Krankheit und Überleben im Mittelalter

8 Antworten

Bei den meisten Dingen hättest du durchaus Überlebenschancen gehabt, allerdings immer mit der Gefahr, daß bleibende Schäden zurückbleiben. Ohne Antibiotika etc. wird der Körper stärker in Mitleidenschaft gezogen und geschwächt, was natürlich Folgeinfekten Tür und Tor öffnen.

Kritisch sehe ich v.a. das azetonämisches Erbrechen, v.a. wenn du da sehr klein warst, sowie die Lungenentzündung. Grippe, Magen-Darm-Geschichten, Windpocken, das ist unangenehm, aber auch ohne heftige Medikamente zu überstehen. Vergiß auch nicht, daß es auch im 15. Jh. durchaus wirksame Mittelchen v.a. auf pflanzlicher Basis gab (natürlich auch einigen unwirksamen Blödsinn, das darf man nicht von der Hand weisen).

Dafür gibt es eine Menge Dinge, die man heute gar nicht mehr bedenkt, die früher aber durchaus tödlich verlaufen konnten, wenn man ohne Tetanus-Impfung durch´s Leben geht.

Allerdings solte man die Verhältnisse damals auch nicht überdramatisieren. Die Menschen sind nicht scharenweise an Kleinigkeiten gestorben. Wer erstmal seine Kindheit überlebte, hatte gute Chancen, weit über 60 zu werden (bitte hier nie das tatsächliche Sterbealter von Personen mit den Durchschnittswerten verwechseln, in die auch die relativ hohe Kindersterblichkeit miteinberechnet wird).

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Studium und 17 Jahre Berufserfahrung

Das mittelalterliche Trinkwasser wurde aus Brunnen oder fließendem Gewässer geschöpft und, wenn es nicht abgekocht wurde, bekam man Durchfall, Kinder starben daran am häufigsten. Deshalb galt Bier auch als geeignetes Getränk für Kinder, da es einen geringeren Alkoholgehalt als heute hatte und durch das Kochen der Bierwürze weitgehend keimfrei war, was man vom damaligen Trinkwasser nicht behaupten konnte.

Viele der heute bekannten Krankheiten gab es damals auch. Nur kannte man damals nicht die Ursachen und behandelte demnach auch nur deren Symptome. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass es die Selbstheilung bei den meisten Krankheiten gibt, somit helfen auch wirklich die Kräutertees und Umschläge und Wickel. Und diese Art von Medizin machte man immer zuerst! Erkrankungen des Nervensystems waren rätselhaft, besonders die psychischen Krankheiten. Diese wurden dann mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Operiert wurde auch selten, Amputationen gab es schon, aber eine Blinddarmentzündung war oft tödlich, weil es keine Narkosemittel gab.

Erstens kommt es darauf an in welcher Gegend Du gelebt hast. Wer in den Städten gelebt hat, der war arm dran. Wer reich genug war sich einen Arzt leisten zu können, war arm dran, denn was die fabrizierten war so abenteuerlich, dass man sich fragt, wie jemand überhaupt überlebte. Nicht zu vergessen, dass ihre Anatomiekenntnisse aus dem Buche eines Griechen stammte, der 400 v. Chr. lebte und der darin die Anatomie von Tieren aufgezeichnete hatte. Das Abbilden der Anatomie des Menschen war ja im Mittelalter verboten.

Aber auch da war es weniger schlimm als man glaubt, weil Mittel verwendet wurden, die der Natur entstammten. Damit wird der Körper besser fertig. Antibiotika gab es schon damals und bessere, denn sie waren nicht künstlich. So unterstütze der Schimmel von Schafsdung, der sich beim Verbinden von Wunden nach einiger Zeit automatisch bildete, desinfizierend und heilend. Oder der Schimmel bei Äpfeln, die man dennoch gegessen hat. Damit hatte man ja automatisch ein natürliches Antibiotika.

In der Zeit bevor die Christen zu ihrem blutigen Erlösungswerk aufbrachen waren viele der sogenannten Heiden medizinisch schon sehr weit. Man hat Schädeloperationen gefunden, die man heute nicht besser ausführen könnte. Bevor man den Rest bei den Hexenverbrennungen versuchte auszurotten, waren es gerade die Hebammen und die Kräuterweiblein (und -männlein), die sehr wirksame Mittelchen kannten. Und bevor die weiße Her.renrasse in Nordamerika einbrach, gab es überwiegend keine Krankheiten, die nicht behandelten werden konnten und die Lebenserwartung lag bei 120 Jahren.

Die Indianer kannten zwar keine Bakterien, aber es wird berichtet, dass ein Indianer sein Trinkwasser immer zunächst erhitzte und einige Blätter beifügte.

