John Stuart Mill - Kritik 2.0 (hab die Bilder vergessen)?

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John Stuart Mill steht in der Linie der englischen Aufklärung, die von Hobbes über Locke, Hume usw. bis zu ihm reicht. Das Kernanliegen der englischen und französischen Aufklärung war die Befreiung der Bürger aus der Bevormundung durch Feudalherren und Klerus. Das war in Deutschland anders. Da musste der Kaiser nach einem verlorenen Krieg von Ausländern verjagt werden und kaum hat man die Deutschen allein gelassen, haben sie sich schon wieder gleich einen Führer gewählt, der ihnen sagt wo es lang geht. Das von Kant propagierte "selbst denken" ist beim deutschen Volk mehrheitlich nie angekommen. Darum können Deutsche Philosophen und Lehrkörper (besser Leerkörper??) über ihren schwulstigen Idealismus hinaus mit Aufklärung und Utilitarismus der Angelsachsen nichts anfangen. Die ahnen auch nicht, dass das, was Mill schreibt, so neu gar nicht ist. Das stammt nämlich von Epikur, teils wortwörtlich, aber wer liest in Deutschland schon das niedliche Glücksphilosöphen Epikur, dieses kleine Schlemmerchen? Die Idee des Gesellschaftsvertrags steht nicht bei Hobbes oder Rousseau, wie man uns weismachen will, nein die steht bei Epikur!

Worum geht es bei Mill in seiner Schrift über die Freiheit? Bis zur Ablösung des Feudalismus und der Gewalt der Kleriker haben diese - angeblich in Gottes Namen - vorgeschrieben, was Recht und Gesetz ist. Zu Mills Zeiten hat sich in England langsam die Demokratie durchgesetzt und die Frage war, worauf gründen wir jetzt unsere Werteordnung, unsere Gesetze und die Regelung unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Mills Vorschlag greift den seiner Vorgänger auf: Wir machen einen Gesellschaftsvertrag, dass wir uns nicht gegenseitig schädigen wollen und dafür einstehen, dass auch niemand gegen seinen Willen von einem anderen geschädigt wird. Dieser Satz steht fast wörtlich bei Epikur. Die wussten, wovon sie sprechen. Jahrhunderte lang waren die Bürger Englands von ihren Feudalherren geknechtet worden, haben sich die Herren genommen, was ihnen recht erschien. Damit sollte Schluss sein. Ziel der Gesellschaft freier Bürger sollte sein, dass man eine Gemeinschaft verabredet, in der jeder nach seiner Facon glücklich werden kann, solange er niemand anderen schädigt. Diesen Aufklärern war aber auch klar, dass da eine Proklamation nicht ausreicht, sondern dass da jeder in der Gemeinschaft auch seine Pflichten übernehmen muss, um diese Freiheiten für alle zu gewährleisten.

Es galt also, die größt mögliche Freiheit eines Individuums gegenseitig zu schützen. Diese Freiheit war so lange Sache des Individuums, wie es nicht damit anderen Schaden zufügte oder seine Pflichten gegenüber der Gemeinschaft verletzte. Freiheit gibt es nicht ohne gegenseitige Verantwortung. Es gab aber damals auch noch keine Sozialsysteme. Jeder hatte Recht und Pflicht für sein Leben selbst zu sorgen. Und sollte jemand sich die Freiheit herausnehmen, sich selbst zu schädigen, dann war das, wenn niemand anderes mit geschädigt wurde, seine Sache und mit den Konsequenzen musste er halt leben. Bei Mill ging es um selbstverantwortliche Freiheit. Das ist noch der Idealismus der Aufklärer, dass das jeder kann und will. Heute ist das Pendel in die andere Richtung geschlagen. Da kann jeder die Kosten seines verpfuschten Lebens der Allgemeinheit aufs Auge drücken. Heute sind Freiheit und Verantwortung entkoppelt. Die Angst vor einem neuen Führer ist groß, denn den Staat dazu mit Scheinwahlen und für nichts mehr verantwortlichen Bürgern haben wir schon. Die Griechen werden gefragt, ob sie unsere Milliarden haben wollen und zu welchen Bedingungen. Uns fragt keiner. Wir zahlen. Mills Vorstellung eines souveränen Staates mit emanzipierten Bürgern wäre das nicht gewesen. Des wegen kommt Mill bei uns auch nicht gut weg.