Soll ich eine Ausbildung zum Notfallsanitäter machen?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hi,

am Ende wird dir diese höchstpersönliche Lebensentscheidung niemand abnehmen können.

Allein an den Aussagen, die Du bisher hast, kannst Du feststellen, dass die Bewertung der Arbeit im Rettungsdienst sehr unterschiedlich ausfällt und bisweilen auch eine Typfrage und von der Gesamtsituation abhängig ist.

Die Arbeit im Rettungsdienst macht mir sehr viel Spaß und es fühlt sich eigentlich nicht wie Arbeit an.

Das ist doch eine Aussage! Die Frage ist: ist das in fünf, zehn, oder dreißig Jahren immer noch wahrscheinlich?

Sind die Arbeitsbedingungen langfristig für dich tragbar, auch wenn andere Verpflichtungen, Wünsche und Ziele dazu kommen?

Hier bleibt einem nicht viel übrig, als selbst darüber nachzudenken, wo man in einigen Jahren und Jahrzehnten im Leben stehen möchte. Dementsprechend kann es hier ein "Go" oder auch ein "No-Go" geben. In letzterem Falle bleibt dann nur die Möglichkeit: nach Alternativen suchen.

Doch durch Gespräche mit Notfallsanitätern und anderen Personen die im Rettungsdienst tätig sind hieß es immer, mach etwas vernünftiges, bleib nicht im Rettungsdienst hängen. Das kaum ein NotSan der mehrere Jahre schon im Rettungsdienst arbeitet mir diesen Beruf empfiehlt verunsichert mich ebenfalls.

Es klingt vielleicht gemein: Der gemeine Rettungsdienstler jammert gerne auf hohem Niveau.

Man darf an der Stelle nicht vergessen, dass all diese Menschen trotz allem im Rettungsdienst arbeiten (obwohl viele auch etwas anderes gelernt haben) und ein erheblicher Teil davon auch noch viele Jahre im Rettungsdienst bleiben wird. Ganz so dramatisch - in der Form, dass man selbst die Reißleine zieht - ist es dann oft doch nicht.

Man darf ebenfalls nicht vergessen, dass es in jedem Rettungsdienst einen gewissen Prozentsatz an "dauerhaft Unzufriedenen" gibt, die die Fliege an der Wand stört. Die sollte man nicht unbedingt als Maßstab einer realistischen Einschätzung nehmen.

Vor allem aber auch die Aufstiegschancen, das Gehalt und generell die Arbeit im Gesundheitswesen machen den Beruf für mich, wenn man die Vernunft mitspielen lässt, nicht besonderes attraktiv.

In einer gewissen Weise ist ja durchaus "Karriere im Rettungsdienst" drin - allerdings tatsächlich eingeschränkter, als in vielen anderen Berufen. Das ist oft auch schon der Tatsache geschuldet, dass die Hierarchien im Rettungsdienst traditionell flach sind.

Fort- und Weiterbilden kann man sich; auch mit dem Ziel, irgendwann nicht mehr im Fahrdienst zu sein - oder auch in andere Felder des Gesundheitswesens zu wechseln. Man muss allerdings eben etwas dafür zusätzlich machen - geschenkt bekommt man es nicht.

Gehalt: ich behaupte tatsächlich, dass ich nicht am Hungertuch nage und per se nicht schlecht verdiene - das relativiert sich mit Hinblick auf die Arbeitsbedingungen durchaus.

Fazit

Wenn Du der festen Überzeugung bist, dass der Notfallsanitäter die Ausbildung der Wahl ist: dann bewirb dich.

Du solltest Dir deine langfristigen Ziele allerdings genauso vor Augen führen wie die Schattenseiten der Arbeitswelt Rettungsdienst, die man schlicht nicht verschweigen kann.

Wenn die Wahl nach einer sorgsamen Abwägung immer noch "Notfallsanitäterausbildung" heißt, gibt es aus meiner Sicht keinen Grund, es nicht zu machen.

Du bist 20 - wenn Du nächstes Jahr die Ausbildung bekommst, wärst Du 24 wenn Du fertig bist. Und wenn Du nach drei, vier, fünf Jahren im Beruf tatsächlich studieren willst: die Möglichkeit steht dir immer noch offen.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Hello :)

Diese Entscheidung kann dir einfach keiner abnehmen... Du kannst auch noch ein Jahr erstmal noch im Rettungsdienst arbeiten und schauen ob es weiterhin oder sogar mehr Spaß macht oder ob es dir langsam auf den Keks geht.

Die Arbeit als NotSan ist auf jeden Fall nochmal eine andere als die des Rettungssanitäters; du hast die Verantwortung über Patienten, Behandlung und vorläufige Diagnose und musst diese auch mit ggf. Konsequenzen tragen. Du hast eine riesen Verantwortung und deswegen sollte dir der Beruf echt Spaß machen. Zudem wirst du da nie auslernen; jährliche Fortbildung, stetiger Wechsel von medizinisches Sichten, neue Algorithmen, etc. Du musst dir das bewusst sein.

Die Ausbildung selber ist auch hart; du lernst in sehr wenig Zeit ausordentlich viel und musst auch deinen Charakter anpassen.

