Schliffbild Auswertung Metallographie?
Hallo, wir haben in der Schule kürzlich die Werkstoffprüfung behandelt und dabei selbst Versuche, wie den Zugversuch, Härteprüfung und Metallographie durchgeführt. Jetzt müssen wir noch ein Protokoll darüber schreiben und ich bin mir echt unsicher, wie das bei der Metallographie entstandene Schliffbild auszuwerten ist. Wenn ich es mit Darstellungen im Tabellenbuch Metall vergleiche sieht es für mich am ehesten nach Austenit + Sekundärzementit aus, aber ich bin mir wirklich unsicher und finde auch online keine ähnlichen Bilder.
Vielleicht gibt es ja zufällig einen Experten hier, der das sieht? :) Der Abgabetermin ist in 2 Tagen, deswegen muss ich es bis dahin noch herausfinden. 😅 Vielen Dank im Voraus!
Hier die unterm Mikroskop erhaltenen Schliffbilder:
Handelt es sich bei beiden Bildern um die selbe Probe? Wenn ja, wurde Bild 1 eher im Randbereich, Bild 2 eher im Kern aufgenommen?
Da das, was ich antworten wollte irgendwie 500 Zeichen zu viel sind habe ich es mal hier reingepastet: https://ctxt.io/2/AAB4EbUaFA
2 Antworten
Nachtrag: Diagramm (qualitativ) in Ergänzung den u.a. Antworten.
Die dunklen Zonen sind Perlit (=Ferrit plus Zementit). Bei höherer Auflösung sind die dunklen Zonen streifig hell/dunkel). An den hellen Korngrenzen ist Sekundärzementit ausgeschieden.
Fazit: Das könnte ein Schliffbild eines übereutektoiden Stahles sein.
Austenit-Gefügebestandteile schließe ich aus.
Ich sage könnte, weil es keine Angaben zur Vergrößerung und zur Schliffätzung gibt.
Ich nehme an, Korngrenzenätzung mit Salpetersäure.
Entschuldigung, das mit dem Mikroskop stimmt nicht, das habe ich verwechselt. Mit dem Mikroskop haben wir Bilder von den Proben von der Härteprüfung gemacht, aber diese hier wurden einfach mit dem Handy von einem "normalen" Mikroskop fotografiert. Deswegen kann ich auch nicht sagen wie viel Vergrößerung hier vorliegt.
Vergrößerung hätte ich auf 100x getippt.
Gibt es keine Eingrenzung zum Stahl?
Austenit wird nur von Königswasser angeätzt, also Salzsäure (3) und Salpetersäure (1)
Der verwendete Stahl war von einem mehrere Meter langem Stabstahl mit etwa 1 cm Durchmesser. Außerdem ist er beim Härten im Ofen bei ca. 1200 °C relativ dunkel geworden, also muss er ja einen hohen Kohlenstoffanteil haben, falls das etwas hilft.
Hier sind die Bilder von der Härteprüfung einmal mit einer ungehärteten Probe: https://jumpshare.com/s/AzKiv8siaxa2Xwi0aIw8 und der gehärteten Probe: https://jumpshare.com/s/2COhLMKrzZQFGXEOcgTh
In der Antwort sind aber ein paar Ungenauigkeiten drin:
Gehärtet wird Stahl von ~ 900°C ausgehend
Die dunkle Farbe bei 1200°C ist Zunder, der ist nicht unbedingt ein Indikator für den Kohlenstoffgehalt !!
Bei 1200 °C wird Austenitischer Stahl lösungsgeglüht !
Hochofen ist eine großtechnische Anlage zur Herstellung von Roheisen!
Auf 1200°C erhitzt man keinen Kohlenstoffstahl, außer zum Schmieden, denn er Kohlenstoff entweicht an den Randzonen und steht nicht mehr zum Härten zur Verfügung.
Jetzt wird es strubbelig ! :-)
Oh ja, mein Fehler. Ich habe nochmal nachgeguckt, weil es schon bisschen länger her ist. Der Ofen hatte etwa 900°C und es war natürlich kein Hochofen, den Begriff hatte ich nur irgendwie im Kopf und habe ihn dann gleich in der Nachricht noch verbessert.
ok, wenn es sonst noch Fragen gibt, kannste ja noch schreiben :-)
Danke! Also handelt es sich dabei wahrscheinlich um Perlit? Ich hatte davor auch schonmal die KI zu Rate gezogen und die meinte dasselbe und dass es gut möglich ist, dass es möglicherweise ein unlegierter, härtbarer Kohlenstoffstahl wie C45 sein könnte, aber da weiß man ja nie so recht... Es würde mich auf jeden Fall echt überraschen, wenn die das so gut beurteilen kann. Darauf wäre ich aber auch selbst wahrscheinlich nicht gekommen, weil die Abbildung im Tabellenbuch nicht so ähnlich aussieht.
