(Latein) Dies ater, was passierte an den Schwarzen Tagen?

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Die Römer(innen) in der Antike haben die Bezeichnung dies atri (»schwarze Tage«; Singular: dies ater) für Tage verwendet, die als Unglückstage/unheilvolle Tage/Unglück bringende bzw. drohende Tage galten.

Die dies atri waren eine Untergruppe der dies religiosi („mit einer religiösen Bindung/Verpflichtung verknüpfte Tage“), als negativ eingestufte Kalendertage, an denen eine Vorstellung zur Einschränkung von Tätigkeiten (vor allem des Neubeginns wichtiger Unternehmungen) mahnte, weil sonst ein schlechter Ausgang zu erwarten wäre.

Eine dahinter stehende allgemeine Annahme war, Tage seien nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ bestimmt: Es wurden günstige und ungünstige Tage unterschieden. Die kulturelle Praxis, das Gelingen oder Mißlingen von Handlungen mit kalendarisch definierten günstigen oder ungünstigen Tagen in Verbindung zu bringen, wird »Tagewählerei« genannt.

An dies atri, als ungünstig geltenden Tagen, ruhten Tätigkeiten ganz oder teilweise. Es geschah also insofern eher weniger, als Personen es möglichst vermieden/unterließen, an solchen Tagen wichtige Unternehmungen zu beginnen. Beispiele sind Volksversammlungen, Senatssitzungen, Heirat, Antritt von Reisen, das Austragen von Schlachten, wichtige religiöse Opferzeremonien als Amtshandlungen.

Sakralrechtlich waren die dies atri die Tage nach den Kalenden, Nonen und Iden und wurden als dies postriduani bezeichnet, abgeleitet vom lateinischen Adverb postridie („am Tag danach“, „am folgenden Tag“, von post = nach und dies = Tag). Es gab monatlich 3 dies postriduani (»Nachtage«, nämlich Tage nach den Orientierungstagen Kalenden, Nonen und Iden), je nach Monat der zweite, sechste und vierzehnte oder der zweite, achte und sechzehnte Tag des Monats.

Der Ursprung der Vorstellung ungünstiger Tage ist wahrscheinlich sehr alt, aber zur Einführung von dies postriduani/dies atri im Kalender nichts Sicheres bekannt. Antike römische Autoren haben dann eine Erklärung angeboten, dies mit schweren Niederlagen in Schlachten und anderen Unglücksfällen für die Römer unter Führung von Marcus Manlius Capitolinus das Kapitol, einen Hügel mit einer Burg (arx), wobei wachsame Gänse mit Geschnatter vor nachts heimlich hochsteigenden gallischen Angreifern warnten. Erzählt wird, die Gallier hätten für ihren Abzug eine Zahlung von 1000 Pfund Gold verlangt und ihr Anführer Brennus habe, als die Römer ihm vorwarfen, falsche Gewichte zu benutzen, mit den Worten „vae victis!“ („Wehe den Besiegten!“) noch zusätzlich sein Schwert auf die Waage geworfen (Livius 5, 38 - 49; Plutarch, Camillus 18 – 30).

Der 18. Juli ist im offiziellen römischen Kalendner als Unglückstag eingetragen gewesen, wie Inschriften belegen. Am gleichen Tag wie die Niederlage der Römer in der Schlacht an der Allia hat angeblich vorher schon eine Niederlage bei einem Kampf am Bach Cremena (etwa 479 v. Chr.) stattgefunden haben, bei dem (im Zusammenhang einer Auseinandersetzung zwischen Rom und Veii) 306 Fabier umkamen (nur ein einziges männliches Mitglied der gens Fabia, ein Knabe, sei danach noch am Leben gewesen). Das Datun war aber nicht sicher bekannt, nach einer anderen Fassung war es der 13. Februar (Ovid, Fasti 2, 195 – 196).

Nach Aulus Gellius, Noctes atticae 5, 17, 1- 2 (der Verrius Flaccus, De verborum significatu wiedergibt) hat nach der Eroberung Roms durch die Lucius Atilius im Senat geäußert, der Militärtribun Quintus Sulpicius habe vor der Schlacht an der Allia am Tag vor den Iden ein Opfer vollzogen, um den Götterwillen über einen Entscheidungskampf zu befragen. Dann sei das Heer getötet und Rom (außer dem Kapitol) erobert worden. Mehrere Senatoren hätten sich erinnert, sooft ein Magistrat/Beamter/Amtsinhaber des römischen Volkes ein Opfer wegen Kriegsführung am Tag nach den Kalenden, Nonen und Iden vollzogen habe, sei der darauffolgende Kampf schlecht verlaufen. Der Senat habe Priester (pontifices) dazu um ihre Meinung gefagt, die beschlossen, richtigerweise werde zukünftig kein Opfer an den Tagen nach den Kalenden, Nonen und Iden geschehen.

Macrobius, Saturnalia 1, 16, 21 – 24 teilt eine ähnliche Erzählung (von Gnaeus Gellius und Cassius Hemina angegeben) mit, nur behandeln die Militärtribunen Virginius, Manlius, Aemilius und Postumius die Sache und der in den Senat gerufene haruspex Lucius Aquinius weist auf das schlechte Ausgehen hin.

