Kontakt zu Eltern abbrechen, aber wie?
Meine Frage richtet sich an alle, die den Kontakt zu ihren Eltern oder einem anderen nahen Verwandten abgebrochen haben.
Ich kann nicht mehr. Der Kontakt zu meinen Eltern ist nur noch belastend und die Option den Kontakt abzubrechen steht schon länger im Raum. Ich habe diese Möglichkeit auch bereits in der Therapie durchgesprochen, aber ich bin so zerrissen. Immer, wenn ich meinen Vater besuche, bin ich davor schon total gereizt und so 4-5 Tage danach psychisch total ausgeknockt. Es zieht so unfassbar viel Energie und belastet mich nur noch. Mit meiner Mutter kann man kaum vernünftige Gespräche führen. Sie fühlt sich bei jeder Kleinigkeit angegriffen und feuert dann zurück.
Beispiel: Ich lese eine Nachricht auf WhatsApp antworte aber nicht direkt. 10 Minuten später schreibt sie "Bin ich jetzt keine Antwort wert oder was?" Gefolgt davon, dass sie mich beledigt oder runter macht, weil ich ja so undankbar und egoistisch bin. - Ich war gerade in der Bahn und musste umsteigen, weshalb ich mein Handy in meine Tasche gepackt habe.
Schon mehrere Versuche das Gespräch zu suchen sind gescheitert, da sie, wenn ich ein Problem anspreche, auch nie bei der Sache bleibt. Sie zieht dann andere Probleme mit ein oder fängt an mit "Aber du..." Dabei gebe ich schon mein Bestes ihr keine Vorwürfe zu machen, sondern einfach das Problem zu beschreiben und vielleicht zu gucken, wie man das lösen kann. Ich wollte immer die Beziehung retten, aber meine Bedürfnisse werden immer als "unwichtig" abgestempelt oder sie versucht mir ein schlechtes Gewissen zu machen.
Als ich gesagt habe, dass es mir zu viel ist, wenn sie sich mehrfach am Tag bei mir meldet und fragt, was ich so mache - weil ich gerne auch vor meiner Mutter etwas Privatsphäre hätte und auch mal Dinge tun möchte, ohne, dass sie davon weiß oder ihre ungefragte Meinung abgibt - hieß es "Wieso musst du denn so ein Geheimnis daraus machen?" Sie versucht einfach immer alles zu kontrollieren und ich kann nicht mehr.
Eigentlich möchte ich den Kontakt zu meinen Eltern komplett abbrechen, weil es nur noch belastend ist. Auf der anderen Seite habe ich sie natürlich auch lieb, aber ich fühle mich so verantwortlich und gezwungen für sie da zu sein. Es ist ein innerlicher Kampf. Und wenn ich versuche mit jemandem zu reden - der nicht gerade mein Therapeut ist - bekomme ich häufig die Rückmeldung "Aber es sind doch deine Eltern. Du kannst das doch nicht machen." usw. Grundsätzlich weiß ich, dass auch meine Eltern nicht das Recht haben mich so zu terrorisieren und es mein gutes Recht ist, den Kontakt abzubrechen. Trotzdem machen diese Rückmeldungen ala "Familie geht über alles" es nicht gerade einfacher. Ich habe doch schon alles versucht, über Jahre hinweg.
An die, die den Kontakt zu Eltern o.ä. Personen abgebrochen haben - Wie habt ihr das geschafft einen Schlussstrich zu ziehen? Habt ihr euch auch so schuldig gefühlt, wie ich mich gerade? Wie kann so ein Kontaktabbruch gelingen?
10 Antworten
Also ich würde noch einmal versuchen ein letztes Gespräch zu suchen...und dann Ende. Es ist definitiv ein bedeutender Schritt und das sollte verdammt gut überlegt werden.
Aber dann überall blockieren und bei Kontaktaufnahmen erklären wieso und warum und dann wieder blockieren ggf. Emailadresse wechseln.
Bei mir hat sich das damals so ergeben. Ich bin damals nach einem harten Streit "über Nacht" ausgezogen bzw. sie hat mich auch irgendwie rausgeschmissen, habe 2 Monate auf der Couch von meiner jetzt Ex gepennt und dann hatte ich eine Wohnung.
Dann habe ich mir gedacht - Mhh. Jetzt ist es eh schon soweit und sie hat mir in meinem Leben immer nur geschadet - jetzt nehme ich das als Gelegenheit um mich endlich von ihr zu befreien - und um sie für alles bluten zu lassen was sie mir jemals angetan hat ( Kindheit war echt Müll ) und das habe ich. Sie hat danach noch oft versucht Kontakt aufzunehmen aber ich habe sie dann eben immer abblitzen lassen.
Klar unterm Strich bin ich jetzt alleine - das müssen wir uns kaum schön reden und damit solltest du dann klar kommen.
Aber es war die Beste Entscheidung in meinem Leben. Ich bin lieber alleine als mich aus Not mit irgendwem abzugeben der mir immer nur schadet.
Bin jetzt übrigens 23 und das ganze ist 5 Jahre her. Zu meinem Vater hatte ich nie Kontakt deswegen musste ich den Kontakt zu ihm nicht abbrechen. Nicht wundern haha
Ich hab heute den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Ich habe 26 Jahre lang darüber nachgedacht bis ich mich getraut habe! Heute kam es in einem Streit aus dem Affekt heraus. Die ersten 2 Stunden tat es weh und jetzt fühle ich mich wie befreit. Jetzt schon kann ich fühlen , dass es für mich richtig ist und ich hätte es viel früher tun sollen!
