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Die Karikatur „Die Grundlage für den Völkerbund“ von Thomas Theodor Heine (in Klammern steht oben rechts: Th. Th. Heine; rechts unten in der Ecke stehen die Buchstaben „T“, „T“ und „H“ aufeinander) ist in einer in München veröffentlichten deutschen politisch-satirischen Wochenzeitung erschienen:

Simplicissimus 23. Jahrgang Nr. 50, 11. März 1919. S. 633

http://www.simplicissimus.info/uploads/tx_lombkswjournaldb/pdf/1/23/23_50.pdf

Drei Männer sind als nebeneinanderstehende Engel dargestellt. Sie haben Flügel und tragen lange herabhängende Gewänder. Um ihre Köpfe ist ein Heiligenschein/Nimbus in heller rötlicher Farbe. In verschränkt vor der Brust gehaltenen Händen halten sie an Schwerter an den Griffen, deren Spitzen nach gerade unten zeigen.

Die Klingen der Schwerter haben eine helle rötliche Farbe und eine gewellte Form ähnlich einer züngelnden Flamme.

Die Männer stehen mit den Füßen auf Hals, Brust, Bauch und Beinen eines am Boden liegenden Mann. Dieser zeigt kein Lebenszeichen, ist also entweder tot, ohnmächtig oder völlig niedergestreckt. Sein Mund und seine Augen sind geschlossen. Auf dem Kopf trägt er eine Zipfelmütze.

Die Szene befindet sich in einer hügeligen Landschaft mit wenigen kurzen Pflanzen. Im Hintergrund erscheinen drei verschiedenen turmartige Gebäude (teils mit zwei Öffnungen unter dem Dach, teils mit Zinnen, teils in runder Form).

Bildunterschrift ist die Aussage: „Nur so kann Deutschland darin geduldet werden!“

Die Karikatur kann auf die Frage eines Friedensvertrages nach dem Ersten Weltkrieg und den Plan der Gründung eines Völkerbundes bezögen werden. Seit dem 18. Januar 1919 wurde auf einer Konferenz in Paris und seinen Vororten (darunter Versailles) über einen Friedensvertrag verhandelt.

Die drei Männer sind, an ihrem Aussehen erkennbar, führende Politiker der Siegermächte: von links nach rechts David Lloyd George (mittelgroß, schlank, mit Haupthaar und Schnurrbart), Premierminister Großbritanniens, Georges Clemenceau (auf dem Kopf kaum Haare, aber buschige Augenbrauen und ein großer Schnurrbart), Ministerpräsident und Kriegsminister Frankreichs, und Woodrow Wilson (groß, hager, schütteres Haupthaar, glattrasiert, trägt eine Brille), Präsident der USA.

Wilson hatte in einer Rede im Kongress am 8. Januar 1918 Grundzüge einer Friedensordnung genannt (14-Punkte-Programm). Ein Teil davon war die Gründung eines Völkerbundes.

Zunehmend wurde deutlich, wie Deutschland, das den Ersten Weltkrieg verloren hatte, einen Friedensvertrag mit einigen harten Bedingungen zu erwarten hatte und keinen sehr milden Frieden. Dies war später auch das Ergebnis beim Friedensvertrag von Versailles (am 28. Juni 1919 unterzeichnet, am 10. Januar 1920 in Kraft getreten).

Teil I eines Friedensvertrag sollte eine Satzung für den zu gründenden Völkerbund sein. Nach einem Entwurf zu der Satzung 14. Februar 1919 gehörte Deutschland nicht zu den ursprünglichen Mitgliedern des Völkerbundes und Staaten konnten nur Bundesmitglieder des Völkerbundes werden, wenn ihre Zulassung von zwei Dritteln der Bundesversammlung ausgesprochen wird, vorausgesetzt, daß sie für ihre aufrichtige Absicht, ihre internationalen Verpflichtungen zu beobachten, wirksame Gewähr leisten und die hinsichtlich ihrer Streitkräfte und Rüstungen zu Lande, zur See und in der Luft von dem Bundes festgesetzten Ordnung annehmen (so auch festgelegt als Artikel 1 Absatz 2). Deutschland wurde am 10. September 1926 Mitglied des Völkerbundes.

Die drei Männer erscheinen wie Racheengel. In der Bibel, Altes Testament, 1. Mose/Genesis 3, 24 heißt es über die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies (Garten Eden): „und als er den Menschen hinausgetrieben hatte, ließ er östlich vom Garten Eden die Cherubim sich lagern und die Flamme des zuckenden Schwertes, damit sie den Zugang zum Baum des Lebens bewachten.“

Lloyd George, Clemenceau und Wilson sind als Cherubim mit Flammenschwertern dargestellt. Der auf dem Boden liegende Mann ist durch die Zipfelmütze als deutscher Michel gekennzeichnet, eine Personifikation der Deutschen, ein nationale Allegorie, die Deutschland symbolisiert.

Die Karikatur ist von einem Deutschen gezeichnet und kritisiert die Behandlung Deutschlands. Deutschland ist nach dem Entwurf erst einmal für den Völkerbund nicht zugelassen und damit symbolisch aus dem Paradies ausgeschlossen. Nach der Aussage der Bildunterschrift, die offenbar in Zuspitzung als Standpunkt der Siegermächte gedacht ist, wird Deutschland nur völlig zugrunde gerichtet oder niedergeworfen, wehrlos und unterdrückt im Völkerbund geduldet werden. Deutschland ist ganz unter bewaffneter Aufsicht der Siegermächte (die Spitzen der Schwerter sind dicht über dem Körper).

Die Karikatur ist nicht völlig sachlich, sondern von nationalem Gefühlen geprägt.


bonsai455 
Fragesteller
 02.04.2021, 20:43

Super, vielen herzlichen Dank für die ausführliche Beschreibung

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Steht doch dabei: "Diese politische Karikatur zeigt Lloyd George, Georges Clemenceau und Woodrow Wilson, die auf einem Körper stehen, der Deutschland repräsentiert."

Die Deutschen haben sich das nur eine Zeit lang gefallen lassen, dann kam Adolf.


bonsai455 
Fragesteller
 01.04.2021, 19:46

Ich hätte es gerne etwas ausführlicher. Warum sind die Schwerter so komisch? Und was sollen die Engelsflügel?

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Der Schmied kriegt keine geraden Schwerter hin ...