Ist es nicht SEHR verwunderlich, dass so eine Pandemie wie derzeit oder sogar noch viel tödlicher nicht schon LÄNGST mal über uns hereingebrochen ist?

7 Antworten

Hallo JohnDoe546,

obacht: erst einmal muss man sich fragen, ob Deine Vorstellungen - so wie in der Frage geäußert - denn wirklich zutreffen. Danach können wir uns anschauen, warum Pandemien doch recht selten vorkommen...

1) Ist Corona wirklich die erste Pandemie, die die Menschheit heimsucht?

Keineswegs.

Ich erinnere an die Pest, die im Mittelalter weite Teile von Europa entvölkert hat. Ende des 19. Jahrhunderts forderte die "Russische Grippe" weltweit Millionen Tote, nach dem Weltkrieg die "Spanische Grippe". Daneben verursachten Pocken, Cholera, Fleckfieber etc Epidemien, die oft allein deshalb nicht weltumspannend waren, weil die Reisezeiten zwischen den Kontinenten damals über der Inkubationszeit lagen.

2) Warum passiert das nicht öfter?

Einerseits ist das Risiko einer Pandemie heute größer als früher. Das liegt einerseits an der höheren Bevölkerungszahl (die eben erst in den letzte 150 Jahren dramatisch gestiegen ist). Andererseits liegt es an der Globalisierung der Handelsbeziehungen und den erheblich kürzeren Reisezeiten. Sowohl Personenverkehr als auch Güterverkehr machen eine Ausbreitung von Erregern heute leichter als noch vor 150 Jahren.

Auf der anderen Seite haben wir auch Dinge erreicht, die in der Seuchenbekämpfung enorm wertvoll sind:

Wir haben verstanden, wie Krankheiten übertragen werden. Viele Krankheiten, denen man früher wehrlos gegenüber stand, sind heute gut behandelbar. Daneben wissen wir um den Nutzen der Hygiene, haben die Möglichkeiten der Desinfektion und der Quarantäne und können oft Impfstoffe entwickeln.

Bereits diese Dinge erklären, warum viele Erkrankungen ihre Schrecken verloren haben.

Für eine Pandemie braucht es deshalb etwas __Neues__: Ein Virus gegen das niemand immun ist, weil unser aller(!) Immunsystem noch nie mit ihm zu tun bekommen hat.

Ein solches Virus muss also durch Mutation erst einmal entstehen. Und dabei muss es zwei hochproblematische Eigenschaften mit auf den Weg bekommen: Es muss leicht übertragbar sein (Tröpfcheninfektion) UND es muss gefährlich sein, ohne zu schnell oder zu oft zu töten.

Die letzte Eigenschaft ist zum Beispiel der Grund, warum es Ebola, SARS oder MERS bisher nicht zu Pandemien geschafft haben: So doof das klingt, aber in gewisser Weise werden wir bei schnell tötenden Viren dadurch vor einer Pandemie geschützt, dass die Infizierten keine Zeit mehr haben, den Virus allzu oft weiterzugeben, bevor sie ans Bett gefesselt sind. Die Infektionswege lassen sich dann sehr gut zurückverfolgen, die fraglichen Personen leicht in Quarantäne stellen (weil es nicht so viele Kontakte gab).

Andere Viren wie HIV zum Beispiel übertragen sich nicht durch Tröpfcheninfektion. Man kann sich leichter vor einer Infektion schützen. Aus diesem Grund sind auch solche Viren nicht in der Lage, eine Pandemie auszulösen.

Die Möglichkeit der Pandemie wird aber zum Beispiel auch den Grippeviren zugestanden, die immer wieder mutieren. Einige Mutationen aus dem Bereich Vogelgrippe könnten die Gefährlichkeit mit der Tröpfcheninfektion verbinden. Insofern ist es jetzt auch für Epidemiologen nicht überraschend, dass ein Vertreter der Coronaviren zu den aktuellen Problemen geführt hat.

Die Möglichkeit war also immer da - und wurde von WHO und anderen Einrichtungen auch thematisiert. Es passiert aber zum Glück nicht allzu oft, weil es eben erst zu einer geeigneten Mutation eines Erregers kommen muss. Und derart passende Veränderungen sind dann eben doch relativ selten.

Grüße


VortexDani  23.03.2020, 21:27
UND es muss gefährlich sein, ohne zu schnell oder zu oft zu töten

Plague Inc. Spieler haben verstanden.

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Epidemien und Pandemien hat es schon immer in der Geschichte der Menschheit gegeben. In früheren Zeiten, wo die Medizin längst noch nicht so weit fortgeschritten war wie heute, sogar mit weitaus gravierenderen Folgen als durch die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie.

