Journalisin mit Kopftuch?

8 Antworten

Ich arbeite selbst in dem Bereich - ich sage es mal so: Ein Volontariat sollte mit Sicherheit gehen, wenn die Voraussetzungen (Abitur/Studium mit guten Noten, ggf. journalistische Vorerfahrung, guter menschlicher und fachlicher Eindruck) passen. Ich habe es "mit Migrationshintergrund" auch gepackt (Zeitung) und mich in dem Bereich sehr gut etablieren können - wenngleich aller Anfang immer schwer ist.

Ansonsten ist es halt so, dass man eines wissen muss - Kopftuch ist in Deutschland nicht überall gern gesehen. Ich meine das nicht negativ, aber manche fassen es so auf, dass man Deutschland bzw. das christliche Bild des Abendlandes ablehnt und interpretieren es als Affront gegen die Gesellschaft, wenn man sich so offen zum Islam bekennt. Ich würde mit Kopftuch nicht überall hingehen bzw. ich persönlich habe auch die Erfahrung gemacht, als "Ausländer" nicht überall gern gesehen zu sein und manche Orte, Vereine und Pressetermine besser nicht anzunehmen. Da bin ich ganz ehrlich, ich habe in meinen Anfangsjahren (bin 32 - das ist rund zehn Jahre her) auch durchaus Beleidigungen wegen meiner Herkunft einstecken müssen. Es gab damals sogar ein paar Vorfälle, wo man sich weigerte, mit mir zu sprechen und das auf meine Herkunft und Familie bezogen hat - da wurde dann dahingehend argumentiert, dass man den alteingesessenen freien Mitarbeiter, einen "urdeutschen" Lehrer in Pension, oder einen Redakteur deutscher Herkunft forderte, "weil der ... so ein Albaner ist". Kein Witz.

Es kommt aber auch darauf an, wo man wirkt und ich fing in der Vorstadt an - relativ provinzielles, verklemmtes, katholisches Milieu, wo ich es auf der Realschule schon wegen meiner Herkunft schwer hatte und wo es auch unerträgliche Ressentiments gegenüber Russlanddeutschen gab und noch heute teilweise gibt.

Ansonsten solltest du es, wenn echtes Interesse vorhanden ist, ganz einfach probieren - ich wünsche dir viel Erfolg!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Kristall08  06.12.2022, 18:45

Dann geh mal als Frau zu einem Moscheeverein. Da wirst du, im eigenen Land, vor die Tür gesetzt....

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rotesand  06.12.2022, 18:48
@Kristall08

Kann ich mir vorstellen. Ich war vor Jahren (das war so 2014) auch mal bei einem solchen Verein, ich glaube zum Fastenbrechen des Ramadan; es war ein schöner Sommerabend, ich wurde übrigens als Mann mit Sakko, Mercedes und "ausländischem" Namen sehr herzlich empfangen.

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Kristall08  06.12.2022, 18:52
@rotesand

Mein Mann weigert sich inzwischen, solche Termine zu besuchen. Als Fotograf wird ihm ständig vorgeschrieben, was er ablichten darf, da macht er nicht mehr mit, sagt er, da es auch schon vorkam, dass ihm die Kamera (die ja nicht so ganz billig ist), aus der Hand zu reißen.

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Wunderowunder  06.12.2022, 18:56
@Kristall08

Ist das so? Darf man als Frau nicht in einen Moscheeverein? Gibt es Moscheevereine speziell für Frauen?

Ich habe mal so eine Erfahrung gemacht in Malaysia, ich war mit fünf Jungs unterwegs und wir dachten uns, es wäre ja mal interessant, in eine Moschee zu gehen. Die 5 sind reingekommen, ich nicht. Ich hätte in eine "für Frauen" gehen können. 🧕

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Kristall08  06.12.2022, 18:59
@Wunderowunder

Ich glaube, es gibt eine, in der auch Frauen Zutritt haben in Berlin(?). Die wird allerdings auch von allen anderen angefeindet.

Ist das so? 

Ob das überall so ist, kann ich dir nicht sagen.
Aber hier im Ruhrgebiet schon.

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Kristall08  06.12.2022, 19:08
@Wunderowunder
Wie handhabt das eigentlich ein(e) muslimische(r) Transsexuelle(r)?

Sowas gibt es hier nicht.
Und wenn der das offen zugäbe, gäbe es ihn nicht lange.

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rotesand  06.12.2022, 19:12
@Kristall08

Das ist bei mir nicht vorgefallen, aber ich sage mittlerweile sowieso vielen, dass sie eigene Artikel schicken sollen. Es ist inzwischen auch schwierig mit freien Mitarbeitern - Studenten machen das kaum noch und "ältere Dorflehrer", die in den 60ern teils noch ehrenamtlich als Vereinschronisten anfingen und eines Tages so gut waren, dass man sie auch auf Events wie "100 Jahre SPD-Ortsverein XYZ-Stadt" oder ein anspruchsvolles Chorkonzert schicken konnte, kommen langsam in ein Alter, wo man nicht mehr schreibt.