C45 ist kein übereutektoider Stahl und der passt wohl eher nicht.
Die dunklen Stellen halte ich auch für Perlit.
Vielen Dank schonmal bis zu der Stelle! Könntest du noch einmal zusammenfassen, was man woran an dem Schliffbild alles sehen kann und um welchen Stahl es sich vlt handeln könnte? Bei der Auswertung von der Härteprüfung habe ich bei einer Prüfkaft F von etwa 29430; Kugeldurchmesser D = 10 mm und Eindruckdurchmesser d von ca. 4 mm eine Brinellhärte von etwa 229 ausgerechnet. Nach dem Tabellenbuch passen diese Werte sehr gut auf Gusseisen, Kupfer und Kupferlegierungen oder Stahl, Nickel- und Titanlegierungen. Aber dass es sich um Stahl handelt ist ja eigentlich schon klar. Ich frage mich nur, warum bei der Brinellhärte bei Stahl, Nickel- und Titanlegierungen ein "-" steht.
Zum Thema gemessene Brinellhärte:
Aus einer Brinellhärte von 229 HB kann man nicht auf einen spezifischen Werkstoff (Kupfer, Titan, Guß, Stahl,..) schließen. Wärmebehandlungen, Legierungen, ... vieles hat Einfluss auf die Härte.
Die Brinellhärte zieht man als Info hinzu, um von einem bekannten Werkstoff den Behandlungszustand zu überprüfen, auf relativ einfache, schnelle und weitestgehend unzerstörbarer Art. Im Gegensatz zur Zugprobe !
Die gemessenen 229 Hb können einen Zustand des C45 in weichgeglühten, oder im normalisierten Zustand beschreiben. Das entspräche auch dem Schliffbild.
Walzhart oder vergütet ergäbe ein völlig anderes Schliffbild (Gefügestruktur)
Der C45 ist ein Vergütungsstahl, ein Qualitätsstahl (=reduzierter Phosphor- und Schwefelgehalt), der als Vormaterial (Stabstahl) in walzhartem, weichgeglühtem oder normalisiertem Zustand ausgeliefert wird.
Nach Bearbeitung wird er vergütet (gehärtet und angelassen) und erreicht in den Randzonen hohe (Zug-) Festigkeiten.
Schliffbildbeurteilung:
Beide Schliffbilder zeigen regelmäßige Kristallkörner (dunkle "Flecken") aus Perlit (=Ferrit und Zementit). Im unteren Bild sind die Körner kleiner (Feinkorn), d.h., die Abkühlungsgeschwindigkeit war etwas höher als im oberen Bereich. (Grobkorn)
Bei den hellen Korngrenzenbereichen bin ich nicht sicher, ob das alles Zementit ist (=übereutektoider Stahl >0,8%C) ist oder ob das Ferritanteile eines untereutektoiden Stahles ist, wie z.B. beim C45.
vgl : https://www.tec-science.com/de/werkstofftechnik/eisen-kohlenstoff-diagramm/phasenumwandlungen-im-erstarrten-zustand-metastabiles-system/
Für einen C45 ist der Ferritanteil im Schliffbild eher zu klein (siehe Link).
Die Kristallkörner im Bild sind weitestgehend ungestört, was auf eine niedrige Abkühlungsgeschwindigkeit hinweist. Walzhart ist es nicht.
Der Stahl wurde m.E. Normalisiert (~bei 880°C) und dann langsam (im Glühofen) abgekühlt. Damit erzielt man ein homogenes Gefüge, das gut geeignet ist für die spätere (spanende) Bearbeitung.
Dafür spricht auch die gemessene Brinellhärte von 229Hb
Das ist mega, vielen Dank für die Hilfe! ich habe jetzt auch noch das Diagramm, dass die Auswertung von den Messdaten vom Zugversuch ergeben hat: https://imgur.com/a/O7Z8bLo Kann man da noch etwas erkennen, was die Auswertung beeinflusst?
Der Zugversuch bringt sehr viel weitere Infos:
Ich habe ein qualitatives Bild in meiner ursprünglichen Antwort ergänzt, da ich hier keine Fotos einfügen kann.
Der von Dir gezeigte Zugversuch zeigt einen sehr duktilen Werkstoff, der "weich" ist und sich stark dehnen kann. Das entspricht einem weichgeglühten Stahl.
