Dies ist die völlig subjektive Sicht eines Introvertierten, meine Wenigkeit. Ich weiß natürlich nicht wie ein Extrovertierter denkt und bin daher umso gespannter auf die Resonanz.
Extrovertierte haben es sich allem Anschein nach zur Lebensaufgabe gemacht, mit allen Menschen auf der Erde befreundet zu sein. Und ganz besonderes Interesse haben sie wohl an introvertierten Menschen. Vielleicht weil sich Gegensätze anziehen oder das Unbekannte ihre Neugierde und ihr Interesse weckt.
Dabei vergleiche ich Extrovertierte gerne mit Muscheltauchern, während die Introvertierten in ihrer Nähe Muscheln gleichen, die eine harte Schale aber einen weichen Kern besitzen.
Meiner Erfahrung nach sehen Extrovertierte Introvertiertheit unterbewusst oder bewusst als Schwäche. Frei nach dem Motto “wahre Schönheit kommt von innen”, sind Extrovertierte bestrebt darin, die harte Schale zu öffnen, um an die kostbare Perle heranzukommen. Bewusst oder unterbewusst glauben Extrovertierte Menschen, dass sie Introvertierten helfen müssen, aus sich herauszukommen. Und da der Mensch ein soziales Wesen ist, wird jede Schale irgendwann geknackt.
Wenn dieser Moment gekommen ist, verliert der Extrovertierte aber oft sein Interesse an dem vermeintlichen “sozialen Experiment”. Sein Ziel ist erreicht: Er hat es geschafft, die Schale so zu präparieren, dass sie von selbst dazu bereit war, sich zu öffnen und damit aber eben auch angreifbar zu machen. Und ich glaube nicht, dass Extrovertierte dies böswillig tun. Ganz im Gegenteil. Sie glauben, dass sie den Introvertierten nun auf die große, weite Welt vorbereitet haben und er bereit ist, aus dem Nest geworfen zu werden und davon zu fliegen.
Tatsächlich ist aber genau das Gegenteil der Fall. Während die Extrovertierte Person womöglich über Monate hinweg dem Introvertierten sehr nahe stand und ihm das Gefühl gab, etwas besonderes zu sein, zieht sie sich nun nach getaner Arbeit immer weiter zurück, was den Introvertierten so verletzt, dass er eine nur noch härtere Schale aufbaut. Und quasi einen noch stärkeren Panzer zulegt, an dem dann der nächste Extrovertierte sich ausprobieren kann und es viel schwerer hat als der vorherige, dadurch dann aber auch eine noch viel innigere Beziehung zu ihm aufbaut, nur um ihn dann wieder “fallen zu lassen” und er sich wieder einen neuen Panzer zulegt, da dies einfach in seiner Natur liegt.
Bei diesem Teufelskreis leidet nicht nur der Introvertierte. Für den Extrovertierten ist es normal viele Freunde zu haben. Während er für den Introvertierten zu etwas Besonderem geworden ist, ist dieser für ihn einer von vielen und trotzdem mag er ihn ja immer noch. Da er sich nun aber enttäuscht zurückzieht, da er nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit wie zuvor bekommt, verletzt er ihn auch. Da Introvertierte ihre Gefühle nur schwer in Worte fassen können, fragt sich der Extrovertierte, ob er denn überhaupt je gemocht wurde.
Wie also können Extrovertierte und Introvertierte miteinander auskommen, ohne sich gegenseitig zu verletzen?