Meine Gedanken denken an den Tod :(

16 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo MAREiiKE,

etwas verspätet nun zwar, aber dennoch wie versprochen: Meine Antwort.

-

Als ich deinen Text las, war das wie ein Blick in die Vergangenheit. Das hätte mein Text sein können, von mir geschrieben als ich so alt war wie du.

Ich kenne diese Gefühle sehr genau. Ich weiß wie es sich anfühlt, wenn man nicht schlafen kann, weil die Gedanken sich einfach in Luft aufzulösen - in der Zukunft einfach im Nichts zu verschwinden, so beherrschend und schmerzvoll sind, dass man verzweifelt versucht sie in andere Richtungen zu lenken.

Das funktioniert nicht. Wobei ich hier eigentlich nur für mich selbst sprechen kann, und aus diesem Grund kann dies alles auch nur bedingt ein Ratschlag sein. Vielleicht haben wir Glück und es ist ein guter Ratschlag, vielleicht haben wir auch nicht so viel Glück und es ist ein eher mittelmäßiger oder nutzloser Ratschlag für dich, aber dann ist es vielleicht immerhin ein winzig kleiner Trost, dass du nicht alleine mit diesen Gedanken bist und dass es zudem möglich ist einen Weg zu finden, der sie verschwinden lässt.

-

Diesen Weg allerdings muss man erstmal finden und das ist gar nicht so einfach. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Nacht, in der ich das erste Mal ganz bewusst darüber nachdachte, was passiert, wenn ich sterbe. Ich war 11 und steigerte mich so sehr in diesen Gedanken herein, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Mein Herz schlug wie verrückt, ich rechnete mir aus, wie viel Prozent meines Lebens schon vorbei sind und wie viel Zeit mir noch bis zu diesem für mich damals schrecklichen Moment bleibt. Die Vorstellung, dass mein „Ich“ verschwindet, dass es mich mit all meinen Erinnerungen, Charakterzügen und Gefühlen nicht mehr geben würde, das machte mir Jahre lang eine riesige Angst. Eine Angst, die wie Treibsand oder eine wilde Schlingpflanze aus einem Abenteuerfilm so tückisch ist, dass man ihr hilflos ausgeliefert ist. Je mehr du zappelst und um dich schlägst, desto tiefer versinkst du darin.

Ich glaube das ist das Geheimnis – du muss stillhalten.

Ich musste stillhalten.

-

Das tat weh, denn die Angst konnte so in alle Fasern meines Körpers fließen. Ich ließ es zu. Es dauerte immerhin 10 Jahre bis ich das konnte.

Und es dauerte einen Moment bis ich es nie wieder musste.

-

Anschließend war es verschwunden. Zu dieser Zeit veränderte sich gerade viel in meinem Leben und ich war an einem Punkt, an dem man Mut haben muss und große Schritte in eine neue Richtung macht. In dieser Zeit, in der alles so schnell ging, ließ ich fast beiläufig meine Angst vor dem Tod verschwinden, schraubte mein Ego einen Gang runter und bemerkte erst einige Monate später beim Einschlafen, dass ich schon seit einiger Zeit problemlos einschlafen konnte.

-

Ich weiß, das klingt alles wahnsinnig abstrakt und ich würde es evtl. nicht nachvollziehen können, hätte ich diese Sache nicht schon überstanden.

Es ist wie eine riesengroße Freude, wenn man sich auf einmal traut, bewusst über den Tod nachzudenken. Es ist so wahnsinnig befreiend, wenn man es aus der Perspektive einer nächtlichen Todesangst betrachtet.

Die bewusste Auseinandersetzung mit dieser Angst lässt sie vielleicht verschwinden. Die Angst kann dich nur so fertig machen, weil du dich dem Thema verschließt. Und das ist nun keine Kritik, denn ich glaube, dass das eine sehr natürlich Reaktion ist. Aber wenn du den Tod akzeptierst und dich vielleicht auch literarisch mit ihm beschäftigst, ebenso wie mit verschiedenen Weltsichten, dann wirkt er auf einmal nicht mehr so angsteinflößend. Das menschliche Ego ist schon ein Schelm, es möchte natürlich existieren. Was anderes kann es ja nicht.

-

Bei mir waren Bücher ein Schlüssel. Ein anderer war meine Neugier. Ein weiterer war lange zusammengesuchter Mut. Der wichtigste ist die Lebensfreude.

-

Solange du das Leben liebst, kannst du erkennen, wie großartig es ist und wie sehr man es abfeiern sollte, wenn man weiß, dass es endlich ist.