In Europa war es im Mittelalter, aber auch in der Neuzeit immer wieder die Pest, welche sich verheerend auf die Bevölkerung auswirkte. Daneben gab es immer wieder auch Fälle von Typhus, Cholera oder Tuberkulose. Noch zu Robert Kochs Zeiten am Ende des 19. Jahrhunderts starb etwa jeder siebte Deutsche an Tuberkulose. Und die Spanische Grippe forderte zwischen 1918 und 1920 insgesamt mehr Todesopfer als der Erste Weltkrieg, mindestens 25 Mio. Menschenleben!
Heute zählt Malaria in Afrika, Asien und Südamerika wohl noch zu den gefährlichsten Krankheiten. Auch sie fordert jährlich rund 1.2 Mio Todesopfer, rund 200 Mio. Menschen infizieren sich jährlich mit Malaria. Malaria ist damit die weltweit häufigste Infektionskrankheit. Immer wieder bricht in Afrika auch Ebola aus. Selbst die Pest ist heute nicht verschwunden. Immer wieder kommt es zu Ausbrüchen der Pest, etwa seit 2008 auf Madagaskar, aber auch in industrialisierten Ländern wie den USA und in China treten Pesterkrankungen sporadisch auf.

Insofern darf man sich über die Covid19-Pandemie gar nicht wundern. Gerade die Globalisierung befeuert eigentlich die Gefahr, die von Pandemien ausgeht. Alles ist heute miteinander vernetzt, der Warenverkehr, die Wirtschaft und natürlich auch die Menschen. Aber durch den medizinischen Fortschritt sind viele Krankheiten heute behandelbar, die Prognose meist günstig. Durch geeignete Hygienemaßnahmen werden viele Krankheiten an ihrer Ausbreitung gehindert. Kritisch wird es, wenn das öffentliche Gesundheitssystem aber an seine Grenzen stößt, weil innerhalb kürzester Zeit zu viele Menschen erkranken. Genau solch einen Fall erleben wir gerade in Italien, wo inzwischen schon mehr Todesopfer zu beklagen sind als in China, wo das neue Coronavirus erstmals aufgetreten ist.
Für die meisten von uns ist das wahrscheinlich unbedeutend, da die Erkrankung im Grunde genommen harmlos ist. Bei schätzungsweise 80 bis 91 % der Bevölkerung verläuft die Covid19-Erkrankung mild oder sogar völlig symptomlos. Anders sieht das aber aus für Menschen, die bestimmten Risikogruppen angehören, eben vor allem den älteren Menschen oder chronisch Erkrankten oder Menschen, deren Immunsystem supprimiert ist. Werden sie krank, dann kann es sein, dass sie besondere medizinische Versorgung brauchen, im schlimmsten Fall eine künstliche Beatmung. Im Grunde genommen macht gerade die Harmlosigkeit des neuen Corona-Virus seine eigentliche Gefährlichkeit aus. Weil das Virus bei den meisten keine gravierenden Folgen hat, können sich innerhalb kurzer Zeit viele Menschen infizieren. Das RKI geht davon aus, dass ein Infizierter im Schnitt drei weitere Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert. Begünstigt wird das noch dadurch, dass die Krankheit direkt von Mensch zu Mensch über Tröpfcheninfektion verbreitet wird. Andere Erkrankungen wie etwa Ebola oder das Marburg-Virus werden gerade durch ihre hohe Letalität eingedämmt - Infizierte sterben, bevor sie die Krankheit ausbreiten können. So aber können viele Menschen mit harmlosen Symptomen zu einer Gefahr für eben jene werden, die besonders gefährdet sind. Deshalb ist es so wichtig, den Verlauf der Infektion zu verlangsamen.

Gleichzeitig wird auch fleißig geforscht. Weltweit werden verschiedene mögliche Impfstoffe getestet. Die Entwicklung eines Impfstoffs ist aber zeitaufwändig, man muss schließlich sicherstellen, dass der Impfstoff wirkt und nebenwirkungsarm ist. Andernfalls könnte es z. B. sein, dass die Nebenwirkungen des Impfstoffs gravierendere Folgen haben könnten als die Krankheit selbst. Klinische Tests brauchen Zeit, sie müssen ja an einer Personengruppe getestet werden, die groß genug ist. Bis es soweit ist, wird wohl noch viel Zeit vergehen. Experten rechnen damit, dass frühestens Anfang 2021 ein Impfstoff marktfähig sein wird.

Ach ja, übrigens: die gängigen Hygiene-Regeln wie regelmäßiges Händewaschen oder das In-die-Armbeuge-Husten sollten nicht nur in Zeiten von Corona eingehalten werden, sondern eigentlich immer. Schließlich rollt jedes Jahr auch eine Grippewelle über uns hinweg, mit ähnlich hoher Letalität und auch hier sind die Alten, Chronisch Kranken und Immunschwachen besonders gefährdet.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Geht so, wenn mal schaust gab es immer wieder ziemlich krasse Plagen. Unsere "westliche Welt" hatte nur den Vorteil von deutlich besseren Hygiene-Maßnahmen und medizinischer Versorgung.

Aber zum Beispiel die Pest hat auch Millionen von Menschen das Leben gekostet.

Hallo! Man muss gar nicht bis ins Mittelalter und zur Pest zurückgehen. Vor nicht einmal 20 Jahren hatten wir SARS, der Vorläufer von Corona. Aber bei Ansteckung mit einer mehr als 10 x so häufigen Mortalität.

  Zwischen 1918 und 1920 wurde die Spanische Grippe zur  Pandemie. Der fachwissenschaftlichen Literatur zufolge betrug die Zahl der Todesopfer mindestens 25, vielleicht sogar bis zu 50 Millionen. 

Also mehr als im Weltkrieg

Ich wünsche Dir einen schönen Abend