kurzfristiger Freelance Job - Stundensatz auf Basis von vorherigem Jahresgehalt berechnen?

2 Antworten

Hallo Halsud,

das kannst Du schon machen, wenn Du ein paar wichtige Dinge beachtest: Bei einem Jahresgehalt von 66.000 € brutto gehe ich von monatlich 5.500 € brutto aus.

Als Freiberufler musst Du die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungen komplett selbst tragen. (Anders als bei einer Festanstellung auf Lohnsteuerkarte). D.h. insgesamt 38,75 % Deiner Bezahlung gehen rechnerisch für deine KV, AV, RV und PV drauf. Dazu noch Urlaubsanspruch usw.

Du kannst die Werte gerne einmal in meinen Tagessatz- Stundensatzrechner zur Umrechnung von Gehalt auf freiberufliche Stundensätze eingeben. Auf meiner Webseite findest Du 2 Online-Rechner. Der linke ist zur Umrechnung von Lohnsteuergehältern auf Rechnungshonorare:

https://www.stefanweiss.biz/freelancer-tagessatz-rechner-selbstaendiges-honorar-lohnsteuer/

Wenn Du jetzt Dein bisheriges Monatsgehalt von 5.500 € brutto auf eine Wochengage umrechnest (= geteilt durch 4) dann komme ich auf eine Wochengage von 1.375 € brutto. Die trägst Du bitte in das Feld "Wochengage auf Lohnsteuerkarte" ein und wählst logischerweise darüber die Auswahl Wochengage statt Tagesgage.

Dann erhältst Du als gleichwertigen Tagessatz 361,99 € netto (= Rechnungsbetrag OHNE 19% MwSt!) und daraus abgeleitet einen Stundensatz von 45,25 € netto (=Rechnungsbetrag OHNE 19% MwST!).

ABER ACHTUNG!!!

Das ist vorerst NUR die "äquivalente" Umrechnung Deines bisherigen Jahresgehalts. D.h. Wenn Du noch +10% Urlaubsanspruch hinzurechnest, dann kostest Du Deinen Arbeitgeber "in etwa" genau so viel, als wenn er Dich für 5 Wochen fest anstellen würde. Da sind die unternehmerischen Risiken, die Du als Freiberufler bzw. Selbständiger zusätzlich schultern musst noch nicht enthalten!

Grundsätzlich stellt sich dabei Frage, warum die Firma Dich nicht für 5 Wochen fest anstellen kann wenn Du dort Vollzeit arbeitest?

Jetzt aber die wichtigste Information:

Als Freiberufler hast Du nicht nur die Verantwortung für Dein Honorar sondern auch die Verantwortung für Deine Kollegen und Konkurrenten, d.h. für den allgemeinen Marktpreis. Wenn Du jetzt den Fehler machst, Dich für 45,25 € Stundensatz netto anzubieten, dann zerstörst Du Dir und allen anderen auf dem Markt deinen zukünftigen Verdienst, weil Du die unternehmerischen Risiken, die Du als Freiberufler im Gegensatz zu Festangestellten zusätzlich tragen musst, nicht mit einkalkuliert hast. Dann betreibst Du Lohndumping und sorgst dafür, dass die Honorare für die Leistung die Du anbietest allgemein noch stärker sinken und alle - auch Du - es noch schwerer haben werden, davon in Zukunft freiberuflich leben zu können.

Zusammengefasst könnte man sagen:

45,25 € ist nur die unterste Basis-Rechengröße von der Du ausgehen musst. Zu diesen 45,25 € musst Du dann noch alle weiteren unternehmerischen Risiken wie z.B. Insolvenzgeldrücklage, Investitionsrücklage, Steuerrücklage, Krankheitsausfall und vieles mehr hinzu addieren, die Du als Selbständiger tragen musst.

