Schwierigste Sprache Europas?

4 Antworten

Schwierigkeiten können ja in unterschiedlichen Bereichen bestehen. Ich habe mich eine Zeitlang mit Finnisch befasst - ohne dies nun zu können. Sicher ist das Kasussystem sehr formenreich, dennoch ist es logisch aufgebaut, und es gibt nur wenige unregelmäßige Formen (man muss den Stufenwechsel beachten und die Vokalharmonie - beides erleichtert und "verschönert" die Aussprache jedoch, und wirkt im Nachhinein keineswegs unnatürlich).

Stufenwechsel z.B. lintu (Vogel) - linnun (des Vogels, das -t- fällt weg)
Vokalharmonie z.B. talo > talosta, metsä > metsästä (aus dem Haus, aus dem Wald) 

Finnische Verben sind auch nicht schwieriger in der Konjugation als z.B. lateinische Verben, und auch da gibt es nur wenige unregelmäßige Formen. Die finnische Aussprache ist auch nicht sonderlich schwierig (da empfinde ich Sprachen wie Polnisch als anspruchsvoller).

Irisch (was auch eine Amtssprache ist, auch wenn nur eine Minderheit dies de facto im Alltag anwendet) hat eine für mich sehr mysteriöse Schreibweise. Viele Vokale werden nicht gesprochen, sondern dienen alleine dazu, den Konsonanten zu kennzeichnen. "Sean" ist ja bekannt, bei "Saoirse" wird nur das "i" bei "aoi" gesprochen, a nach s sagt: dies ist ein "s", e nach s sagt: dies ist ein "sch". Bei "Laphroaig" wird "oi" gesprochen, warum auch immer.

Irisch hat die keltische Anlautmutation bewahrt. Und Probleme tauchen auch da auf, wo man nicht mit ihnen rechnet. Irisch kennt Unterschiede zwischen 2 - 6 und 7 - höhere Zahlen.

an capall   
sé chapall (6 Pferde) "lenition" (bei 2 bis 6 Objekten)
seacht gcapall (7 Pferde) ("gc" ist "g" in der Aussprache) "eclipsis" 

Isländisch dekliniert "zwei" "drei" und "vier" nicht nur nach Genus, sondern auch nach Kasus (Genitiv, Dativ usw.). Isländisch hat "unsichtbare t" in der Aussprache, die nicht geschrieben werden. Prominentes Beispiel ist natürlich der Eyjafjallajökull.

Baskisch ist auch eine regionale Amtssprache in Nordspanien. Manche Verben werden polysynthetisch gebildet, u.a. "sein" und "haben" - dies übersteigt die finnische Verbkomplexität bei weitem.

Zählt Georgien auch noch zu Europa? Armenien? 


ChrisHH  02.01.2019, 23:15

An Irisch bin ich so ziemlich verzweifelt. Dabei bin ich eigentlich ganz gut in Sprachen.

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OlliBjoern  01.01.2019, 17:55

Baskisch ist eine Ergativsprache, bei den häufigen Hilfsverben izan/ukan, die "sein, haben, tun" (o.ä.) bedeuten können, muss man 4 Schemata unterscheiden.

1) ohne Objekt

2) mit einer Art von "Dativobjekt"

3) ergative Konstruktion (mit einer Art von "Akkusativobjekt")

4) Kombination aus 2 und 3

Beispiele:

1) Umea erori da. Das Kind ist hingefallen.

2) Etorri zitzaigun. Er kam zu uns. -gu- "zu uns"

 (Etorri zitzaion. Er kam zu ihm.  -o- "zu ihm" usw.)

3) Emakumeek (ERG) gizona (ABS) ikusi ditu. Die Frauen sehen den Mann.

4) Zuek (ERG) egunkariak (ABS) erosten dizkidazue. Ihr kauft die Zeitungen für mich.