Der Gedanke diese komischen verdrehten Vorwürfe nie wieder zu bekommen ist eine große Erleichterung!
Wenn die Mutter nur schadet und einem nix schönes bringt, dann ist Kontaktabbruch vielleicht langfristig besser.
Ich wünsch dir ganz viel Kraft
Rückmeldung von jemandem mit einem heilen Elternhaus: es ist dann emotional schwer, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn dieser für mich absolut sichere Raum eine Gefahr wäre. Es ist so weit ab vom eigenen Erleben, dass emotionale Empathie (dieses intuitive verstehen und nachfühlen der Situation eines anderen) nicht mehr funktioniert. Da hilft nur kognitive Empathie (bewusst rational über die Situation nachdenken und überlegen, wie man sich fühlen würde). Dein Therapeut kann das, es ist sein Job. Die meisten Menschen im Alltag können das nicht.
Hilft dir vielleicht, dieses "aber das geht doch nicht" einzusortieren. Da projizieren sie ihr Verhältnis zu ihren Eltern auf dich. Was halt mit deiner Realität nichts zu tun hat.
Zum Thema, ich hab öfter gelesen, dass Menschen solche Kontaktabbrüche für sich zeitlich begrenzt haben, wenn ein vollständiger Abbruch zu radikal erschien. "ich werde jetzt einen Monat keinen Kontakt haben und dann werde ich entscheiden, was ich im nächsten Monat mache" oder so. Das ist weniger endgültig. Und die Schuldgefühle waren leichter auszuhalten.
Der Trick ist, schuld zu ertragen ist ein lernbarer skill. Es sind am Ende deine Eltern. Es ist schwierig, wenn man Eltern liebt und hasst. Es ist okay, sich schuldig zu fühlen. Du scheinst reflektiert genug, zu wissen, dass du da eigentlich keinen Grund zu hast. Aber Gefühlen ist es egal, ob man einen Grund hat. Und manchmal muss man Gefühle einfach aushalten. Bei mir waren es nicht die Eltern sondern mein erster Partner, wo ich lernen musste, Schuldgefühle einfach zu akzeptieren und weiter zu machen. Ich vermute, das mein Weg war leichter als deiner weil es "nur" ein Partner und nicht die Eltern waren, aber es wird parallelen geben.
Hallo!
Als ich damals den Kontakt zu meiner Tante abbrechen 'musste', weil ich es nicht mehr ertrug, hat sie mich jedem gegenüber schlecht gemacht und Lügen verbreitet. Ich habe darauf nicht reagiert. Daraufhin hat sie eines meiner Kinder genauso schlecht geredet, wie sie es vorher mit mir tat.
Erst nach ihrem Tod konnte ich zufällig erkennen, dass ich es ihr nie hätte Recht machen können. Mein 'Fehler' in ihrer Sicht war, dass ich geboren bin.
Durch die Prägungen durch sie und meine Mutter hab auch ich viele Fehler gegenüber meinen Kindern gemacht. Das führte bei einem Kind (was sich sehr gut mit meiner Tante verstand und alles glaubte, was sie sagte) auch zu einem Kontaktabbruch. Ich habe sie in Ruhe gelassen, ihre Entscheidung akzeptiert. Wir haben unabhängig voneinander beide an uns gearbeitet und heute ist es das Kind, mit dem ich mich einfach wortlos verstehe. Ein unbeschreibliches Geschenk.
Hilfreich könnte für dich eventuell Emotion Anonymous sein. Im Austausch mit Gleichgesinnten ist es einfacher, eine Entscheidung zu treffen und dazu zu stehen: https://www.ea-selbsthilfe.net/
Lass dir bloß nichts einreden - natürlich ist es nicht schön, mit der Familie den Kontakt abzubrechen. Dennoch ist das manchmal sinnvoll oder sogar unbedingt notwendig.
Ich musste mir auch so einiges von Leuten anhören, nachdem ich den Kontakt zu meiner Großmutter abgebrochen habe. "Wie kannst du denn nur, die arme Frau, sie ist ja immer noch deine Oma". Ja, sie ist ein armes Schwein, keine Frage. Allerdings braucht sie ihr Leid nicht an sämtlichen Angehörigen inklusive mir auslassen und ihnen an Dingen die Schuld geben, auf die sie keinen Einfluss haben.
Als Enkelin, die damit aufgewachsen ist von den eigenen Eltern zu hören, dass "die Oma einfach so ist und einen an der Waffel hat, da kannst du nichts dafür" war es für mich natürlich deutlich leichter einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen, als das bei den eigenen Eltern der Fall ist. Ich bin einfach auf keine Kontaktversuche mehr eingegangen. Die Schuldgefühle blieben aus.
Hat dein Therapeut vielleicht Tipps für dich? Schließlich kennt er dich und hat einen Einblick in die konkrete Situation. Ich würde ansonsten ganz pauschal behaupten - ohne dass ich näheres weiß - am Besten, du kommunizierst das klar und gehst danach nicht mehr auf Anrufe, Nachrichten, usw. ein. Wenn nötig auch mittels Blockierfunktion. Du könntest auch betonen, dass du dich meldest wenn du soweit sein solltest. Ob das in einem Monat, einem Jahr oder nie ist, bleibt damit offen...
Alles Gute dir!