Wenn ich Deine Geschichte betrachte, dann macht das auf mich mehr den Eindruck, dass Du so viele Krankheiten bekommst, weil Dein Körper durch zuviel Chemie bereits geschwächt ist. Antibiotika ist ein Riesenhammer, den man nur sehr, sehr vorsichtig benutzen sollte. Und hast Du danach Deine Darmflora wieder aufgebaut? Immerhin haut Dir das ja auch Dein restliches Immunsystem kaputt. Vermutlich hättest Du weder Magen-Darm-Infekte gehabt, noch Erkältungen, noch Lungenentzündung, denn all das weist auf ein geschwächtes Immunsystem hin. Und was so als Grippen behandelt wird sind meist keine. Ich jedenfalls lasse mich nicht vorsorglich gegen Grippe impfen und Erkältungen kenne ich schon seit Jahren nur vom Hörensagen oder von Anderen. Und ich hatte viele Jahrzehnte Krankheiten, die mit Chemie behandelt wurden. Ich brauchte lange, bis das, was dadurch zerstört wurde, wieder aufgebaut wurde. Und jetzt bin ich bald 70, man schätzt mich allgemein zwischen 40 bis 50, Falten kenne ich so wenig wie Krankheiten, schwimme wenn ich Lust habe meine 60 bis 80 Bahnen im Schwimmbad und genieße die Damenwelt. Ich fühle mich erheblich fitter als mit 40, als ich glaubte meine Beschwerden wären die ersten Alterserscheinungen. Heute bin ich der Ansicht, dass der Körper seine Aktivitäten erst einstellt, wenn er die Lebensfreude verliert und glaubt, dass bestimmte Teile nicht mehr gebraucht werden. Tja, und dafür habe ich keine Chemie gebraucht. Deshalb habe ich dennoch etwas Chemie im Haus, wenn doch etwas eintreten sollte, wofür ich rasche Hilfe brauche. Und ich will nicht sagen, dass nicht auch etwas eintreten kann, wofür ich Chemie vorübergehend benutzen würde. Aber die Überbewertung sollten wir langsam vergessen und setzt sich ja auch mehr und mehr bei vielen Ärzten durch. Der Hirnforscher Prof. Dr. Hüther sagt ja, dass die Ärzte bisher keine Krankheit "heilen" konnten. Hätten nicht die christlichen Kirchen im Mittelalter jede wissenschaftliche Forschung einseitig unterdrückt, hätte sich die Wissenschaft nicht völlig auf die andere Seite gestellt und sich eine Medizin entwickelt, die alle Faktoren mit einbezieht.

Das Wissen war auch im Mittelalter groß. Denke an Hildegard von Bingen, die nicht die Einzige war, die aber gefahrlos ihre Arbeit verrichten durfte. Wärst Du auf dem Lande oder sogar in den Bergen aufgewachsen damals, so wären Deine Überlebenschancen besser gewesen als heute.


Mojojojo64 
Beitragsersteller
 11.06.2013, 23:27

Ja, ich glaube auch, dass man früher auf dem Land (sofern genug zu Essen da war) bessere Überlebenschancen hatte als in den verkeimten Städten. Die zwei Behauptungen mit den Indianern, die Schädeloperationen und die 120 Jahre Lebenserwartung finde ich schon etwas krass. Bist du dir da sicher? Allerdings kannten die ja auch keinen Alkohol und keinen Stress, sie lebten sicher gesünder als wir.

Sonst stimme ich dir voll und ganz zu! Ärzte, die wegen einer 3-Tages-Erkältung Antibiotika verschreiben sind skandalös. Allerdings möchte ich im Ernstfall (--> Lungenentzündung) auch nicht darauf verzichten. Ebensowenig auf meine Impfungen gegen Typhus und wasweissichalles. Ich denke, die Medizin ist da aber langsam am umdenken, ich kenne viele Ärzte, die mehr und mehr den Patienten im Ganzen betrachten und etwas tiefer nach Lebensweisen und -einstellungen fragen, als das typische "Mund auf, Pille rein". Ursachen behandeln ist wirksamer, als Symptome unterdrücken.

Und nicht zuletzt: Ich weiß genau, woher meine jetzige Erkältung kam: War seit 2 Wochen nicht mehr Joggen, generell zu selten an der Luft, zu wenig schlaf, zu unregelmäßige und minderwertige Mahlzeiten. Eigentlich braucht man sich gar nicht zu wundern...

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Jerne79  12.06.2013, 00:52
@Mojojojo64

Schädeltrepanationen sind seit der beginnenden Jungsteinzeit nachgewiesen. Allerdings sind sie auch mit einem großen Infektionsrisiko verbunden.