Merkmal ist hier:
Bei etwa 800 N/mm² beginnt der Werkstoff zu fließen (die "Welle" nach dem proportinalen Anstieg) , an einer Stelle schnürt der Querschnitt der Probe ein (damit steigt die Kraft bezogen auf den verringerten Querschnitt) und danach gibt nur noch an dieser Stelle eine Dehnung bzw. eine Spannungserhöhung !!
Diese lange Dehnung habe ich in meiner Praxis aber noch nicht so gesehen ! :-)
Der proportionale Anstieg bis etwa 700 N/mm² ist der elastische Bereich, d.h., würde man wieder entlasten, sähe die Probe genauso wieder aus wie im Ausgangzustand !!
Danach beginnt der plastische Zustand: Die Probeverformt sich bleibend (!).
Würde man jetzt entlasten, bleibt eine Verformung. Parallel zu der elastischen Linie kann man auf den Ausgangszustand eine Linie zeichnen und die Länge der Verformung ermitteln.
Solche Verformungen sind bei Bauteilen bereits schädigend und irreversibel.
Die konstruktive Auslegung wäre hier mit Sicherheitsbeiwerten ~ 600 N/mm²
ich bin gerade noch am Grübeln, um welchen Stahl es sich jetzt dabei handeln könnte. Mit den Werten von Zugfestigkeit, Dehngrenze und Bruchdehnung würde etwas wie ein legierten Vergütungsstahl 42CrNiMo4 oder martensitischen Stahl X3CrNiMo13-4 oder so funktionieren, aber wenn man alle Aspekte betrachtet passt irgendwie gar nichts so richtig bei den Tabellen im Tabellenbuch.
Die legierten Stähle kannst Du alle ausschließen ! Die passen nicht, das führe ich auch nicht weiter aus.
Es ist ein Kohlenstoffstahl, wobei ich in Hinblick auf den Kohlenstoffgehalt nicht ganz sicher bin.
Hast du vielleicht irgendeine konkrete Vermutung, welcher Stahl es sein könnte?
Das passt halt leider nicht mit der Zugfestigkeit, Streckgrenze und Bruchdehnung überein, obwohl HBW bei C55 z.B. perfekt passen würde. Die Zugfestigkeit beträgt doch so etwa 760 N/mm² und die Bruchdehnung kommt nur auf 2 % und das passt wiederum nicht zu den Stählen.
Ob Austenit + Sekundärzementit bei Raumtemperatur überhaupt möglich ist kann ich nicht mit Sicherheit sagen, eventuell ist es das im System Fe-Ni-C
Hier liegt aber definitiv ein anderes Gefüge vor. Austenit würde von Nital nicht kontrastiert werden, außerdem wären Rekristallisationszwillinge zu sehen. Sekundärzementit ist es auch nicht, der wäre von der Form her etwas anders. An einigen Körnern sieht man auch das "herauswachsen" des Ferrit aus dem Perlit. Die Bildqualität ist allerdings nicht sehr gut
Hier handelt es sich um Perlit (dunkel, lamellar) und voreutektoiden Ferrit (hell, netzartig an den ehemaligen Austenitkorngrenzen). Der Stahl könnte z.B. ein C60 sein
Danke für die Antwort! Ich habe jetzt auch das Diagramm aus den Messergebnissen vom Zugversuch: https://imgur.com/a/O7Z8bLo und grüble aktuell, um welchen Stahl es sich nun handeln könnte. Die ausgerechnete Brinellhärte der Härteprüfung beträgt etwa 229 HB. Bringt das noch etwas zur Beurteilung und hast du vielleicht noch eine konkrete Vermutung, um welchen Stahl es sich handeln könnte?
Würde wie schon gesagt auf nen C60 passen von der Zugfestigkeit/Streckgrenze her. Die Bruchdehnung wäre allerdings sehr gering mit nur 2%, ist das Diagramm möglicherweise fehlerhft bzw wurde nicht bis zum Versagen gezogen?
Nicht, dass ich wüsste. Die Probe wurde eventuell einen Ticken zu schnell belastet, aber sonst würde mir nichts einfallen.
Vielen Dank für die Antwort! Die Ätzung haben wir tatsächlich mit Salpetersäure vorgenommen und das Mikroskop mit dem die Aufnahmen entstanden sind war ein Traveler USB-Mikroskop SU 1071, also uralt. Da das nur 10x, 60x und 200x kann war es wahrscheinlich eins von den letzteren, aber ich bin mir gerade nicht ganz sicher.