Es gibt einen wunderschönen Text aus Richard Dawkins` „Der entzauberte Regenbogen“. Man mag von dem Mann halten, was man will, das Folgende ist großartig:

-

Wir alle müssen sterben, das heißt, wir haben Glück gehabt. Die meisten Menschen sterben nie, weil sie nie geboren werden. Die Männer und Frauen, die es rein theoretisch an meiner Statt geben könnte und die in Wirklichkeit nie das Licht der Welt erblicken werden, sind zahlreicher als die Sandkörner in der Sahara. Und unter diesen ungeborenen Geistwesen sind mit Sicherheit größere Dichter als Keats, größere Wissenschaftler als Newton. Das wissen wir, weil die Menge an Menschen, die aus unserer DNA entstehen könnten, bei weitem größer ist als die Menge der tatsächlichen Menschen. Und entgegen dieser gewaltigen Wahrscheinlichkeit gibt es gerade Sie und mich in all unserer Gewöhnlichkeit.

-

Dass du lebst, ist toll. Und nur weil du lebst, kannst du diese Angst spüren.

Nur weil du dein Leben liebst, hast du Angst, dass es verschwindet.

Du bist ein glücklicher Mensch, MAREiiKE.


Greensmoke22  08.12.2023, 23:47

Ich fühle genau diese Zeilen die du geschrieben hast ich kenne dieses Gefühl das ihr Beine habt und hattet ich habe diese Gefühle auch das ich nicht alt werde .

0
MAREiiKE 
Beitragsersteller
 29.07.2011, 19:12

Danke, eine wirklich tolle Antwort :)

0
lastannahme  29.04.2012, 23:09
@MAREiiKE

Was soll man da noch sagen. Das hört sich SEHR vertraut an. Eine wahrhaft gute Antwort! Qualia - was ist das Wesen der Dinge?

0
sanne172  29.07.2011, 09:42

Eine phantastische Antwort! Danke dafür :-)

0

Wieso willst du das verdrängen ich finde das toll das du dich damit so ausseinander setzt. Leben bedeutet sterben lernen und das tust du grade. Du wirst diese Gedanken auch noch weiterhin haben und das ist auch gut so nur lenke sie in eine andere Richtung. Denn das was du machst könnte man auch wunderbar in eine Philosophische Richtung lenken. An deiner Stelle solltest du einfach mal mit lesen beginnen zum Beispiel mit Schopenhauers "Über den Tod" oder ähnliche Werke die sich damit befassen. Auch könnten die Kurzgeschichten von Ryunosuke Akutagawa (am besten die aus "Die Geschichte einer Rache" und "Japanische Novellen") weiterhelfen dir ein eigenes Bild von leben und sterben zu machen. Nur so kann man auch seine Angst davor verlieren und ausserdem lebt es sich so auch wesentlich besser. Das wird dir deine Angst nehmen das verspreche ich dir. Wenn du mal tiefergehend dich für die Materie interessierst schreibe mich einfach an stehe dir immer zur Verfügung.

PS: Nachrichten wie "mehr saufen ???" kann man sich auf verkneifen da diese einfach unbrauchbar sind.

Okey. Weißt du diese Sorgen hab ich auch manchmal. Und ich kann dir versichern, dass jeder Mensch Angst vor dem Tod hat. Und so ziemlich jeder Mensch hat Angst dass seine Eltern sterben.
Nur mir ist irgendwann klargeworden "Du kannst sowieso nicht dagegen machen. Also willst du weiter um deine Eltern trauern obwohl sie noch nicht tod sind, oder willst du die restliche Zeit mit ihnen verbringen?"
Es ist ganz einfach so. Das einzige was am Ende deines Lebens zählt ist, ob du glücklich warst und ob zu zufrieden mit dir selbst bist.
Ich bin auch erst 18. Aber ich trete mir jetzt schon in den Ársch und versuche jeden einzelnen Tag den ich auf dieser wunderschönen Erde geschenkt bekam zu genießen.
Es ist ganz einfach. Du musst nur LEBEN. Diese Gedanken wirst du niemals ganz loswerden. Aber du kannst ihnen in den Ársch treten indem zu sagst. "Noch lebe ich. Allein das ist wichtig."
Viel Mehr kann man eigentlich nicht sagen. Wir alle werden irgendwann sterben. Irgendwann gibt es mich auch nicht mehr. Einerseits ist es einfach nich zu glauben, dass man einfach nicht mehr existiert. Und die Leute die ein Problem damit haben, die suchen sich meistens eine Religion, die ihnen sagt dass sie eines Tages im Jenseits landen und dort weiter"leben". Ich finde den Gedanken sehr schön, aber letzten Endes eigentlich noch unrealistischer als dass wir alle irgendwann aufhören zu existieren.
Aber es nützt einem nichts wenn man nur daran denkt wie es einmal enden könnte. Du musst das ganze nur umdrehen. Am Ende musst du nur daran was du die ganze Zeit gemacht hast.
Ich sage nicht, dass der Tod damit einfach ist oder dass du zum Schluss keine Angst davor hast. Vielleicht wirst du es. Aber das ist nicht das wichtigste. Das wichtigste ist das hier und jetzt. Dieser Augenblick. Du wirst die nächsten Sekunden, Minuten, Stunden, Jahre nicht ein zweites Mal erleben. Aber genau das ist der Punkt. Womit willst du diese zeit verbringen?
Die Wahl liegt ganz bei dir.
ES IST DEIN LEBEN.