Was Enki bei seinem "Feldzug gegen das Christentum" (ich formuliere das jetzt einmal etwas überspitzt) übersieht ist aber die Tatsache, daß v.a. die Klöster die Tradition der Naturmedizin aufrecht erhielten. In Klostergärten wurden immer auch Heilkräuter angebaut, da hat die gute Hildegard von Bingen das Rad nicht neu erfunden.

Und auch die Medizin der Antike hatte durchaus ihre Haken, sie begründet z.B. die Lehre von den verschiedenen Körpersäften mit teils ziemlich abstrusen Heilungsmethoden. Es hat nunmal alles zwei Seiten. Viel davon wurde von den mittelalterlichen Medizinern übernommen.

Es wurde auch nicht jede Form der Wissenschaft von der Kirche ausgebremst, da wird hier ein viel zu einseitiges Bild gezeichnet. Natürlich hat die Kirche eine Menge behindert, aber viele Forschungsansätze gingen auch von Geistlichen aus. In andere Bereiche mischte sich die Kirche auch gar nicht ein. Man muss hier schon mit etwas mehr Objektivität an die Sache herangehen.

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Plasmaspender  12.06.2013, 01:21
@Jerne79

Also langsam macht das hier keinen Spaß mehr: Jedesmal, wenn ich was "Schlaues" schreiben will, stell ich fest, dass du es schon getan hast (oder Kristall) grmpf ;-)

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Enki40  12.06.2013, 04:23
@Mojojojo64

Ich stimme völlig mit Dir überein Mojojojo. Beide Richtungen haben ihre guten Seiten und wir müssen immer mehr lernen abzuwägen. Die Problematik ist unser Gesundheitssystem, dass sich jetzt langsam - viel zu spät - öffnet. So lange wir Krankenkassen haben, werden immer die Methoden gefördert, die scheinbar am schnellsten helfen. Was wir brauchen sind Gesundheitskassen, die Ärzte für die Gesunderhaltung des Menschen bezahlen, nicht nur für die Behandlung von Krankheiten.

Das zweite grundlegende Problem ist die ganzheitliche Betrachtung. Von Kindheit an werden wir auf lineares Denken trainiert und unsere ganzen Ausbildungssysteme sind darauf ausgerichtet. Und wofür man früher viele Jahre brauchte um die Wirkweise der Natur zu verstehen, das schafft ein Arzt heute in einem Wochenendseminar und schon kann er sich Facharzt für Naturheilverfahren nennen. Genauso ist das mit der Akkupunktur. Und selbst die "Naturheilverfahren" sind auf schnell ausgerichtet.

Was Schädeloperationen betrifft, so hat das Jerne bereits beantwortet und was die Lebenserwartung betrifft, so beziehe ich mich auf Berichte über Indianer. Die allerdings durchaus glaubhaft sind, denn weshalb sollten wir altern, wenn wir gesund und voller Lebensfreude sind? Ich denke, falls wir die Umweltprobleme in den Griff bekommen, dass unsere Generationen einer ganz neuen Lebenserwartung entgegen gehen, die ganz bestimmt nicht dadurch entsteht, dass wir an irgendeinem Tropf hängen und man uns die Chance nimmt auf die andere Seite des Lebens zu gehen.

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Enki40  12.06.2013, 04:32
@Jerne79

Was Du schreibst stimmt vollkommen, Jerne. Ich wollte jedoch hier kein Buch schreiben, sondern nur auf die krassen Behinderungen eingehen. Und das Problem war doch, dass die Ausführung von den Launen eines Höheren ausging. Hildegard von Bingen stand knapp vor dem Verbot ihrer Tätigkeit, wäre sie nicht von dem damaligen Papst gefördert worden. Und was die Klöster pflegten beruhte meist auf dem Wissen früherer unchristlicher Generationen.

Ich möchte keineswegs das Kind mit dem Bade ausschütten. Aber die christlichen Kirchen tun so viel sich selbst zu beweihräuchern, dass ich auf die krassen Dinge hingewiesen habe. Und da gab es die Verbote. Geheilt wurde nur durch Gebete. Wer krank wurde hatte sich irgendwie versündigt. Waschen war ungesund. Wer seine Unterwäsche zu oft wechselte wurde als Hexe verbrannt. Andere Methoden wurden hinter Klostermauern verbannt und hatte auch da wenig Chancen, wenn es keine toleranten Äbte oder Äbtissinnen gab.

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Mojojojo64 
Beitragsersteller
 12.06.2013, 18:33
@Jerne79

Wow, habe gerade mal etwas über die Schädeloperationen gelesen, ist ja ziemlich beeindruckend, was die sich damals schon getraut haben. Vor mehreren tausend Jahren!