Wobei ich sagen muss - ich habe es ziemlich leicht, weil ich ein kommunikativer Typ bin, der mit den meisten schnell warm wird und mit dem man auch keinen Krach kriegt ... nach dem Motto, ich sehe zwar nett aus und ich bin's eigentlich auch, aber ich kann auch anders. Ich hatte noch nie Ärger mit jemandem, der mir die Kamera wegnehmen wollte - ich gehe auch auf die Leute zu. In meinem aktuellen Umfeld komme ich mit dieser Art sehr gut zurecht und weiß auch, dass ich von höchster Stelle hohe Wertschätzung genieße.

Letztlich hängt es auch damit ab, wie man mit den Leuten umgeht; ich bin keiner, der sein Können wie auf einer Monstranz vor sich her trägt wie manch anderer (habe ich schon erlebt - unser regionaler Mitbewerber hat einige solcher Koryphäen an Bord) und bin auch keiner, der nach dem Motto argumentiert "ich bestimme, was erscheint". Mit mir können die Leute reden und ich mache vieles möglich, was anderen den Aufwand vielleicht nicht wert wäre - gerade weil ich es anfangs schwer hatte "als junger Ausländer in dem Metier".

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Kristall08  06.12.2022, 20:15
@rotesand

Nun,

ich bin da sicher etwas voreingenommen, aber mein Mann macht den Job jetzt seit 30 Jahren. Ich gehe also mal davon aus, dass der auch recht gut mit Menschen umgehen kann.

Aber nicht damit, wenn sich ein "Pressesprecher" an seine Fersen heftet und ihm vorschreiben will, was er zu fotografieren hat. Das entscheiden, zumindest hier noch, nicht die, über die berichtet wird.

Vielleicht sieht er auch einfach nicht ausländisch genug aus, trotz Großvater aus Schlesien.

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rotesand  06.12.2022, 20:18
@Kristall08

Wer sich in dem Bereich so lange hält, hat in aller Regel einen guten Namen und einen guten Ruf und kann was :-)

Aber nicht damit, wenn sich ein "Pressesprecher" an seine Fersen heftet und ihm vorschreiben will, was er zu fotografieren hat. Das entscheiden, zumindest hier noch, nicht die, über die berichtet wird.

Das ist tatsächlich übel. So was würde mich dann auch aufregen, da würde ich dann einfach nicht mehr kommen und demonstrativ auch keinen freien Mitarbeiter mehr schicken. Haben wir auch bei diversen Vereinen so gemacht, die dem besten freien Mitarbeiter blöd gekommen sind.

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Wunderowunder  06.12.2022, 20:36
@rotesand

Finde ich gut, wie du damit umgehst! Ich will nichts relativieren, aber als "Ausländer" hat man es wahrscheinlich in keinem Land der Welt leicht! Oder? Meinst du dass das in anderen Ländern leichter gewesen wäre?

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rotesand  06.12.2022, 20:49
@Wunderowunder

Danke! Letztlich ist alles Routine und mit den Jahren wird man sowieso ruhiger und reagiert auf vieles nicht mehr oder geht damit anders um wie in der Zeit, wo man noch nicht so erfahren war... ich sage heute immer - ich habe einen breiten Buckel, den können mir manche grad mal runter rutschen.

Ob es woanders leichter gewesen wäre, kann ich so nicht beurteilen und mich nur spekulativ äußern. Aber ich sage es mal so - in meiner Heimatstadt kam irgendwie alles zusammen: Überwiegend schlecht gebildete Leute voller Vorurteilsdenken, erzkatholisches und strukturschwaches Arbeitermilieu, Neid gegenüber jedem und allem, unterschwellige Aggressivität und Rechthaberei, Stammtischparolen und Vereinskultur in der Vorstadt - da hatte ich es (wie mancher "Ausländer") besonders schwer; in irgendeiner größeren Stadt oder allgemein woanders hätte ich es eventuell schon leichter gehabt. Ich bin da nicht umsonst weggezogen und muss sagen - wo ich jetzt wohne und arbeite, war meine Herkunft nie ein Thema, auch nicht für die Leute, mit denen ich arbeite.

Die schlimmsten und infamsten Menschen waren aber streng genommen selbst "Ausländer", jedenfalls keine Einheimischen: Am schlimmsten waren Sudetendeutsche aus dem Böhmerwald, geboren im heutigen Tschechien.