MAREiiKE 
Beitragsersteller
 24.07.2011, 01:23

Das verstehe ich auch Alles. Ich lebe meine Leben schon in vollen Zügen aus. Ich genieße die wunderbaren Momente mit meinen Freunden und mit meiner Famlie. Aber sobald ich im Bett liege und versuche zu schlafen, da denk ich einfach nur noch daran, das ich bald keine schönen Momente mehr haben werde. Ich weiß nicht, es ist so, als würde es mich steuern. Als könnte ich noch so ein wunderbares Leben habe, ich würde immer wieder darüber nachdenken das ich das alles bald nicht mehr erlebe. Es ist krank :(

0
FishermanFriend  24.07.2011, 01:31
@MAREiiKE

Dann solltest du vielleicht wirklich mal mit einem Psychologen darüber reden.
Wenn du dein Leben schon auslebst kannst du wirklich nichts mehr falsch machen. Auch wenn du schlechte Sachen erlebst. Das gehört nun mal auch zum Leben.
Ich weiß aber wie sich das anfühlt. Ich kann mich aber einfach damit trösten, dass Morgen ein neuer Tag ist und ich mit dem Gefühl aufwache, dass ich all das noch machen kann was ich gestern machen konnte. Und wenn das mal nicht der Fall ist, ist es halt so. Das Leben geht trotzdem weiter. Der Tag deines Todes ist nur EIN Tag in deinem Leben. Du hast noch tausende andere.
Aber wenn dir all diese Kommentare nicht weiterhelfen, solltest du wirklich zu einem Spezialisten gehen. Der wird dir ganz sicher helfen können.
Aber wie schon gesagt. Wichtig ist allein nur das Leben. Nicht der Tod.

0
MAREiiKE 
Beitragsersteller
 24.07.2011, 01:36
@FishermanFriend

Vielleicht wäre ein 1. Schritt erstmal mit meinen Eltern darüber zu reden. Die werden mir zwar bestimmt daselbe sagen wie ich hier lese, aber vielleicht ist es was anderes wenn ich es von den Menschen höre, die ich liebe. Ich weiß auch das ich dann vor ihnen weinen werde, wenn ich ihnen mein Problem erzähle, aber sie werden das natürlich verstehen. Ich weiß einfach nicht wieso ich mich so sehr damit auseinander setze. Ich bin gerade mal 17. Klar, man weiß nicht wann man stirbt. Aber im normal Fall kann ich von mir selber aus sagen, das ich noch mein ganzes Leben vor mir habe. Aber das tröstet mich irgendwie nicht weil ich WEIß, dass es trotzdem irgendwann vorbei sein wird, egal wie viel Zeit ich noch habe. Aber ich danke dir erstmal :) :*

0
FishermanFriend  24.07.2011, 01:46
@MAREiiKE

Immer gerne.
Ja vielleicht ist es das beste wenn du morgen mal mit deinen Eltern darüber redest. Die werden wohl am besten wissen, was du tun solltest. Wir alle hier kennen dich nun mal kein Stück.
Auch wenn wir versuchen dir zu helfen. Mit den Freunden oder den Eltern redet es sich sicherlich besser darüber.
Also gute Nacht! Versuch dich heute etwas davon abzulenken und dann Träum davon was du morgen so vor hast. ;-)

0

Wow..Also dein Beitrag ist echt der Hammer.Aber denk doch mal so..Woher willst du den wissen dass es nicht weiter geht wen du stirbst? Und dass mit deinen Eltern,,nicht nur dir geht es so.Es wird sogar schlimmer weil du noch gute Zeiten mit deinen Eltern haben wirst.Aber das elrlebt jeder.Denk einfach so,sie leben noch und ich möchte ihnen zeigen dass ich sie liebe.Dan wirst du nicht mehr so arg daran denken.

Hmm... Dir, mir und jedem ist es bewusst das unsere Zeit irgendwann kommen wird. Genauso wird es allen ergehen die wir kennen :(( Punkt! Es wird sich daran nichts mehr ändern, aber du solltest nicht darauf warten bis dieser Zeitpunkt kommt

Hier auf dieser Seite wollte schon jemand wissen ob man seinen Tod(Zeitpunkt mein ich) berechen kann...nein das geht ZUM GLÜCK nicht! Stell dir vor du liegst irgendwann im bett und sagts dir: Ja, jetzt ist es vorbei und du denkst nochmal an alles was du hinterlassen konntest Du kannst entweder zurückblicken auf ein erfülltes Leben oder auf den selben gedanken der dich immer und immer plagt.

Was ist dir lieber? Wenn du skype hast können wir uns mal mehr darüber unterhalten wenn du magst;D


FishermanFriend  24.07.2011, 01:23

Auch wenn ihr die Lieder nicht unbedingt mögt, aber die Onkelz haben darüber auch ein paar gute Lieder drüber geschrieben. Oder Frei.Wild auch.

0