Zur Medizingeschichts-Diskussion möchte ich auch noch etwas beitragen: Der Stand der Wissenschaft ist eh immer nur das, worauf sich gerade die hellsten Köpfe einigen können. Das gilt nicht nur für die Medizin, sondern auch für Physik, Astronomie, Mathematik, Wirtschaft. In jeder dieser Disziplinen gibt es ungelöste Probleme (z.B, in der Reihenfolge von oben: Krebs, die Vereinigung von Relativitätstheorie und Quantenmechanik, die Riemannsche Vermutung, die Eurokrise oder auch Krisen allgemein).

Was wir daraus ableiten können ist lediglich, dass unser Wissen unvollständig ist und wir mit Sicherheit viele Fehler machen. Nachfolgende Generationen werden schmunzeln über unser Unwissen, so wie wir nicht glauben können, dass sich früher tatsächlich jemand von Blutegeln hat beißen lassen, um sich vor der Pest zu schützen.

In der Medizin kommen wir im Moment wohl einfach von einem mikrobiologischen Ansatz (der viele, viele Menschenleben gerettet hat und Krankheiten heilen kann, die vor einigen Jahren noch den sicheren Tod bedeuteten) nun vielleicht zu einem ganzheitlicheren Ansatz, der Ernährung, körperliche Betätigung, psychische Verfassung, usw mit einbezieht, da wir erkennen, dass man auch mit der konventionellen, hochtechnologisierten Medizin nicht alle Krankheiten heilen oder vorbeugen kann (z.B. Krebs).

Mit Sicherheit ist es besser, Krankheiten durch einen ganzheitlichen Ansatz schon vorzubeugen, gesund zu leben und nicht gleich bei einer Erkältung die Pillenschachtel zu leeren. Das schützt einen aber auch nicht mit Sicherheit vor schwerer Krankheit. Genauso macht einen die Medizin, wie wir sie kennen nicht mit Sicherheit gesund. Vielleicht wird es eines Tages so sein, dass wir jede Krankheit bekämpfen können, oder einen Weg finden, dass wir nichtmal mehr irgendeine Krankheit bekommen. Aber WIE das bewerkstelligt werden kann, durch mehr Technik in der Medizin oder durch Meditation oder durch vegane Ernährung oder oder oder, das kann niemand sagen. Wäre ja auch langweilig sonst.

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Mojojojo64 
Beitragsersteller
 12.06.2013, 18:11

Dieses pdf durchzulesen, lohnt sich wirklich, danke für den Link! Vor allem am Anfang gibt es ein paar interessante Passagen über die Evolution von Krankheiten. Es ist schwer, die Keime, die wir heute kennen (und evtl. sogar noch genauso nennen wie vor hunderten Jahren), mit denen von früher zu vergleichen. Denn Bakterien und Viren verändern sich viel schneller als wir es tun. Also lässt sich schlussendlich nicht genau sagen, ob eine Krankheit damals (rein vom biologischen Potential) gefährlicher war als heutzutage, da wir es mit ganz anderen Keimen zu tun haben.

Noch eine Überlegung zur Veränderlichkeit von Viren und Bakterien: Der Grund, warum wir bis heute kein wirksamen Mittel gegen das HI-Virus gefunden haben ist seine hohe Mutationsrate, wenn ich mich da recht an meinen Biologieunterricht erinnere. Die Oberflächenstruktur des Virus ändert sich so rasand schnell mit seinen Generationen, dass man keinen Stoff entwickeln kann, der es angreift. Gruslig...

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Wenigen Menschen ist bewusst, wie anders das Leben noch vor einigen Jahrhunderten aussah. Damals, als Elektronik unbekannt und die Behandlung per Aderlass und Blutegel natürlich war, starben Menschen oftmals bereits mit 35 Jahren. Verantwortlich sind für die geringe Lebenserwartung im Mittelalter zahlreiche Faktoren. Mehr dazu auf der beigefügten Seite.

http://www.hsg-berlin.de/lkgeschichte/leben_und_sterben/tod.html


Jerne79  10.06.2013, 23:15

starben Menschen oftmals bereits mit 35 Jahren

Bitte nicht immer das erreichte Durchschnittsalter als Sterbealter der Gesamtheit interpretieren. Wer seine Kindheit überlebte, wurde leicht über 60. Die Mehrheit starb nicht mit 30 oder 40, wie man oft vorschnell denkt.

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Jerne79  11.06.2013, 12:05
@bodyguardOO7

Davon wird´s aber nicht richtig. Wo man nicht unbedingt Seuchen- oder Spitalsfriedhöfe hat, sprechen die Tatsachen (= Altersbestimmung von Toten auf Friedhöfen anhand der Skelette) nunmal eine andere Sprache.

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