Bei 4) besteht das Verb aus folgenden vier Partikeln:

di-zki-da-zue
di = Stamm "tun"
zki = Objekt im Plural (egunkariak, die Zeitungen)
da = für mich
zue = ihr (ERG)

"erosten dizkidazue" ist also wörtlich "kaufen - ihr tut sie für mich"

Das Verb hat also nicht nur eine Konkordanz mit dem Subjekt, sondern auch mit dem Objekt (wobei "Dativ-" und "Akkusativ-" Konstruktion wieder anders sind, diese Begriffe nutzt man bei der baskischen Sprache aber nicht, denn Baskisch kennt keinen Akkusativ, man nimmt die Begriffe nor/nori/nork)

An dieser Stelle ist Finnisch deutlich leichter. Ähnliche polysynthetische Konstruktionen gibt es im Osten erst wieder bei der Sprache Burúshaski (Nord-Pakistan), welche aber lexikalisch deutlich abweicht.

 

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OlliBjoern  01.01.2019, 18:35
@OlliBjoern

Jetzt kann man an 4 hübsch herumspielen:

Zuek egunkaria erosten didazue. Ihr kauft die Zeitung (SING) für mich.

Zuek egunkaria erosten diguzue. Ihr kauft die Zeitung für uns (-gu-, siehe oben).

Zuek egunkariak erosten dizkiguzue. Ihr kauft die Zeitungen (PLUR) für uns.

Nun könnten wir Konditionalis/Potentialis hineinnehmen (just for fun):

Zuek egunkariak erosten bazenizkigute.

Ihr würdet die Zeitungen für uns kaufen. (wenn...)

Zuek egunkariak erosten diezazkigukezue.

Ihr könnt die Zeitungen für uns kaufen.  (Potentialis)

Sorry, falls ich möglicherweise irgendwo einen Fehler gemacht habe. Ich habe natürlich eine große Tabelle (auswendig kann ich das natürlich nicht), und selbst mit der Tabelle muss ich lange herumhirnen...)

Die baskischen Silben passen immer zusammen, so dass man beliebig kombinieren kann.

Vom Potentialis gibt es auch die Vergangenheit (ihr konntet kaufen) und die hypothetische Form (ihr könntet kaufen).

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Agglutinierende Sprachen sind für uns natürlich schwer, weil das Konzept uns im Prinzip völlig fremd ist.

Ebenso ist es schwer von einer Sprache mit weniger Fällen kommend eine mit mehr Fällen zu erlenern - aber immerhin kennen wir das Konzept der Fälle.

Mit suomi und magyar hast Du die agglutinirenden als die schwerere Variante eingestuft.

Grundsätzlich sind wohl alle diese Sprachen für den durchschnittlichen deutschen Muttersprachler kein Kindergeburtstag. Keine von ihnen ist nahe mit Deutsch verwandt, sie stammen alle aus weiter entfernten Sprachfamilien.

Auf den meisten Listen rangieren Finnisch oder Ungarisch auf Platz 1. Slawische Sprachen gelten ebenfalls als sehr schwer, aufgrund ihrer zum Teil hochkomplexen Grammatik. Hier gibt es allerdings Ausnahmen - so soll Bulgarisch beispielsweise wesentlich simpler sein als Russisch.

Es gibt noch weitere weniger bekannte schwere Sprachen in Europa: Baskisch ist eine Sprache, die mit keiner anderen bekannten Sprache verwandt ist. Sie stammt vermutlich aus vorkeltischer Zeit und ist sozusagen die letzte Überlebende aus einer längst vergessenen, altertümlichen Sprachfamilie.

Und wo wir gerade bei den Kelten sind... Walisisch, Irisch und Gälisch (die Ursprache der Schotten, nicht mit dem angelsächsischen "Scots" verwechseln!) stehen auch nicht gerade in dem Ruf, sehr einsteigerfreundlich zu sein.

Letztlich ist es wohl auch ein Stück weit eine individuelle Frage... Aber das sind so die Sprachen, die als die exotischsten in Europa gelten.

Isländisch nicht vergessen. Gilt als eine sehr schwer zu erlernende Sprache, vermutlich vor polnisch.


OlliBjoern  01.01.2019, 16:06

Ja, ist schwierig. Ich kann etwas Schwedisch, dennoch ist Isländisch natürlich wieder deutlich unterschiedlich (immerhin konnte ich ca. 3-4 Sätze auf Isländisch dort anwenden, ansonsten habe ich halt Englisch oder Schwedisch benutzt).

Nach ein paar Jahren Schwedisch und etwas Übung in Isländisch kommt man immerhin soweit, dass man lesend "etwas mehr als nichts" versteht. :) 

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