Licius 6, 1, 11 - 12 erzählt ähnlich von einer Erörterung im Senat über dies religiosi, wobei mit Hinweis auf die zwei Niederlagen beschlossen wurde, am Tag nach den Kalenden, Nonen und Iden kein Opfer an Gottheiten zu vollziehen. Allgemein eine Begründung mit schlimmen Verlusten durch Krieg gibt Ovid, Fasti 1, 55 – 60.

Der Bezug zur Schlacht an der Allia ist nur passend, wenn entweder der 16. Juli als ungünstiger Tag gilt und an diesem Tag schon das Opfer stattfand, die Schlacht aber erst am 18. Juli, oder die Schlacht auf den 16. Juli (entgegen der Mehrheit der antiken Angaben) datiert wird und die Eroberung Roms auf den 18. Juli.

Aulus Gellius, Noctes atticae 5, 17, 3 – 5 und Macrobius, Saturnalia 1, 16, 26 teilen mit, die meisten mieden auch den vierten Tag vor den Kalenden, Nonen und Iden als ungünstig. Ob irgendein bindendes religiöses Bedenken überliefert sei, erscheine allerdings fraglich. Nur Quintus Claudius Quadrigarius führe dies auf die Schlacht bei Cannae (2. August 216 v. Chr., Hannibals größter Sieg im Zweiten Punischen Krieg) zurück.

Erzählt wird auch, die Niederlage der Römer in der Doppelschlacht bei Arausio 105 v. Chr. gegen die Kimbern sei am 6. Oktober gewesen und ebenso am 6. Oktober ein großer Seige der Römer unter Lucius Licinius Lucullus gegen den armenischen König Tigranes bei Tigranokerta (Plutarch, Lucullus 27, 8 – 9; Plutarch, Camillus 19, 7).

Informationen:

Jörg Rüpke, Kalender und Öffentlichkeit : die Geschichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom. Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten ; Band 40), S. 563 – 575

Kocku von Stuckrad, Tagewählerei. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 11: Sam -Tal. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001, Spalte 1220 - 1223

Spalte 1220 – 1221: „In Rom kannte man den Begriff dies religiosi zur Kennzeichnung jener Tage, die für Unternehmungen ungünstig waren, an denen aktivitäten imsgesamt eingeschränkt (Gell. 4, 9, 5f.; 5, 17, 1, Macr. Sat. 1, 16, 2 – 27; Fest. 348, 22 – 30, Ov. fast. 1, 57f.; Non. 73, 30; 379, 1, Liv. 6, 1, 12, CIL I 2, 231) und die zugleich durch Kulthandlungen ausgewiesen waren. Dies religiosi wurden weiter unterteilt, etwa in dies atri (»schwarze Tage«, bzw. dies postriduani), also Nachtage der monatlichen Orientierungstage von Kalenden, Nonen und Iden (Macr. Sat. 1, 16, 21), an denen man nichts Neues unternehmen sollte (Macr. Sat. 1, 15, 229, Varro ling. 6, 20 mit Ansätzen einer Katarchenastrologie; → fasti). Die Gründe für eine solche soziale und kulturelle Bestimmung von Zeitqualitäten liegen nicht nur im rel.-kultischen Bereich, sondern auch im pol. Interessenlagen, da Orientierungstage das kulturelle Gedächtnis normieren sowie rel. Handlungssteurungen und Systematisierungen erlaubten.“

Gell. 4, 9, 5f. = Aulus Gellius, Noctes Atticae 4, 9, 5 folgend

Macr. Sat. = Macrobius, Saturnalia

Fest. = Festus

Ov. fast. = Ovid, Fasti

Non. = Nonius

Liv. = Livius

CIl = Corpus Inscriptionum Latinarum (Korpus lateinischer Inschriften)

Varro ling. = Marcus Terentius Varro, De lingua latina

rel.= religiös(en)

pol. = politischen


daniel28273 
Beitragsersteller
 19.06.2016, 12:45

Danke!

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Laut Wikipedia gab es an einem solchen Tag eine Niederlage der Römer gegen die Gallier. Und daraufhin die Entscheidung, dass man an einem "dies ater" nicht den Göttern opfern dürfe.

https://de.wikipedia.org/wiki/Dies_ater


daniel28273 
Beitragsersteller
 18.06.2016, 23:06

Danke

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Generell waren die dies atri die Tage nach den Kalenden, Nonen und Iden. Also immer der zweite, je nach Monat der sechste oder achte und der vierzehnte oder sechzehnte Tag eines Monats. Sie wurden deswegen auch dies postruandi (nachfolgende Tage) genannt.

Die Verbindung zu Unglück gab es erst seit einer verheerenden Niederlage der Römer gegen die Gallier an der Allia (ein kleiner Fluss bei Rom, Nebenfluss des Tibers glaube ich), welche am Tag nach den Iden geschah. Die Römer zogen die Verbindung zu einem religiösen Opfer, welches den Göttern an diesem Tag erbracht worden war. Außerdem sei in Verbindung eines Opfers an den dies postruandi schon oft Schlimmes geschehen. Der Senat verbot daraufhin Opfergaben an diesen Tagen.

Nach Aulus Gellius wurden diese Tage fortan als schwarze Tage bezeichnet und gehandhabt (dictos habitosque atros). Daraus hat sich dann die generelle Bezeichnung als Unglückstag ohne Verbindung zu bestimmten Tagen gebildet.