kanzlei meyenburg Datenleck?

Bergfex49  29.06.2024, 07:34

Welcher Schaden - der ersetzt werden soll - ist Dir denn entstanden?

Lukasbn 
Beitragsersteller
 01.07.2024, 23:14

Alles gut hat sich geregelt!

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Eine gute Frage!

Viele Kanzleien werben bei Datenlecks mit Schadensersatzansprüchen zwischen 1000 und 5000 €. In der Praxis sieht es so aus, dass viele (bzw. so weit ich weiß, alle) Klagen noch nicht rechtskräftig entschieden sind. Die Kanzlei WBS bringt jetzt 2 Verfahren vor den BGH. Wenn man sich in der Pressemitteilung des BGH zur am 8. Oktober 2024 stattfindenden mündlichen Verhandlung anschaut, was da bisher passiert ist, wird man folgendes feststellen:

In beiden Verfahren hat das LG in erster Instanz die Haftung komplett abgelehnt. In zweiter Instanz hat ein OLG ebenfalls die Haftung komplett abgelehnt, das zweite OLG hat zwar die Haftung dem Grunde nach bejaht, aber den geltend gemachten Schadensersatz (i. d. R. irgendwas zwischen 1000 und 5000 €) komplett abgelehnt.

Daraus lese ich schon eine recht deutliche Tendenz ab. Über die Frage, ob Deezer für den Datenschutzverstoß verantwortlich ist, kann man durchaus streiten. Hier könnten die Klagen erfolgreich sein. Was den Schadensersatz angeht, hat der EuGH durch seine Urteile in den letzten Jahren (verlinkt sind hier 3 Urteile der letzten 6 Monate) folgendes klargestellt:

  1. Allein die Verletzung der DSGVO führt nicht automatisch zu einem Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens des Betroffenen.
  2. Jedoch kann allein schon die Befürchtung, dass aufgrund des DSGVO-Verstoßes ein Datenmissbrauch durch Dritte stattfindet, einen Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens auslösen.
  3. Der Schadensersatzanspruch, insbesondere der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens hat eine Ausgleichs-, keine Straffunktion.

Das Problem ist, dass keiner so recht weiß, was er jetzt zur Befürchtung eines Datenmissbrauchs im gerichtlichen Verfahren überhaupt vortragen, geschweige denn, wie er es beweisen soll. Einfach nur lapidar zu behaupten, dass man ganz furchtbar empört ist und einen Datenmissbrauch befürchtet, wird wohl nicht ausreichen. Auch die pauschale Behauptung, man bekomme seit dem Datenleck mehr Spam- und Phishing-Nachrichten, wird so nicht ausreichen. Man wird im Einzelnen vortragen müssen, wie sich die Befürchtung des Datenmissbrauchs konkret äußert. Zum Beispiel, dass und wie man seitdem man von dem Datenleck weiß, sein Nutzungsverhalten umgestellt hat.

Die deutschen Gerichte tun sich mit dem Anerkennen von Schmerzensgeld schon immer sehr schwer und sind auch in der Höhe sehr zurückhaltend. Man hat auch das Gefühl, dass die Richter sich schwer tun mit dem ganzen Geschäftsmodell dieser Schadensersatzklagen. Und auch der EuGH möchte zwar einen hohen Verbraucherrechtestandard, aber auch keine Massenklagen auf hohe Entschädigungssummen wegen Kinkerlitzchen. Wenn das Schule machen würde, wäre der Datenschutz der Totengräber der europäischen Wirtschaft.

Es ist durchaus möglich, dass die Klagen am Ende zumindest teilweise Erfolg haben. Was aus meiner Sicht aber nicht passieren wird ist, dass jeder Kläger 1000 € oder mehr Schmerzensgeld einsackt. Nicht dafür, dass "nur" Daten veröffentlicht worden sind, die du bereitwillig auf jeder Seite eingibst, die dir vorgaukelt, dir kostenlos eine Kiste Kinderriegel zuzusenden. Das wird nicht passieren.

Der BGH wird meiner Meinung nach die Verfahren auch nicht dem EuGH vorlegen, weil dieser in den letzten Monaten und Jahren alle Fragen, die sich rund um diese Fälle drehen, ausreichend klar entschieden hat. Meine Prognose ist, dass der BGH den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bejahen wird, den (immateriellen) Schadensersatzanspruch aber entweder ablehnt, weil die Kläger ihre angeblichen Befürchtungen nicht gut genug dargelegt haben. Oder den Schadensersatzanspruch auf eine Summe bis max. 1000 €/Fall reduziert. Eher deutlich darunter. Kann aber auch sein, dass der BGH die Fälle an die Vorinstanzen zurückschickt, weil die bisher nicht genug ermittelt haben und der BGH sich deshalb außerstande sieht, die Höhe des Schadensersatzes selbst festzulegen.

Jedenfalls besteht eine gute Chance, dass die Klagen ganz oder teilweise abgebügelt werden. Für einen vollständigen Sieg sehe ich jedenfalls keine ernsthaften Erfolgsaussichten.

Kommt die Frage auf: Wer bezahlt das Ganze?

Diese großen Kanzleien fahren mit einem von zwei Modellen:

  1. Rechtsschutzversicherung. Wenn du eine Rechtsschutzversicherung hast und die das übernimmt, werden die Anwälte von deiner RSV bezahlt. Gehst du mit der Klage baden, hast du deine RSV eine Menge Geld gekostet und die Wahrscheinlichkeit, dass sie deinen Vertrag kündigt, steht sehr gut.
  2. Prozessfinanzierer. Ein Prozessfinanzierer übernimmt die Prozesskosten - so wie es deine RSV tun würde. Wenn die Klage erfolgreich ist, bekommen die das Geld, was sie an deine Anwälte gezahlt haben, von der Gegenseite erstattet. Oberdrein (!) musst du aber einen Teil des Schadensersatzes, den dir die Gegenseite zahlen muss, an den Prozessfinanzierer abdrücken. Das ist der Ausgleich dafür, dass die das Kostenrisiko übernommen haben. Verlierst du den Prozess, entstehen für die theoretisch keine Kosten (der Prozessfinanzierer übernimmt die ja für dich). ABER: Wenn der Prozessfinanzierer sich übernimmt und Insolvenz anmeldet (was durchaus schon vorgekommen ist), bist DU in der Zahlungspflicht, weil du Kläger und damit der Kostenschuldner bist. Die Gegenseite interessiert es (zu Recht) nicht, wer für die die Kosten übernehmen wollte. Dann kommen im schlimmsten Fall Kosten im fünfstelligen Bereich auf dich zu.

Tldr:

Kann man machen, aber man sollte sich davon nicht allzu viel versprechen. 5000 € wirst du ganz sicher nicht nach Hause holen und auch vor allem nicht in den nächsten Wochen oder Monaten. Den fetten Urlaub solltest du also besser noch nicht buchen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – berufsmäßiger Jurist

Lukasbn 
Beitragsersteller
 01.07.2024, 23:13

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Was für ein Jurist genau bist du ?

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Da würde ich mich direkt bei deren Supoort schlau machen (vorher) ;-)