Das heißt, Du wirst deutlich mehr verlangen müssen als 50 bzw. 60 € pro Stunde netto (ohne 19 % MwST). Natürlich wird Dein Auftraggeber dann mit dem Argument kommen: "Aber ich will nicht mehr bezahlen als wenn ich Dich fest anstelle. 45,25 € kann ich Dir geben. Du bekommst die Arbeitgeberanteile von mir mit ausbezahlt. Das ist dann in etwa das Gleiche."

Im ersten Moment klingt das durchaus plausibel aus Sicht der Firma, aber es ist für Dich unter korrekter wirtschaftlicher Betrachtung ein deutlich schlechteres Geschäft, als wenn die gleiche Firma Dich für 1.375 € brutto pro Woche auf Lohnsteuerkarte fest anstellt. Und zwar weil Du höhere Risiken trägst: Du hast keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mehr, keinen Urlaubsanspruch, keinen 3-monatiger Kündigungsschutz usw. Zusätzlich übernimmst Du auch das Haftungsrisiko, dass die Firma mit Deiner Arbeit nicht zufrieden ist und das Risiko, dass die Firma Dich danach nicht wie vereinbart bezahlt.

Und all das, was Du zusätzlich an Risiken übernimmst, musst Du Dir zusätzlich bezahlen lassen.

Anbei ein 3-minütiger Ausschnitt eines Vortrags von mir, den ich an einer Ludwigsburger Hochschule genau zu dem Thema Deiner Frage gehalten habe:

https://youtu.be/Vze1YWjGAh0

Darin erkläre ich anhand eines Beispiels mit der Rentenversicherung, welche Berufsgruppen besonders von solchen "Fehlkalkulationen" des Tages-/Stundensatzes betroffen sind und wie sich deren Fehlkalkulation in den letzten Jahren auf ihre Rente und ihre Existenz auswirkt.

Ich hoffe, ich konnte Dir damit Deine Frage einigermaßen beantworten und Dir den Anstoß gegeben, Dich für die Preisverhandlung mit Deiner Firma nochmal genau vorzubereiten. Suche Dir vorher viele gute Argumente zusammen, warum Du als Freiberufler für die 5 Wochen deutlich teurer bist, als wenn sie Dich für die gleiche Zeit fest anstellen. Und wenn sie Dich nicht teurer bezahlen wollen, dann bestehe darauf, dass sie Dich zu einer Wochengage von 1.375 € brutto auf Lohnsteuerkarte ordentlich anstellen und sozialversicherungspflichtig anmelden.

Viel Erfolg bei Deiner Verhandlung! Du hast es verdient, für Deine Arbeit angemessen entlohnt zu werden. Mach also nicht den Fehler, Dich aus Unkenntnis finanziell mit Halbwahrheiten und fadenscheinigen Argumenten über den Tisch ziehen zu lassen.
Du machst es nicht nur für die einmaligen 5 Wochen, sondern Du willst auch in den kommenden Jahren noch gut davon leben können.

Freie Mitarbeiter müssen immer teurer sein als festangestellte Mitarbeiter. Sonst machen sie etwas falsch und subventionieren mit ihrer eigenen Existenz die Gewinne der Auftraggeber.

In diesem Sinne herzliche Grüße und ein gutes Gelingen!
Stefan Weiß

PS:

Wenn Du planst, zukünftig hauptberuflich als Freiberufler und Selbständiger zu arbeiten, dann probiere auch mal den zweiten Online-Rechner auf meiner Webseite aus. (Den auf der rechten Seite "Wie viel muss ich verlangen?" - eine Anleitung wie Du ihn am besten benutzt, um Deinen hauptberuflichen Mindest-Tages- und Stundensatz auszurechnen, findest Du in dem Video direkt darunter.)

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Nein, höher.


Halsud 
Beitragsersteller
 18.10.2019, 07:57

und wie viel?

ronalda  18.10.2019, 08:00
@Halsud

Minimum das Doppelte eigentlich mehr. Du musst davon Versicherungen zahlen, bekommst nichts wenn du Urlaub hast oder krank bist etc.