Wenn du nächstes Jahr immer noch so Spaß im Rettungsdienst hast; mach es. Ein sehr krisensicherer Job, mit Eigenverantwortung aber gleichzeitig ein Teamspiel. Du kannst nachdem du fertig bist, immer noch auf Teilzeit gehen, gut Geld verdienen mit nebenbei arbeiten und studieren.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Leon977  15.07.2022, 17:11

Sehr gut geschrieben! Nur bitte erläutere mir doch was du mit Charakter anpassen meinst😅 irgendwie stehe ich aufm Schlauch

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Ahnungslos684  19.07.2022, 14:57
@Leon977

Damit meine ich dass du Reifen musst; Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen und dafür gerade stehen, Teamleader aber auch Teamplayer sein, dich Durchsetzen können, Empathie entwickeln, etc. Steht viel im NotSan Gesetz zu😉

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Ich persönlich sehe Rettungssanitäter hoch an, aber leider bringt dich das in deinem Leben auch nicht weiter.

Aber du kannst dich immer noch weiter bilden und was neues Anfangen. Ich kann dir da deine Unsicherheit leider nicht nehmen.

Hey also ich bin seit 2 Jahren fertig ausgebildete Notfallsanitäterin und bin dabei mich um zu orientieren. Du wirst von deinen Kollegen, die das auch gemacht haben sicherlich auch schon einige Gründe gehört haben.

Mir hat der Beruf in der Ausbildung sehr viel Spaß gemacht und das erste Jahr danach auch. Ich bemerke allerdings dass mir die Frequenz der Vollzeit Beschäftigung nicht gut tut. Also wie häufig ich auf der Arbeit bin und wie mich der unregelmäßige Schichtdienst sozial isoliert.. Du musst die bewusst sein, dass dein Freundeskreis sich stark auf deine Kollegen reduzieren könnte weil deine Freunde aus 9-5 Jobs nicht immer Zeit haben wenn du sie z.B grad hast. Das habe ich persönlich auch darunter verstanden als eine Antwort den Satz "Charakter anpassen" beinhaltete. Klar, geht es auch um Führungskompetenz etc. Mir persönlich ist nur in der Zeit klar geworden, dass mich das Milieu RD sehr verändert hat - zum negativen. Ich habe zuerst eine tolle Charakterentwicklung durch gemacht, bin selbstbewusster geworden, konsequenter, verantwortungsbewusst. Dann kamen aber die Kollegen und der Alltag und ich merkte wie ich immer mehr "abstumpfte".

Zusätzlich das aus dem Tiefschlaf gerissen werden, was einen physisch sehr belasten KANN.

KANN ist hier groß geschrieben weil das alles meine Erfahrungen sind und dir als Abwägungsmöglichkeiten dienen sollen.

Wenn dir der Beruf bisher Spaß gemacht hat, du die Kollegen nicht zu stumpf findest, dir der Rhythmus nichts ausgemacht hat und du eine gute Work Life Balance hast.. dann go for it! Du kannst mit JEDEM Alter dich noch einmal umentscheiden, wenn der NotSan es nachher nicht gewesen ist. Meine Ausbildung hat mir sehr sehr viel Spaß gemacht und auch wenn ich jetzt immoment meinen Beruf nicht genieße würde ich sie immer wieder machen. Ich hab so viele Dinge gesehen und erlebt.. die möchte ich nicht missen. Die Quali bleibt ein Leben lang und ist so viel wert. Du kannst so viele Dinge damit machen. Allerdings ist aufsteigen eher schwierig, wie du sagst. Der Notsan ist leider eine Einbahnstraße. Aber vielleicht findest du die ja so schön dass du nachher darin wohnen willst ;) Und wenn es dir zu Öde wird dann ziehst du einfach um.

Summa summarum muss man sich glaube ich davon lösen, dass man denkt, alles was man tue ist nachher in Stein gemeißelt und man vergeude Lebenszeit.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

philipp101920 
Fragesteller
 11.08.2022, 08:29

Hallo mayibemay, vielen dank für deine hilfreiche Antwort! Darf ich fragen wie du vor hast Dich umzuorientieren? Zur sozialen Isolation durch den Schichtdienst kann ich bis jetzt nach 2 Jahren Rettungsdienst nur sagen, dass es mir eigentlich nicht wirklich viel ausmacht. Ist manchmal eigentlich ganz gut auch mal unter der Woche frei zu haben. Aber es ist natürlich schwieriger seine alten Freunde aus einem 9-5 Job zu treffen, da hast du schon Recht. Schlussendlich wäre der NotSan für mich auch keine Endstation. Mir ist bewusst, dass der RD eine Einbahnstraße ist und daher wäre der NotSan nur als Einstieg in die Medizin gedacht. Gibt ja doch den ein oder anderen Weg den man danach gehen kann und auch wenn es nicht die Medizin bleibt ist die Ausbildung wie du schon sagst bestimmt kein Fehler sondern eine Bereicherung. Ein paar meiner ehemaligen Kollegen haben den NotSan abgeschlossen und danach ein Medizinstudium begonnen. Da ich momentan neben der Medizin eigentlich keine weiteren Interessen in gewisse Berufsrichtungen habe, würde ich den NotSan machen und vielleicht danach noch einmal reevaluieren ob ich bei der Medizin bleibe oder doch einen langweiligen Job im Büro bevorzuge :D

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Notfallsanitäter! Allein der Satz von dir " es fühlt sich nicht wie Arbeit an" spricht dafür, dass du diesen Beruf ausübst. Alles andere ist erstmal unwichtig und sollte für deine Berufswahl nicht entscheidend sein. Nicht so viel nachdenken und alle Pro und Contras abwägen ( kann ich aber nachvollziehen ). Dein Bauch hat sich schon entschieden, du musst nur noch nachziehen.

PS. Meine Schwägerin hat, auf Druck ihres Ex-Mannes und der Familie Jura studiert. Sie ist heute Staatsanwältin, aber nicht glücklich mit ihrer Berufswahl. Könnte sie nochmal wählen, würde sie anders entscheiden.