Ich versuche das mal zu schildern auch bezogen auf die Zeitungsarbeit: Gelesen werden Schmierblätter, die man für bare Münze nimmt, mit unter Schlagwörtern wie "Schicksalsreport" rubrizierten Artikeln, und die Tageszeitung blättert man zwar durch, kapiert sie aber nicht und beleidigt am Telefon die Redakteure, warum sie so "gehoben" schreiben, obwohl sie sich schon Mühe geben, sehr einfach zu schreiben. Wenn die Zeitung nicht um Punkt 5.30 Uhr da ist, pöbelt man rum und wenn sie nicht nach eigenem Wunsch in bestimmter Weise gefaltet wird, steht man um vier Uhr auf, macht die Tür auf, passt den Austräger ab, beschimpft ihn und weint hinterher, wenn der Zustellungsleiter anruft und sagt, dass eine Beschwerde vorliegt, dass im geliebten Böhmerwald alles viel netter und herzlicher gewesen sei. Das ist alles echt passiert, ich denke mir solchen Mist ja nicht aus. Schuld sind immer die anderen, vor allem Ausländer und Andersdenkende, man selbst ist perfekt und natürlich unantastbar.

Eine Welle antisemitischer, beleidigender Telefonanrufe an Leute, bei denen "jüdische Abstammung" anhand des Nachnamens vermutet wurde - das muss man sich erst mal geben - gab es zu meiner Jugendzeit auch mal und ich bekam es einmal mit, wie die Mutter eines Freundes angerufen wurde und kreidebleich den Hörer fallen ließ - den Typen haben sie offiziell nie erwischt oder belangt, aber ich denke, mit dem hat der "Stadtsheriff", der den Leuten am Stammtisch auch Tipps gab, wo man besoffen fahren könne ohne kontrolliert zu werden, halt gepichelt. Schon klar!

Interessant ist aber, dass die treibende Kraft von Diffamierungen und Beleidigungen sowie solcher Extreme fast durchweg gar keine "Ureinwohner" sind, sondern Sudetendeutsche und deren Nachkommen. Ich hatte mit denen auch viel Ärger und muss sagen ... wenn ich auf der Arbeit einen Kunden mit einem sudetendeutsch klingenden Nachnamen hatte wusste ich, das gibt Probleme oder gab schon Probleme bei meinem Vorgänger oder meinen Kollegen - und ich wurde fast immer bestätigt zumindest bei denen, die aus dem Böhmerwald stammten. Die ganzen Süd- und Nordmährer oder die vom Altvatergebirge oder von der Iglauer Sprachinsel waren durchweg ganz in Ordnung, die Böhmerwaldler fast durchweg schlimm. Einer hat mal versucht, aus Hass bei mir in die Garage einzubrechen, um meinen Mercedes C180 zu demolieren ... er warf mir vor, ich sei "nicht demütig genug", weil ich mir als junger Mann das Auto als Gebrauchten gekauft habe, das er sich nach jahrelangem Vom-Munde-Absparen zur Rente erst leisten konnte und er wollte mein Auto beschädigen, "damit ich vernünftig und demütig werde". Das hat er auch rumerzählt.

Eine Morddrohung gab es aus diesen Kreisen auch und meine damalige Freundin wurde einem Lauschangriff ausgesetzt - alles so herrlich nett, katholisch, volkstümlich und sudetendeutsch, "mir hörn auch gern Volksmusik", das Maß war einfach nur noch voll.

Ich bin froh, dass ich dort nicht mehr wohne und mit den Leuten zum Großteil nichts mehr zu tun hatte und habe mit dem letzte Woche getätigten Verkauf eines Grundstücks, das ich da noch hatte, das letzte Zelt abgebrochen.

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Wunderowunder  06.12.2022, 22:30
@rotesand

Sehr interessant! Danke für diese Einblicke. Was ich bei deinen Ausführungen gerade so realisiere ist, dass wohl jede Nationalität mit manch einer anderen irgendwelche Probleme hat und sagt "die und die sind so und so..". Und das ist ja wahrscheinlich auch vollkommen natürlich und in Ordnung. Man sollte vielleicht aufhören, entwender sich selbst oder den anderen den schwarzen Peter zuschieben zu wollen. Die Menschen sind halt so. 😉

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Von Experte rotesand bestätigt

Als Journalist sollte man, wie als Beamter oder Lehrer, erst mal neutral wirken. Da ist ein Kopftuch nicht förderlich.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

raggaeenjoyer  06.12.2022, 18:41

Meinst du nicht eher "Da ist kein Kopftuch förderlich" oder "Da ist ein Kopftuch nicht förderlich"?

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Solange du dein Kopftuch nur außen am Kopf trägst, nicht innen, dann hast du sicherlich überall Chancen. Die Frage ist nur: willst und kannst du überhaupt objektiv über die Dinge berichten? Objektiv heißt: nicht politisch oder religiös oder ideologisch eingefärbt. Das Kopftuch als Symbol sagt leider etwas anderes aus.

🦈

hey ich wollte fragen ob ich Journalistin werden kann bzw ob ich irgendwo angenommen werde??

Selbstverständlich gibt es Journalisten mit Kopftuch. Einfach bewerben. Bist du qualifiziert genug, kannst du genommen werden.

Geht es dir jetzt um das Kopftuch? Zuerst solltest du Journalismus studieren. Danach geht es erst um die Anstellung. Und sofern du nicht bei einem absolut rechtsbraunen Blatt starten möchtest, steht es dem sicher nicht entgegen.