Krisenkriterien nach Rudolf Vierhaus?

1 Antwort

Das lässt sich so leicht nicht beantworten. Größtenteils ja, würde ich sagen. Betrachten wir es im Detail (in Kürze, ich will hier keinen Roman schreiben):

  • Unregelmäßiger Verlauf: das lässt sich allein schon an den Regierungsdaten der Kaiser ablesen - vom Sechskaiserjahr und mehreren gleichzeitig bis zu immerhin neun Jahren. Längere Regierungszeiten bedeuten meist größere Stabilität.
  • Eingriff in alle Lebensbereiche: Den Punkt finde ich am schwierigsten, er trifft am wenigsten zu. Die Krise kam durch Einfälle von außen, es war eine politische Krise. Dementsprechend sind die Leute an den betroffenen Grenzen definitiv in allen Lebensbereichen betroffen, die Menschen in anderen Provinzen sowie im Reichszentrum natürlich weniger - besonders, da gerade die kurzlebigen Kaiser oft gar nicht nach Rom kamen. Die Menschen beispielweise in Rom werden, manche mehr als andere, gewusst haben, was an den Grenzen und an der politischen Spitze los ist, aber es wird kaum Einfluss auf sie gehabt haben.
  • Krisenbewusstsein bei Betroffenen: Mal ganz simpel gesagt: Ich bin mir sicher, die Leute waren sich bewusst, dass die Situation mindestens problematisch ist. Trotzdem insofern schwierig, als dass man "Krise" unterschiedlich definieren kann.
  • Erkennbarkeit einer Krise an strukturellen Veränderungen: Es gab große strukturelle Veränderungen in der Zeit, die aber kaum mit der Krise zu tun haben. Das einzige in direktem Zusammenhang war die (zwischenzeitliche!) Ernennung der Kaiser durch das Militär (-> Soldatenkaiser). Damit wurde in der Tat auf die Krise reagiert. Jedoch war es keine dauerhafte Veränderung, da bereits Diocles/Diocletian diese beendete. Andere, dauerhafte Veränderungen, allen voran die Militärreformen, begannen erst nach der Krise.
  • Entwicklungen mit alternativen möglichen Ergebnissen: Definitiv. In den Kaiserwirren hätte das Reich auch untergehen können (theoretisch, wobei ich erst letztens - https://www.gutefrage.net/frage/warum-ueberstand-das-roemische-reich-die-krise-im-3-jahrhundert#answer-390340779 - erklärt habe, warum vermutlich genau das Gegenteil der Fall war). Andere Kaiser mit völlig anderen Zielen hätten sich durchsetzen können. An den noch friedlichen Grenzen könnten Feinde eingefallen sein und Rom, von allen Seiten angegriffen, hätte vielleicht nicht standhalten können. Oder es hätte sich stattdessen ein völlig neues Reichsgebiet ergeben. Alles Konjunktiv - aber sehr interessant, die Methode der kontrafaktischen Geschichte auf große Krisen anzuwenden.

Also, als Fazit, ja, auch hier lassen sich die Merkmale von Vierhaus weitestgehend bestätigen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung