Narzissmus und hohe Empathie?
Ich bin ein diagnostizierter Narzisst. Die Diagnose habe ich mit 16 oder 17 bekommen, was sehr jung ist. Als ich jünger war, lobten meine Eltern immer meine "Gabe", die Empathie. Ich konnte Menschen unglaublich schnell lesen, Lügen erkennen und Gefühle erkennen. Ich habe mein ganzes Leben immer wieder "du verstehst mich" gehört und war stolz darauf, Menschen besser durchschauen zu können, denn jeder, den ich jemals kannte.
meine Persönlichkeit wurde früh dunkel, ich war meine Jugend oft depressiv in meinem Zimmer und zog mich vor der Welt zurück, da meine stürmische/impulsive Art mich oft zum Außenseiter machte. Ich wurde sehr egozentrisch und hörte auf mich so sehr um Menschen zu kümmern, wie ich es früher getan hatte.
Ich habe mich irgendwie angepasst, bin sogar sehr beliebt. Menschen lieben mich, finden mich interessant und meistens bemerken sie meine Dunkelheit nicht. Selbst Empathen bekommen meist von mir keine negative Energie, da ich es gut überspielen kann.
Ich sehe mich als Narzisstin, es trifft sehr gut aus mich zu. Der einzige Punkt, der nicht übereinstimmt, ist Empathie. Narzissten haben keine Empathie, soweit ich gehört habe. Ich bin nach wie vor exzellent darinnen menschliche Bedürfnisse und Gefühle zu erkennen, auch wenn ich sie letztendlich für meinen eigenen Vorteil nutze und die Gefühle nicht selbst fühle. Ich bin die Seelsorge meiner Freundesgruppe und höre Menschen liebend gerne zu, einfach, weil ich sie für meine Zwecke verwenden kann. Ich habe bis auf Wut keine ausgeprägten Emotionen und musste nach einer Weile emotionaler Kaltheit emotionale Gesichtsausdrücke üben. Das war ein Desaster, aber wenigstens sieht es authentisch aus.
Naja, der gesamte Punkt der Frage ist, dass ich mich wundere, ob das psychologisch sich nicht widerspricht. Empathie und Narzissmus.
7 Antworten
Hi. Ich schreibe hier oft Antworten zum Narzissmus, weil das aktuell ein sehr populäres und leider vielfach missverstandenes Krankheitsbild ist.
Mal der Reihe nach. Narzissmus ist eine Erkrankung der Persönlichkeit. Üblicherweise diagnostiziert man diese Formen der Persönlichkeitserkrankung vor dem 18. Lebensjahr nicht, weil man davon ausgeht, dass sich die Persönlichkeit bis dahin nicht ganz ausgebildet hat. Nun bin ich eigentlich recht vorsichtig wenn es darum geht, ausgesprochene Diagnosen anzuzweifeln - aber Narzissmus vor dem 18. Lebensjahr zu diagnostizieren finde ich nicht sauber. Wie kommt der Therapeut auf solch eine Idee?
Die Symptome, die Du schilderst, passen auf mehrere Erkrankungen. Den eigentlich Kern, den es braucht (für den Narzissmus) schilderst Du nicht: Narzissmus dreht sich darum, dass man sich selbst nicht erkennen kann. Es ist eine Erkrankung der fehlenden Selbstreflexion. Aus diesem Grund ist Narzissmus nicht therapierbar, denn Narzissten verstoßen Menschen die Ihnen zu nahe kommen, da sie Angst haben sie würden von Fremden besser erkannt als sie sich selbst erkennen können, was sie extrem kränkt. Anders gesagt: da Du Deine Diagnose "magst", ist eigentlich ausgeschlossen, dass sie stimmt. Narzissten wollen diese Diagnose nicht wahrhaben, weil sie dadurch verletzt werden.
Warum wird Narzissmus so oft falsch diagnostiziert? Es ist ein Krankheitsbild, welches aus einer bestimmten Schule der Psychologie stammt - in der Wissenschaft gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, wie Psyche funktioniert. Die Tiefenpsychologie hat diese Störung benannt und beschrieben; später wurde sie von anderen Schulen (z.B. Behaviorismus) adaptiert bzw. gleich genannt, aber inhaltlich völlig anders übersetzt. Deshalb versteht ein Verhaltenstherapeut etwas anderes darunter...
Danke für die Antwort! Ich habe mich auch sehr über die Diagnose gewundert. Mich hat es nicht sonderlich überrascht Narzissmus zu haben, mich hat eher das Alter gewundert
Erkenntnisse von britischen Psychologen zeigen, dass Narzissten durchaus einfühlsam sein können und Empathie empfinden - wenn man ihnen ein wenig auf die Sprünge hilft. Genaueres findest Du hier.
https://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-lektionen-in-mitgefuehl-1.1979717
Du gibst die Antwort selbst: "[...] auch wenn ich sie letztendlich für meinen eigenen Vorteil nutze und die Gefühle nicht selbst fühle." Du fühlst nicht mit, das wäre empathisch. Du erkennst lediglich das Gefühl / das Leiden des Anderen. Übrigens schließen sich Empathie und Narzissmus auch nicht gänzlich aus. Ich habe lange unter einer Narzisstin gelitten, die alle Merkmale der NPS überdeutlich zeigte, aber absolut in der Lage war, ehrlich mit anderen mitzufühlen. Aber nur dann, wenn sie zu denen eine persönliche und positive Beziehung hatte. Ansonsten könnten die vor ihren Augen verbluten und sie könnte dabei entspannt einen Wein genießen.
Für mich persönlich gehört mehr zu Empathie, als "nur" das Erkennen von Emotionen bei anderen Menschen.
Empathie ist für mich die Fähigkeit sich in diese Menschen hinein fühlen zu können und ihre Emotionen in einem gewissen Moment einfach nach empfinden zu können etc.
Wenn ich sehr emphatisch bin (sprich mich in Personen hineinversetzen kann) würde ich nie mit den Gefühlen der Person spielen oder gewisse Ängste und Emotionen zu meinem Vorteil manipulieren, denn ich wüsste ja was das in der Person auslöst.
Meine Meinung ist, dass es sich bei dir nicht um wahre Empathie handelt sondern du einfach ein sehr analytisches Verhalten bei deinen Mitmenschen an den Tag legst und du dadurch weißt, wie sie sich fühlen etc.
Zwischen Gefühle bei anderen erkennen, und sie selber fühlen ist ein Unterschied.
Mitgefühl heißt nicht, dass ich die Gefühle des anderen fühle, das können wir Menschen nicht, Mitgefühl heißt, dass ich sehe dass es jmd anderen schlecht geht und dass ich deswegen mein Verhalten ggfs an ihn anpasse (stirbt wer, rede ich beispielsweise nicht gerade von dem was in meinem Leben Grade super läuft sondern relativieren mich mit negativem)
Eine Bekannte sagte Mal sie würde sogar leiden durch ihr Mitgefühl, sowas halte ich für unmöglich und höchstens den Versuch sozial zu wirken