Nabokovs Lolita - problematisch?
Würdet ihr Vladimir Nabokovs Lolita als Verharmlosung oder gar Verherrlichung von Hebephilie sehen? Inwiefern wird dadurch der Status des Werks als "Klassiker" beeinträchtigt.
Die Frage halte ich insbesondere deshalb für aktuell, weil sich das relativ neue Buch "Meine dunkle Vanessa" ja recht anklagend gegenüber Lolita positioniert.
4 Antworten
Weder noch. Das Buch stammt aus der Nachkriegszeit vor der 1968er-Jugendrevolution gegen jegliche Autoritäten - und auch für jene so genannte freie Liebe, die vor mitmenschlicher Verantwortungslosigkeit nur so strotzte.
Alle drei Helden - Humbert, Dolores/Lolita - sind einerseits durch Humberts Liebesunfähigkeit (Lolitakomplex) als altes Bübchen und pubertäre Sexsehnsucht, andrerseits durch Lolitas Liebesunfähigkeit als junges Mädchen und vorpubertäre Gleichgültigkeit gegenüber ihrer eigenen Prostitution für Humbert, bereits vom Beginn ihrer psychopathischen Beziehung an ihrem Untergang geweiht.
Das stellt der Roman mit beißender Kritik an der Liebesverweigerung, der typisch kirchlich manifestierten Sexfeindlichkeit und der Gleichgültigkeit des menschlichen Ideals der Verbindung von Liebe und Sex als ethisch höchsten Lebensausdruck eines Liebespaares nicht nur der damaligen Gesellschaft der USA dar.
Deshalb muss am Ende Humbert als Mörder eines vermeintlichen Nebenbuhlers im Gefängnis auf seinen Prozess bzw. seine Hinrichtung warten. Deshalb muss Lolita nach der Geburt ihres ersten ehelichen Kindes auch sterben.
Der Roman ist also eher eine humanistische Predigt, dass der Mensch für eine menschenwerte, nämlich verantwortungsvolle Liebe mit Sex und in Liebe gezeugten Nachkommen erst reifen muss, sonst vernichtet er sich selbst...
Heute wissen wir wesentlich mehr in der Sexualpsychologie, auch die staatlichen Gesetze für das Sexualverhalten sind in manchen Staaten entscheidend geändert.
Absolut nicht. Ich denke, wer das so sieht hat noch nicht verstanden, dass die Übernahme der Perspektive eines Charakters in einem Roman nicht bedeutet, dass alles, was das der Charakter denkt und tut für gut befunden wird oder akzeptiert werden soll. Lolita zeichnet das Portrait eines besessenen Mannes, und gerade dadurch, dass uns die Innenansicht gegeben wird können wir die Irrwege seiner Taten und Gedanken viel besser verstehen, als wenn uns einfach nur von außen ein Bild gegeben wird.
Gerade deswegen denke ich eher, dass der Roman noch ziemlich zur Stigmatisierung hebephiler und pädophiler Menschen beiträgt. Humbert Humbert wird uns gewissermaßen als stereotypischer pädo-hebephiler Mann präsentiert und von vielen so gesehen – und dieser ist, dem Roman nach zu urteilen, manipulativ, verschlagen, hinterhältig, besessen, krank und kriminell. Viel Raum für Sympathie gegenüber pädo-hebephilen Menschen bietet das nun wirklich nicht.
Der ältere Mann wird einfach von der Jugend des Mädchen angezogen sie spielt mit ihren Jugendlichen weiblichen Reizen und ist eigentlich das verführerische kleine Mädchen , das der Professor ihr nicht widerstehen kann ist seine Schwäche aber auch sehr verständlich. Ich finde das Buch nicht problematisch und auch nicht verharmlosend
Das junge Mädchen trägt für sein Verhalten ja allenfalls eine Teil-Verantwortung.
Wobei ich die Absichten ja schon recht eindeutig finde, wenn junge Teenagerinnen z. B. so auftreten:
Wie bitte? Ein zwölfjähriges Mädchen für Sex zu bezahlen - das macht Humbert mit Dolores, die er psychopathisch "Lolita" nennend besitzen möchte - sei für einen Mann wohl natürlich, weil er diesem Verbrechen nicht leicht widerstehen könnte?
Ab zum Psychotherapeuten - schnellstens - wenn das so sein sollte!?
Natürlich ist er komplexer, aber genau das ist der Kern des Romans:
Beide Helden sind liebesunfähig aus verschiedenen Gründen. Ob die Prostitution und das Freier-sein selbst psychische Krankheiten sind, ist heute vielleicht zu hinterfragen. Auf jeden Fall sind sie amoralische zwischenmenschliche Beziehungen und pathogen für beide Menschen, deshalb sterben sie in diesem Roman. Alles Andere in der Geschichte ist nur nicht-seichte Ausschmückung.
seid ihr so trieb-schwanzgesteuert?
Manche Männer ja, aber die meisten sicher nicht. @Peter762 gehört offenbar der obigen Minderheit an...
Erste Frage: Nein.
Zweite Frage: Ebenfalls nein.
Nach heutigen Maßstäben ist das Werk zudem ziemlich "harmlos".
Gruß, earnest
na dann weiß ich nicht, warum die Verfilmungen im sog. Giftschrank verschwunden sind. Die VErsion mit J.Irons in der männl. Hauptrolle ist nie öffentlich gezeigt worden. Eben weil man nach heutigen Maßstäben das Werk eben nicht als harmlos empfindet.
sie spielt mit ihren Jugendlichen weiblichen Reizen und ist eigentlich das verführerische kleine Mädchen
Das ist die Ausrede aller Missbraucher, wenn sie vor dem Richter stehen.