Psychotherapeut eigene Praxis - Nettogehalt

4 Antworten

Die Therapiestunde selbst ist mit 80 - 120 € je 50 min nicht schlecht bezahlt. Allerdings ist zu beachten, dass zu den 50 Therapieminuten noch weitere "unvergütete" Arbeiten hinzukommen: Dokumentation, Terminvereinbarung, Anträge, Abrechnung, Kommunikation mit Ärzten, Vorbereitung der Sitzungen... die werden insgesamt mit einer Grundpauschale unter 10 € je Patient und Quartal vergütet. Zudem fallen Patient*innen auch immer wieder auf Grund von Krankheiten, Urlaub, Kinderbetreuung usw. aus - dann kann man die entsprechende Stunde natürlich auch nicht abrechnen (teilweise wird aber ein - geringeres - Ausfallhonorar mit den Pat. vereinbart). Und im Gegensatz zu Ärzten kann man dann niemand anderen für die eine Stunde dazwischenschieben, da Therapie langfristig läuft. Ggf. anstehende Anträge/Gutachten sind oft eher mäßig vergütet. Für einen Gutachtenbericht für Langzeitanträge werden beispielsweise 46 min zur Abrechnung angesetzt und vergütet, das Verfassen dauert in der Realität aber oft Stunden.

Somit sind 40 Therapiestunden die Woche zwar möglich, aber unrealistisch. Zum Einen ist die Arbeit emotional durchaus anstrengend, so dass man 8 Patienten am Tag meist nicht gerecht wird. Außerdem muss Zeit für Papierkram und Co eingeplant werden, was auch Arbeitszeit ist.

Hinzu kommen die Kassensitze - die sind selten und teuer. Wenn man durch Wartezeit und Glück einen erwischt, können da durchaus sechsstellige Kosten zusammenkommen - üblicherweise ohne, dass man einfach einen kompletten Patientenstamm übernehmen kann, wie bei Ärzten. Der entsprechende Kredit muss dann erstmal abbezahlt werden. Und oft hat man nach der therapeutischen Ausbildung (die ja auch gerne über 10 000 € kostet, bei eher geringer Bezahlung - zumindest nach dem alten System) nicht (mehr) so viel Erspartes übrig.

Und als selbstständige Person sind folgende Beiträge ebenfalls nicht zu unterschätzen: Krankenkasse, Rentenkasse/Versorgungswerk, einkommensabhängiger Kammerbeitrag, ggf. Beiträge für Berufsverbände, Berufshaftpflichtversicherung, ggf. Berufsunfähigkeitsversicherung, ggf. berufliche Rechtsschutzversicherung, Lizenzgebühren fürs Abrechnungssystem, ggf. Lizenzgebühren für Systeme für Videotherapie...

Man verdient also nicht schlecht (angeblich 2500 - 3500 netto), aber die meisten Ärzte verdienen eben besser. Alternativ könntest du eine Privatpraxis aufmachen - wenn du es schaffst entsprechende Patient*innen zu "werben", sind da durchaus ganz andere Stundensätze drin.

Woher hab ich meine Infos: aus familiären Gründen viele Einblicke in die Abrechnung einer allgemeinmedizinischen Praxis, ich selbst bin über ein Weiterbildungsinstitut aktuell selbstständig ambulant psychotherapeutisch tätig (aber ohne Kassensitz)

Ein Arzt oder Therapeut mit eigener Praxis bekommt kein Gehalt in dem Sinne. Er benötigt einen Business-Plan und weiss was er an Ausgaben zu stemmen hat für die Räumlichkeiten und das Personal und sonstigen Aufwendungen. Erst wenn das alles bezahlt ist und noch was "übrig" kann er dies als "Einkommen" ansehen.

Immerhin belaufen sich die Kosten pro 50 min Therapiesitzung von 80-120 €.

Das ist schon das nächste Problem. So einfach bekommt man keine Kassenzulassung. Entweder man kauft einem Therapeuten, der aufhört / in Ruhestand geht, die Praxis mit Kundenkartei teuer ab oder man darf nur Privatpatienten behandeln. Da die meisten Leute hier in Deutschland kein Geld für private Sitzungen haben, ist es schwierig dann die Praxis voll zu bekommen.


Linchen1990 
Beitragsersteller
 01.04.2015, 16:20

auch so was unerklärliches, dass es bei vielen angehenden Praxen an der Kassenzulassung scheitert. Denn die Psychotherapie ist heutzutage gefragter denn je - schon allein die ewigen Wartezeiten auf einen Therapieplatz sprechen  für sich!

0

Wenn du deine Ausbildung fertig hast und irgendwo ein Praktium machst, ist es immer noch früh genug über den Verdienst nachzudenken. Der Stundensatz dürfte sicher sehr individuell sein. Krankenkasse - Privat.

Ich kann dir über Preise nichts sagen. Tut mir aufrichtig leid. Aber in unserer Nachbarschaft lebt ein Psychotherapeut, der hat zwei Kinder aus erster Ehe und weitere zwei Kinder aus zweiter Ehe. Er wird also für die ersten Kinder noch Unterhalt bezahlen müssen. Trotzdem lebt er scheinbar in ordentlichem Wohlstand. Ich denke also, dass man als Psychotherapeut nicht am Hungertuch nagen muss und eine Familie gut ernähren kann.


Linchen1990 
Beitragsersteller
 01.04.2015, 16:41

das hört sich ja schon mal gut an, wenn er so viele Kinder finanzieren kann, aber man weiß natürlich auch nie wie es bei den Leuten grundlegend finanziell aussieht. Abgesehn davon wie viel sie durch ihren Job haben.

0