaßregelt wird, dass er die einzelnen Etappensiege in Hälfte 1 des II.WK nicht hellauf bejubelt und girlandenreich festhält. Ziemlich gequält kam der Lehrer dann der Aufforderung, oft untermauert durch Drohungen der Nazigrößen, nach und hat dann einiges geschrieben. Man merkt heute noch die verbale Akrobatik. Diese Chronisten auch nur in die Nähe zu Mitläufern zu bringen, verbietet sich. Orff hat in seiner Eigenart , in seinem Genre und künstlerischen Design schon etwas zeitgerecht und gefällig komponiert , nicht aber spekuliert auf die segnende Hand der Oberen. Dafür war das gewählte Latein geradezu verhängnisvoll. Das konnte nicht passen! --- Wir haben auch heute solch´ verquere Situationen : Wenn in einem Roman ein Türke, ein Jude oder ein Israeli figürlich auftritt, wenn jemand zitiert wird, wenn jemand im Handlungsstrang der dargestellten Geschichte mitwirkt und womöglich Fehler macht, dann ist der Autor im Fokus.---Ich mahne zur Gelassenheit, ohne Missachtung eines wohldosierten Feingefühls.

Auch wenn die Rolle, die Orff im 3. Reich gespielt hat, nicht zweifelsfrei geklärt worden ist, bleibt für mich zweierlei festzuhalten: Vom Text her finde ich in den carmina keinerlei Verbindung zum Gedankengut des Nationalsozialismus und nachdem ich im Laufe meiner über 50jährigen Chorsängerlaufbahn sie mindestens sechsmal gesungen habe, bleiben sie mir trotz meiner Liebe zur barocken Musik unvergesslische musikalische Höhrpunkte.

Salu, das kann man sicher nicht einfach so behaupten, ohne sich näher damit auseinander gesetzt zu haben.

Aber: Es wird gern Komponisten, die von den Nazis "geliebt" wurden unterstellt, selbst Nazis gewesen zu sein.

Ob zu Recht oder nicht, müsste wiederum abgeklärt werden.

Auf jeden Fall: tolles Werk